Mit dem Lied Què volen aquesta gent begann Anfang der 70er Jahre Maria del Mar Bonets öffentliche Opposition gegen die Dikatur des Generals Francisco Franco. Maria del Mar hatte in einem Zeitungsartikel über den Tod eines jungen Mannes gelesen, der sich aus dem Fenster stürzte, nachdem Francos Schergen am frühen Morgen an seine Tür geklopft hatten. Betroffen schrieb sie ein Gedicht auf Katalanisch und unterlegte es mit einer populären Volksweise. Diese Kombination war eine Herausforderung: damals waren die katalanische, die baskische und die galicische Sprachen als Stellvertreterinnen autonomer Kulturen in Spanien verboten. Als Maria del Mar Bonet Qué volen aquesta gent dann in Barcelona sang, folgte dem verblüfften Schweigen ob dieser provozierenden Darbietung ein tosender Applaus; mit Verspätung griff anschließend die franquistische Zensur ein und verbot das Lied. Sein euphorischer Sog aber ließ sich nicht ausradieren; es wurde auf den Konzerten der cantautores, mittlerweile zu politischen Kundgebungen umfunktioniert, zur Hymne des Widerstandes gegen Franco. In Folge galt Maria del Mar Bonet lange als eine Politbardin der vordersten Front, doch hat sie sich mittlerweile vollkommen von diesem Image gelöst. Die schöne Stimme Mallorcas singt seit 30 Jahren nur auf Katalanisch und kämpft für das traditionelle Liedgut ihrer Heimat. Die Insel bietet dafür beste Voraussetzungen, weil ihr Radius den gesamten Mittelmeerraum umfaßt.
Von Cecilia Aguirre
1997 Primeres Cançons (Blau CDM-124) |
Maria del Mar Bonet wird 1942 in Llucmajor geboren und wächst zeitweise in dem eindrucksvoll restaurierten jüdischem Viertel direkt hinter dem Almudaina-Palast in Palma de Mallorca auf. Ihr Großvater drängt darauf, dass sie trotz des herrschenden Verbotes die katalanische Schriftsprache lernt, ihre in Santanyi lebende Patentante bringt ihr auf Reisen quer über die Insel die bäuerlichen Tänze, die Jotas und Boleros, bei. Mallorca befindet sich zu dieser Zeit wie unter einer Glasglocke: isoliert und ohne das Recht auf kulturelle Meinungsfreiheit; der Austausch mit den nordafrikanischen Nachbarländern ist seit Ende der spanischen Republik völlig unterbunden. So sind die kleinen sozio-kulturellen Zirkel, wie die dörflichen Grupos de coro y danza, die Chor-und Tanzensembles, die letzte Heimstätte insularer Kultur. Auch Maria del Mar singt in einem Chor, lernt Gitarre und beginnt ihr hartnäckiges Studium mallorquinischer Volksmusik.
Auf Mallorca gibt es viele Stile, erzählt sie in einem Gespräch am Randes des diesjährigen Tanz&Folkfests Rudolstadt. Wir haben die Jotas und Boleros, nicht zu verwechseln mit den kubanischen Schmuseliedern. Beide Tänze leiten sich von der höfischen Kultur an den spanischen Königshöfen ab. Obwohl ihre Tempi durchaus lebhaft sind, haben ihre Texte oft einen dramatischen Akzent. Dann sind da die Romanzen, die sich an die spanischen und französischen Romanzendichtung anlehnen. Und, als älteste Form, unsere ländlichen Bauernlieder. Sie unterscheiden sich in Poetik und Tonalität sehr von den anderen Stilen, weil sie eine Verwandtschaft mit nordafrikanischen Skalen und arabo-andalusischer Musik besitzen. In diesen archaischen, oft a-cappella gesungenen und an melismatischen Wendungen reichen Volksliedern öffnet sich der Insel Mallorca das mediterrane Tor. Hier bricht die Isolation auf, befindet sich die so oft ignorierte Brücke zur orientalischen Seite des Mittelmeeres. Ein wenig trotzig klingen Maria del Mar Bonets unangekündigt eingeworfene a-cappella-Miniaturen bei ihrem Konzert in Rudolstadt. Als wolle sie verkünden: Dies ist mein eigentlicher Kern!
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