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Tannengrüne Einkaufszonen, Atsventskrantskertsentseit, Jahresendflügelstimmung: Da sind innere Einkehr und stille Besinnung angesagt. Gerade in Zeiten des paschtunischen Terrors und muselmanischen Extremfundamentalismus sollten wir uns verstärkt ächt-christlichen Grundwerten abendländischer Zivilisation zuwenden: Toleranz, Duldsamkeit, Multikulti und Gutmenschentum. Um den immer neuen Menschheitsfragen die altvertrauten Antworten abzugewinnen, greife ich – lachen Sie ruhig! – neuerdings wieder gern zur Bibel.

Keine Angst, als Nichttheologe vermag ich natürlich nicht den tieferen dogmatischen Gehalt paulinischer Lehrsätze auszuloten, wie sie z. B. der Brief an die Galater 6, 11 bereithält („Schauet, mit welch großen Buchstaben ich euch schreibe, mit eigener Hand!“) oder der 2. Brief an Timotheus, 4, 13: „Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus gelassen habe, bring mit, wenn du kommst, auch die Bücher, vor allem die Pergamente.“ Wer kann hier das inspirative Walten des Hl. Geistes verkennen? Aber das Hohelied Salomonis, auch Cantica canticorum genannt, enthält bekanntlich – lechz, geifer, gier – Stellen, die sich (vorausgesetzt, man lernt sie auswendig) flirttechnisch nutzbringend anwenden lassen. Wahrlich, ich sage euch: „Schön sind deine Backen in den Schmuckgehängen“ (1, 8) und „mein Geliebter ist weiß und rot“ (5, 10) passt schon mal gut für Piercing-, Tattoo- und Hennafans.

„Deine Nase ist wie der Libanonturm, der nach Damaskus Ausschau hält“ (7, 5), könnte allerdings ebenso missverstanden werden wie „seine Hände sind wie Walzen aus Gold, mit Tarschisch-Steinen besetzt“ (5, 14). – „Dein Haar gleicht einer Herde von Ziegen, die vom Berge Gilead herabkommen“, eignet sich nicht übel als Hinweis auf die Notwendigkeit baldigen Friseurbesuchs, während „deine Zähne gleichen der Herde von frisch geschorenen Schafen“ (6, 5f.) nicht durch ein unzartes „und sie riechen auch so“ ergänzt werden sollte.

Doch solange es Männlein und Weiblein sind, die süßen Würzwein aus dem Bauchnabel trinken oder sich gegenseitig als Myrrhenbeutel zwischen die Brüste legen, mag es noch angehen. Wehe euch, ihr pflegt der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, die nämlich ist ein „Greuel“ (Lev. 18, 22) vor Gott und Seiner Prophetin Laura Schlesinger. Als die erzchristliche US-Radiomoderatorin in ihrer Tagespredigt unter Berufung auf entsprechende Gebote die Schwulen verdammte, erhielt sie einen offenen Brief ihres langjährigen Fanhörers Jake, Auskunft heischend über die näheren Durchführungsbestimmungen jenes Urgesetzes: Schließlich sei auch das Essen von Schalentieren wie Muscheln, Scampi oder Hummer ein Greuel (Lev. 11, 10), sei das nun schlimmer als Homosexualität oder wie oder was? Nach Leviticus 11, 22 kriegen vier Heuschreckenarten das biblische „Essbar“-Gütesiegel, dafür gilt nach 11, 6 Hasenbraten als unrein. Den Stier als Brandopfer am Altar darbringen, mag einen für den Herrn lieblichen Geruch erzeugen (Lev. 1, 9); die Immissionsschutzbehörde ist anderer Ansicht. Einer von Jakes Nachbarn arbeitet auch samstags; nach Exodus 35, 2 hätte er die Todesstrafe verdient, muss Jake sie eigenhändig vollstrecken?

Weitere Fragen, die Jake auf dem Herzen hat: „Ich würde gerne meine Tochter in die Sklaverei verkaufen, wie es in Exodus 21, 7 ausdrücklich erlaubt ist – was wäre Ihrer Meinung nach ein angemessener Preis für sie? Ich weiß aus Lev. 11, 24-28, dass das Berühren der Haut eines toten Schweins mich unrein macht. Darf ich trotzdem Football spielen, wenn ich Handschuhe trage? Mein Onkel hat einen Bauernhof und verstößt gegen Lev. 19, 19, weil er verschiedene Saaten auf demselben Feld anpflanzt und T-Shirts aus Baumwoll-Polyester-Mischgewebe trägt. Er flucht und lästert oft; müssen wir wirklich das gesamte Dorf zusammenholen, um ihn zu steinigen (Lev. 24, 14), oder genügt es nicht, ihn in einer kleinen, familiären Zeremonie zu verbrennen, wie man es ja auch gemäß Lev. 20, 14 mit Leuten macht, die mit ihren Schwiegermüttern schlafen?“

Dieser offene Brief kreist nun durchs Internet, zusammen mit millionenmilliarden anderer Zeichen und Wunder. Manche verkürzen sich, wenn der FOLKER! ausgelesen ist, die öden Feiertage durch ausgiebiges Surfen im Internet. Dazu einige Tips: Seit dem 20. Oktober 2001 unterhalten der umtriebige Michael Zachcial (eine Hälfte des Bremer Musikantenduos „Grenzgänger“) und sein Verlag Müller-Lüdenscheidt unter dem Dach der Website www.kultur-im-internet.de einen Folk-, Chanson- und Kabarettservice. Zwar bietet sein Terminkalender (noch) vorzugsweise verjährte Zachcial-Konzerte; das lädt den anonym hereinschneienden Surfgast nicht gerade zum datenpreisgebenden persönlichen Log-in ein. Doch seine Volksliedersammlung (www.volksliederarchiv.de) kann sich durchaus sehen lassen und bietet von schlesischen Volks- und Weberliedern über Heimweh-Gesänge der US-Auswanderer bis zum Ruhrkampf in den 20er Jahren allerlei Texte, Infos, Bilder und Downloads.

Nicht zu verwechseln ist diese Aktivität natürlich mit dem Deutschen Volksliedarchiv in Freiburg, das nach wie vor unter http://www.volksliedarchiv.de residiert und Links auf Zachcial und andere interessante Projekte bereithält. So bieten Frank und Ingeborg, private Betreiber in den USA, auf ihrer liebevoll-chaotischen Website http://ingeb.org/index.html eine Fülle von Liedtexten und Verweisen, die Volkslieder in aller Welt erschließen – fand ich doch sogar meinen Urgroßvater aus Oberschlesien darunter, Paul Barsch (1860-1931), dessen Gedichte zwar keine Volkslieder sind, aber immerhin von Othmar Schoeck vertont wurden... Speziell für das deutschsprachige Liedgut empfehlen die Freiburger die Website www.acronet.net/~robokopp/Volksong.html, sehr bequem zu nutzen, wahlweise mit Suchmaschine oder über die alphabetische Aufschlüsselung der Anfangszeilen. Wer aber die aktuellsten Infos, Termine, Folk-Charts und Liederbestenliste haben will, wird am besten bedient bei... wo schon? http://www.folker.de, ausgestattet mit bunten Bildern, Leserbrief-mailfunktion und Volltextsuche über die bisher im Internet erschienenen FOLKER!-Seiten. Die Menübuttons sind allerdings durch Blau-weiß-Farbverlauf von links nach rechts und zu große Zeilenbreite schwer zu lesen: Statt an Kurzsichtige zu denken, wollten die Texter keinen Platz verschenken. Gewiss, keiner, der an einer Augenkrankheit leidet, darf sich dem Altar Gottes nähern (Lev. 21, 18-20), natürlich auch kein Lahmer oder Verstümmelter, keiner, bei dem ein Glied zu lang ist, und keiner, der einen gebrochenen Arm oder ein gebrochenes Bein hat, keiner, der weiße Flecken im Auge hat oder an Krätze, an Flechte oder an Hodenbruch leidet...

Nikolaus Gatter
go! www.lesefrucht.de


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