Vorbei ... Dokumentation jüdischen Musiklebens
in Berlin, 1933-1938 / Beyond Recall ... A Record Of Jewish Musical Life In Nazi Berlin, 1933-1938
11-CD-Box, 1 DVD (LP-Größe) mit
zweisprachigem, |
Vorbei, vorbei/ein letzter Kuß zum Abschied und dann ist alles aus/ich hab' so fest geglaubt: es müsst für ewig sein/ vorbei, vorbei, vorbei. Eine helle Frauenstimme, Klavierakkorde, Klarinette, eine Trompete es kratzt und knistert aus dem Lautsprecher: ein Tondokument aus dem letzten Jahrhundert. Das Lied heißt Vorbei und gesungen wird es von Dora Gerson. Sie war Jüdin, die Aufnahme entstand 1935 in Berlin und die Jahreszahl zeigt die Doppelbödigkeit ihres Chansons: Es war nicht nur der Abschied des Geliebten, den sie besingt. Dass Dora Gersons Lied heute wieder zu hören ist, verdankt sich einem voluminösen, sechs Kilo schweren CD-Paket, das auch den Titel trägt Vorbei. Die Musik, die hier auf elf CDs mit einer Spielzeit von mehr als 14 Stunden zurückkehrt, sollte ausgelöscht sein, genauso wie die Menschen, die sie sangen und spielten. Zu hören sind rund 250 Stücke Schlager, Tanzorchester-Jazz, jiddische Volkslieder, kantorale Gesänge, Opernarien , die zwischen 1933 und 1938 von jüdischen Künstlern für jüdische Plattenfirmen in Deutschland aufgenommen wurden.
Von Doris Bulau
Über die Existenz dieser Musik war lange gerätselt worden. Als die Berliner Akademie der Künste vor knapp zehn Jahren mit der Ausstellung Geschlossene Vorstellung an die Geschichte des Jüdischen Kulturbundes erinnerte, hatten sich die Kuratoren auch auf die Suche nach Musik gemacht, aber nur einige Schellacks gefunden. Grund für den Bonner Plattensammler Rainer Lotz zu recherchieren. Er hatte auf Flohmärkten schon mehrmals Schellacks mit merkwürdigen deutsch-jüdischen Etiketten entdeckt. Lotz setzte sich mit seinem Sammlerfreund Horst Bergmann aus dem niederländischen Appeldoorn zusammen, dazu gesellte sich später noch der israelische Historiker Ejal Jakob Eisler. Ein Projekt nahm Gestalt an. Alle drei durchstreiften nun intensiv Plattenbörsen, sprachen mit Händlern und Sammlern, lasen Kataloge, inserierten in Fachblättern, recherchierten im Internet und versuchten, die letzten noch lebenden Musiker-Emigranten zu treffen. Einfach waren die Recherchen nicht und die Umstände oft kurios: Eisler, der schon als junger Soldat bei der israelischen Armee seiner Sammlerleidenschaft frönte, erfuhr von einer Sammlung im Keller eines Abbruchhauses in Tel Aviv. Er nahm kurzer Hand Urlaub von der Armee und stritt so lange mit dem Hausbesitzer, bis der ihn entnervt in den Keller ließ: Dort fand Eisler in mitten des Gerümpels zehn Schallplatten, die1934 in Berlin aufgenommen worden waren. Nicht alle Schellacks waren im abspielbaren Zustand. Zerbrochene Platten mussten beispielsweise digital rekonstruiert werden ein Segen der modernen Tontechnik, erklärte Eisler begeistert. Auf Grund dieser Möglichkeiten konnten wir viel retten.
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