backFerner liefen...

Ausländer sind wir alle. Überall. Besonders in Zeiten der Globalisierung. Aber auch am Wochenmarkt und bei Metzger Stratmann umme Ecke. Stichwort „globales Dorf“: Wenn ich mir anschau', wie meine Nachbarn neuerdings ängstlich die Börse durchkämmen und nach Kleingeld klüttern... Jeder schimmelige, pardon nickelblitzende Cent wird da stirnrunzelnd umgedreht: Ist's ein Zehnerle, ein Zwanziger oder ein Fuffie? Als hätten wir vorhin nicht aufgepasst in der Wechselstube oder daheim die Travellerschecks vergessen. Manche halten den verlangten Zaster löhnfertig abgezählt in schwitziger Hand, wie sonst Urlauber am Autobahnende, wenn die Mautschranke bedrohlich in Sicht kommt. Gemüsefrauen ärgern sich, weil Euro nicht so schön mark(t)ig klingt, und schreien das Büschel Schnittlauch für „einhundert Zent“ aus.

Weit haben wir's gebracht: Die Weissagung von Großstadt-Mescaleros der 70er Jahre ist eingetroffen. Erst wenn das letzte Geld verprasst ist... Die vielen Dinge machen uns arm. Manche kaufen gar nichts mehr, aus Angst vor Schildern wie HIER NUR DM GEGEN EURO. Zwangsläufig verarmt als erstes die Sprache. So viele schöne Metaphern – für immer dahin: Groschen und Gulden, Penunzen und Peseten, Fennje und Frangfrangsäß... wo bleiben künftig der Pfennigfuchser, der falsche Fuzzfiger, die Emmchen, die Ostmark nebst dem roten Heller, das erste selbstverdiente Kreuzerlein?! Und all die vielen Nullen bei der Lira! Wie dankbar waren Dichter doch rein verstechnisch für jede Mark, schon weil sie sich auf „stark“ reimt oder auf „Quark“. Dieser Mehrwert fehlt dem Neu-Geld. Worauf sich das reimen lässt, kann man sich denken: „teuro“ hat uns gerade noch gefehlt, oder „neuro“ (wie „schizo“ und „patho“). Da hätten sie's gleich Unsro nennen können! Weit schlimmer noch als 1 *Euro* ist der verbumfeite anglizistische Plural: Darf es statt „Euros“ nicht wenigstens Euronen heißen, analog zu Kronen und Dublonen, Napoleonen, Napoleonsd'ors und Napoleoniden?

Und von „klingender Münze“ kann auch keine Rede mehr sein. Wirf mal 'ne Handvoll auf den Küchentisch: das klappert dumpf und lässt den melodiösen Wohlklang des Sterntalersegens vermissen. Wer mag wie weiland Onkel Dagobert die schwerwiegend-dicklichen Klunker auf seine Glatze prasseln lassen? Allzuviel davon in der Rocktasche, und der begüterte Enterich müsste mit Schlagseite watscheln. Oder soll das Sinnliche am Reichtum durch den zweifelhaften Kredit der Plastikkarten ersetzt werden? Gebt doch zu, dass ihr noch im Januar am Münzrand geknibbelt habt, weil die Dinger euch an Schokotaler aus der I-Dötzchen-Tüte erinnerten. So kommen wir alle in die Jahre und nochmal in die Erste Klasse. Setzen, sechs, Hefte raus. Pausenloser Tapetenwechsel hat natürlich auch gymnastische Nebenwirkungen – man lässt die Zöglinge nicht versauern, bringt sie auf Trab. „Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Wandel, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen“, heißt es sinngemäß bei Hermann Hesse. Wusste das auch mein Turnlehrer, der – unausgelastet wie solche Leute sind – zugleich Bereichsleiter Süd einer bekannten Versicherungsanstalt war?

Das geht nun schon seit Jahren so. Erst die Mengenlehre, dann die Wiedervereinigung, Privatisierung von Medien, Post, Bahn und Strom, Entfesselung der Ladenschlusszeiten bis zur kompletten Unübersichtlichkeit, schließlich Riester-Rente und Rechtschreibreform draufgesattelt und jetzt die Währungsumstellung. Den Rest unseres Lebens fummeln wir mit Taschenrechnern und Rechtschreibhilfen für ABC-Schützen herum. Ich höre sie förmlich herumspinnen, die Avantgarde in der Reichszirkuskuppel: Was bringen wir morgen unters Volk? Lassen wir Chipkarten einpflanzen? Tätowieren wir an diskreter Stelle die Sozialversicherungsnummern? Verteilen wir Jodtabletten und zwingen sie, bis zum Super-GAU drauf aufzupassen? Nehmen wir die Grillkohle aus dem Jahrhundertvertrag heraus?

Gibt's denn gar keine Gegenwehr zur Diktatur der Volkspädagogen? Doch, gibt es. Mögen sie uns im nicht mehr beschulungsfähigen Alter entmündigen: Wir besinnen uns auf die genuinen Widerstandsformen der Erstklässler. Als da wären Randale und Bambule. Früher hieß das Katzenmusik. Oder Topfschlagen, als beliebte Variante des Kindergeburtstags. Venezolaner und Argentinier praktizieren es heute als politisches Druckmittel und nennen es Cacerolazos. Mit Weltmusik gegen die Weltbank. Und das funktioniert – aus rein spontaner Initiative, ganz ohne festordnendes Komitee! Der Rhythmus setzt zögernd ein in irgendeiner Wohnküche, anderswo kommt ein Scheppern hinzu, der Lärm vervielfacht sich in ganzen Häuserblock, dann ziehen kleine Grüppchen trommelnd, klappernd und pochend und ohrenbetäubend durch die Straße und vereinen sich zum gewaltigen Demonstrationszug vor das Regierungsgebäude. Raus, raus, raus, raus. Bloß keine Instrumente! Zerbeultes Kücheninventar ist gefragt: Töpfe, Deckel, Kessel und Pfannen. Ein Salsa-Festival der Erniedrigten und Enterbten. Heidewitzka terämmtämmtämmtämm. Die rheinische Variante spannt noch eine Pappnas' vor, wirft Luftschlangen und hält am Rosenmontag Einzug in Narrhalla. Viva la revolución!

Nikolaus Gatter
go! www.lesefrucht.de


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