Maria Tanase war eine kapriziöse Diva, aber auch immer eine extrem großzügige Kollegin. Sie war eine Perfektionistin und sehr kreativ. Niemals hat sie dasselbe Lied auf die gleiche Art und Weise gesungen. Auch wenn die Melodielinien die gleichen waren, ging das Lied immer durch ihre Art zu fühlen, ihre Persönlichkeit, ihr Wesen hindurch. Sie hatte die ganze Zeit diese kreative Haltung, den Liedern etwas hinzuzufügen. Ihre warme voluminöse Stimme und ihre sehr persönlichen Interpretationen unterscheiden Maria Tanase von all den Sängerinnen, die versuchten, in ihre Fußstapfen zu treten und die damit natürlich keinen Erfolg haben konnten.
Maria Tanase Vol I, II und III (EDC 142, 228, 356 , |
Von Grit Friedrich
Maria Tanase wurde im September 1913 in der mittlerweile Betonblocks gewichenen Bukarester Vorstadtsiedlung Caramidari geboren. Ihre Eltern Ana und Ioan Coanda Tanase bewirtschafteten dort eine weitläufige Gemüse- und Blumengärtnerei. Und die Legende berichtet, dass Ioan Tanase nur Frauen einstellte, die gut arbeiten und noch besser singen konnten. Von diesen Gärtnerinnen soll Maria Tanase die ersten Lieder gelernt haben. An langen warmen Sommerabenden erklangen auf der Veranda Liebeslieder voller Sehnsucht, klagende Doinen, aber auch Scherz- und Wiegenlieder. Doch schon als Halbwüchsige verließ Maria ihr Elternhaus, suchte sich Arbeit in der Innenstadt und verliebte sich in den jungen Regisseur Sandu Eliad. Sie tauchte ein in eine andere Welt, in den Mikrokosmos bürgerlicher Salons, in denen sich die Intellektuellen im Bukarest der frühen dreißiger Jahre die Köpfe heiß redeten über neue Ideologien und alte Ideale.
Die klaren, unverfälschten Lieder der Maria Tanase trafen damals genau die Sehnsucht dieser jungen Intellektuellen nach einem anderen, dem ursprünglichen Rumänien. Ihre Freunde ermutigten sie, an die Öffentlichkeit zu gehen mit ihren Liedern, doch vorerst hörte sich Maria Tanase, die nie ein Konservatorium besucht hatte, gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Harry Brauner durch das ständig wachsende Folklorearchiv in Bukarest. Von den alten Schellackaufnahmen holte sie sich viele ihrer späteren Hits, wie den Fluch auf alle untreuen Seelen Cine iubeste si lasa. Nach dem zweiten Weltkrieg machte sie sich selber auf die Suche nach alten Weisen. Vielschichtigkeit und Hinwendung zu allen Regionen des Landes waren typisch für Maria Tanase. Alle anderen sangen nur die Lieder einer Region Rumäniens, Maria Tanase war vielleicht die Einzige, die mit der gleichen Meisterschaft, der gleichen Hingabe und Kraft, Volksweisen aus der Maramuresch, Oltenien, der Dobrudsha und der Moldau gesungen hat.
Schon in den 30er Jahren nahm sie ihre ersten Platten auf, zu den Volksliedern der Kindheit kamen orientalisch geprägte Vorstadtlieder, die Maria Tanase von Zigeunermusikern gelernt hatte. Und sie interpretierte in Revuetheatern wie dem Alhambra auch Couplets, die eigens für sie geschrieben worden waren. Der im vergangenen Jahr verstorbene rumänische Komponist Henry Malineanu stand damals am Dirigentenpult: Ich erinnere mich, dass es wirklich nicht klappte, ihr mit dem Orchester zu folgen. Das hat sie auch nicht interessiert. Das Lied konnte im 3/4- oder 4/4-Takt sein, sie sang es in ihrem eigenen Takt. Weil es ihr so gefiel, weil sie es so gefühlt hat und weil sie so gelebt hat. Das erklärt, warum auch die von ihr interpretierten Volkslieder dieses starke Gefühl in sich trugen, egal ob es traurige oder fröhliche, ironische oder Liebeslieder waren. Maria Tanase hatte ein maximales Interpretationsgefühl und ich sehe bis heute niemanden, der darüber hinausgehen kann.
MARIA TANASE
Ciuleandra
(Oriente RIEN CD 25,
21 Tracks; 65:42; mit Texten und Informationen)
Auf die Frage, warum fast vier Jahrzehnte nach dem Tod der Sängerin Maria Tanase vergehen mussten, bis im Ausland CDs mit ihren Liedern erschienen, weiß in Rumänien kaum jemand eine plausible Antwort. Maria Tanase ist kein unerklärliches Phänomen, denn ihre Stimme hat große Suggestivkraft und diese fühlbare Tiefe, die ihr den Ruf einer rumänischen Edith Piaf eingebracht hat. Ihre bisher in Deutschland erschienenen späten Aufnahmen aus den fünfziger Jahren sind geprägt vom musikalischen Zeitgeist jener Jahre, als Volkslieder überwiegend in oppulenten Orchesterarrangements präsentiert wurden und Auftritte mit kleinen Tarafs eher in Lokalen oder auf privaten Festen möglich waren. Auch auf der zweiten Oriente-CD Ciuleandra tauchen wieder ein paar Tanase-Klassiker auf, die bis heute niemand in Rumänien intensiver als diese Ausnahmesängerin interpretieren kann. Aus der Doina din Maramures (Doina aus der Maramuresch) oder Frice mi-e ca mor ca maine (Vor dem Sterben hab ich Angst ) klingt es wieder, das melancholisch-blaue Herz einer Sängerin, die viele Jahre mit dem Wissen um ihre unheilbare Krankheit gelebt hat. Doch so tief die Trauer in den Doinen und Klageliedern, so vital und voller Überschwang klingen ihre Interpretationen von Trink-, Tanz- oder Zigeunerliedern. Die Tanase war keine akademisch gebildete Sängerin, sondern verstand es, ihre einfache Herkunft mit der Mondänität der bürgerlichen Salons zu verbinden. Mit traumwandlerischer Sicherheit durchschritt sie das reiche Repertoire rumänischer Volks- und Vorstadtlieder, doch auch Couplets und Tangos hat sie gesungen. Letztere sollen auf einer der nächsten Tanase-CDs bei Oriente zu hören sein. Das reich bebilderte Booklet von Ciuleandra enthält Informationen zu den Liedern und alle Texte, auch in deutscher Sprache.
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