Vorbei sind die Tage, an denen auf Austins Straßen Volksfeststimmung herrschte, als beinahe an jeder Straßenecke in Downtown eine Livemusikbühne aufgebaut war und selbst im noblen Driskill-Hotel kein Fenster geschlossen blieb, da jeder teilhaben wollte an den Showcases der Musikmesse South By Southwest (SXSW). Zwar ist die sprichwörtliche und ansteckende Freundlichkeit der Menschen in der texanischen Musikmetropole immer noch zu spüren, doch sieht man auch hier zunehmend besorgte Gesichter angesichts der radikalen wirtschaftlichen Verschiebungen zugunsten der Hightech-Branche. Das für Austin so typische Lokalkolorit muss der Globalisierung weichen, smarte Geschäftsleute dominieren das Szenario, bereit, jede Chance zur cleveren Vermarktung zu nutzen. Kein Wunder, haben doch die Teilnehmer der Konferenz bis zu 500 Dollar und mehr auf den Tisch gelegt, um dabei sein zu dürfen (allein ein Stand auf der Messe kostet 1500 Dollar). Exklusivität ist angesagt, man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass peinlich genau darauf geachtet wird, die falschen Leute herauszuhalten. Business as usual? Aber sind das nicht gerade jene Leute, ohne die das Musikgeschäft gar nicht existieren würde?
Von Christoph Deschner
Noch vor wenigen Jahren kamen auf der SXSW viele MusikerInnen zusammen, um ihre Demos in der Hoffnung auf einen Deal einschlägigen Experten aus der Branche im Rahmen einer der vielen Demo-Listening-Session im Bereich Country oder Singer/Songwriter vorzustellen. Dieses Angebot ist mittlerweile praktisch nur noch im Bereich Rockmusik gegeben. Ein wirklicher Austausch zwischen Anbieter und Käufer findet nicht mehr statt, Erfolg oder Misserfolg sind vorprogrammiert. Ein gigantischer Marktplatz gewissermaßen, auf dem die Musik, um die sich ja letztlich alles dreht, zum bloßen Produkt, zur Software für die digitale Technologie reduziert wird. Kreativität ist tot, es lebe die Verwaltung von Musik! Und natürlich Celebrities, Celebrities, Celebrities (und solche, die sich dafür halten). Dabei merken viele der Macher noch nicht einmal, dass sie selbst auch nur noch Produkte sind. Ganz abgesehen davon, dass es durchaus Kritiker und Vinylfans gibt, die CDs ohnehin nur als "Rock'n'Roll-Schrott" bezeichnen.
Die Live-Musik findet man dementsprechend vorwiegend außerhalb der Konferenz: sage und schreibe 1009 (in Worten eintausendundneun!) verschiedene Künstler und Bands spielen sich in den Clubs an insgesamt fünf Tagen die Hacken wund und bieten dem interessierten Publikum ihre jüngsten Veröffentlichungen an, T-Shirts, Baseballhats, Accessoires etc. selbstverständlich inbegriffen. Die Promotion-Maschine läuft wie geölt: Kommunikation? Fehlanzeige! Vorbei die Zeiten, als Rockmusik mehr sein wollte (und konnte!) als Entertainment, als Rock-Bands noch kaum zu managen waren. Stattdessen Kontrolle und Information total. Schließlich leben wir im Internet-Zeitalter. The medium is the message! Yeah, man. Der Künstler hat die Industrie zu bedienen, nicht umgekehrt. Und einen Lolly gibt´s auch dazu. Welcome to the fun generation!
Wer bitte kann denn bei einem solchen Riesenangebot Inhalte überhaupt noch verarbeiten? Die einzige Möglichkeit, einer kompletten Dauerberieselung zu entgehen, besteht darin, sich gezielt einzelne Veranstaltungen herauszusuchen und sich ganz darauf zu konzentrieren. Die Qual der Wahl. Wer zu wählen in der Lage ist, kommt allerdings wirklich auf seine Kosten, Respekt! Bei so vielen Programmpunkten setzte ich, Schande über mein Haupt, auf Bewährtes, anstatt mich auf Experimente einzulassen und Terrain zu betreten, auf dem ich mich nur ungenügend auskenne. Buddy Holly, Gram Parsons und Ray Davies waren die Namen im Programm, bei deren Klang auch heute noch ein gewisses Herzklopfen einsetzt. Verbinden sich damit doch unwiederholbare Kindheits- und Jugenderlebnisse.
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