back"Singen ist wie Atmen"

Cara Dillon

Eine junge Irin auf der Suche nach sich selbst

Mit 14 gehen Teenager in die Disco, rauchen ihre erste Zigarette, flirten, rebellieren gegen die Eltern und träumen vom Erwachsensein - nur eines tun sie mit Gewissheit nicht: sich in Hinterzimmern irgendeines Pubs mit Mutter, Onkel, Tante, Schwester und deren Freunden treffen und gemeinsam singen und musizieren. Hausmusik nannte man das früher. Selbst in Irland - und es ist wirklich kein Klischee, dass fast jeder auf der grünen Insel ein Instrument beherrscht - selbst in Irland also haben Teenies andere Interessen. Nicht so in Dungiven, Co. Derry. Nicht so Cara Dillon.

Von Suzanne Cords

go! www.caradillon.co.uk
CD

"Cara Dillon" (Rough Trade/Sanctuary, 2001)

Cara Dillon unterwegs

Music Contact, Tel. 0 70 73/22 50

05.-07.07.02 Rudolstadt, TFF
02.08.02 Nürnberg, Bardentreffen
03.11.02 Bad Hersfeld, Buchcafe
16.11.02 Werdohl, Festsaal Riesei
17.11.02 Bochum, Bhf Langendreer
  WDR-Matinee der Liedersänger

Sie kennt es nicht anders, wochenends und in den Ferien singt sie im Pub und das, seitdem sie zehn Jahre alt ist. Zunächst nur zu Hause, dann überall im Land. Sie singt vom Benbradaghhügel, in dessen Schatten ihre Heimatstadt liegt und um den sich zahlreiche Legenden ranken. Sie singt von verwunschenen Quellen und der traurigen Prinzessin, die einst auf Dungiven Castle lebte. Sie singt von alten, längst vergangenen Zeiten. Und wenn man eine so glockenhelle und ausdrucksvolle Stimme hat wie Cara Dillon, dann gewinnt man mit 14 Jahren eben die All Ireland Traditional Singing Trophy als eine der besten Nachwuchssängerinnen Irlands. Als Kind hat sie begierig die Geschichten über ihre Großmutter Mary Mullen aufgesogen, eine begnadete Sängerin soll sie gewesen sein. "Ich war erst drei, als sie starb. Aber Mum hat erzählt, dass die Nachbarn zu Oma kamen und in ihrem Haus ceilis abhielten, also gemeinsam Musik machten. Sie versammelten sich ums Feuer und dann ging es los, manchmal die ganze Nacht lang: Ich bin mir sicher, dass meine Großmutter mir die Liebe zur Musik und den alten Liedern in die Wiege gelegt hat."

Ein folgenreicher Anruf

Cara belegt Gesang-Workshops bei Paddy Tunney, einem sehr bekannten Folksänger. Sie lernt, die Fiedel und das Bodhran zu spielen, und trotzdem denkt sie nie daran, Musik zu ihrem Beruf zu machen. "Singen ist etwas Alltägliches, beim Aufstehen, beim Duschen, vor und nach dem Essen, Singen ist für mich wie Atmen", meint sie. "So war es immer in Dungiven, und ich dachte damals, dass es überall auf der Welt so sei, aber nein. Ich habe erst später erkannt, wie viel Glück ich hatte, in so einer musikalischen Welt aufzuwachsen." Und dann fügt sie hinzu: "Ich kann es noch gar nicht fassen, dass die Musik jetzt mein Beruf ist, ich habe so ein unwahrscheinliches Glück. Aber ich glaube an das Schicksal, es sollte wohl so sein."

Mit ihren beiden besten Freunden, den Brüdern Murrough und Ruadhrai O'Kane, und Schwager Paul Mc Laughlin gründete Cara Dillon 1991 die Band Óige - das gälische Wort für Jugend. Und 15 Jahre jung ist Cara, als sie das erste Mal mit Óige auf Tournee geht, einfach nur, um das Taschengeld aufzubessern. Es sind Sommerferien. Ein guter deutscher Freund der Familie Dillon vermittelt einige Auftritte in Deutschland und sogar in Israel. Beim Cambridge Folk Festival darf Óige als Vorgruppe auftreten, es erscheint eine Live-Platte. Zu Hause in Dungiven singt Cara weiter in den Pubs. Und sie schmiedet eifrig Pläne, Sprachtherapeutin zu werden. Aber dann kommt eines Tages dieser Anruf: "Cara, unsere Sängerin ist abgesprungen. Willst du bei uns mitmachen?" Cara kann es kaum glauben. Die Band Equation ist in aller Munde, wird von dem großen Label Warner UK gepuscht. "Mach doch", sagt Caras Schwester Mary, "wenn es dir nicht gefällt, kannst du ja wieder aussteigen." Cara sagt zu.

Erste Lektion: "Zeit ist Geld"

Das erste Mal lebt Cara nicht mehr zu Hause, sie vermisst ihre Eltern und die fünf Geschwister. Showbusiness pur erwartet sie jetzt: Fototermine, teure Hotels, teure Kleider, teure Haarstylisten. Warner investiert viel Geld in die jungen Iren. In Peter Gabriels Tonstudio werden Probeaufnahmen gemacht. Aber Cara hebt nicht ab, ihre Familie holt sie immer wieder auf den Teppich. Und die rosarote Wolke ist nach einiger Zeit nicht mehr ganz so rosa.

"Es war alles sehr aufregend", erinnert sich Cara Dillon, "aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich einfach nicht mehr ich sein durfte." Die lebenslustige und charmante Cara macht die Erkenntnis, dass bei einem großen Label nicht unbedingt die Musik, sondern die Kassentauglichkeit im Vordergrund steht. Die Band Equation sollte um jeden Preis ein Erfolgsprodukt werden. "Zeit ist Geld, das war meine erste Lektion", erzählt Cara. "Ich stand im Studio und fühlte einen immensen Druck: Oh mein Gott, ich muss auf Anhieb alles richtig machen, sonst kostet das wieder hunderte von Pfunds. Ich konnte kein einziges Lied mehr singen ohne diese Anspannung im Nacken."


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Mehr über Cara Dillon
im Folker! 4/2002