backPartystimmung mit brisanten Themen

Fermin Muguruza

„Tanz auf dem Vulkan“

Es gibt Nationalhelden ohne Nationalstaat. Entweder sie sind selbst entwurzelt, leben ein unstetes Leben und werden erst später oder gar erst nach ihrem Ableben „entdeckt“ und zu Idolen erkoren. Oder sie leben in einem Land, welches politisch gesehen ein Landstrich ist, aber kein Nationalstaat. Dann werden sie oftmals als Volksheld apostrophiert, als der Mann des kleinen Mannes, von dem sich der damit vermeintliche Große gern absetzt, sich aus der Masse heraushebt und mit den wirklich Mächtigen kungelt, um vielleicht einmal selbst dazu zu gehören. Wirkliche Nationalhelden brauchen keine offizielle Anerkennung. Sie brauchen Visionen. So gesehen ist Fermin Muguruza ein Nationalheld im Baskenland. Er ist sogar mehr als das. Er ist Wegbereiter für andere. Für Manu Chao etwa, den spanischen Anarcho-Weltmusiker, der heute von den Medien hofiert wird und mühelos große Konzertsäle füllt. Noch Jahre, bevor er seine erste Band Mano Negra gründete, versäumte er möglichst kein Konzert von Kortatu. Die baskische Band war eine der ersten, die überlieferte Melodien aus der eigenen Folklore mit der Wut, Rauheit und Kraft des Punk verband und damit die biedere und oftmals sich nur auf die Vergangenheit besinnende Sprache in die Gegenwart katapultierte. Denn da wollten Fermin Muguruza und seine Mitstreiter immer hin: selbst etwas bewegen, andere bewegen, die Gegebenheiten nicht als unumstößlich hinnehmen.

Von Thorsten Bednarz

„Political correctness“ ist ein Schimpfwort für Fermin Muguruza, es sei denn, sie wird auch auf das Baskenland angewandt, für dessen Unabhängigkeit er sich seit Jahren mit seiner Musik einsetzt. Und er weiß, wie schwierig dieses Ziel zu erreichen sein wird, denn schließlich werden weder Spanien noch Frankreich bereit sein, kurz vor dem „vereinten“ Europa noch am festgefügten Nationengebilde der Befürworter etwas zu verändern. Außerdem bestände auch die Gefahr, dass sich die Basken als kleines zänkisches Bergvolk ebenso verhalten wie die Iren ... Dabei zeigt sich der baskische Aktivist musikalisch von einer Weltoffenheit, die in scheinbar krassem Gegensatz zu seiner Fermin Muguruza Dub Manifest 1999politischen Haltung steht. Sein neuestes Album „FM 99.00 Dub Manifest“ beginnt mit einer Art ausgelassenem Latin-Ska mit einigen Dub-Einlagen. Nicht gerade typisch baskisch jedenfalls und rein musikalisch meilenweit entfernt von jedwedem politischen Aktionismus. Da ist Muguruzas Vorliebe für Joe Strummer und seine Mitstreiter von The Clash schon näherliegend. Doch wo bei denen die Rauheit des Punk als Ausdruck für den Ausbruch aus vorgegebenen Gesellschaftsmustern hervorstach, ist bei Fermin Muguruza jetzt eine weltoffene Partystimmung in die Musik eingezogen – auch das ein Widerspruch zu den politisch hoch brisanten Texten. „Es ist ein Tanz auf dem Vulkan“, kommentiert Fermin Muguruza. Wir wollten zeigen, dass man auch tanzen kann, obwohl man wütend ist. Wenn man die Lieder mehr als einmal hört, wird man in ihnen auch eine tiefe Melancholie und ein wenig Traurigkeit entdecken. Diese Seite ist uns sehr wichtig. Das heißt ja auch, dass man nicht aufgeben darf, nur weil nicht alles so ist, wie man es sich erträumt. Wir wollen zeigen, dass man auch fröhlich sein kann, wenn die Umstände sehr ernst sind.“ Ist dies nun ein Stimmungswechsel gegenüber den Tagen, in denen die Wut oftmals die Musik diktierte, oder einfach Ausdruck von Reife und von einer reelleren Einschätzung der Situation des Baskenlandes im Sinne von „Wir machen das Beste aus dem Schlamassel, in dem wir stecken.“?

Singen für kulturelle Eigenständigkeit, gegen „McDonaldisierung“

Fermin Muguruza und Manu Chao
Fermin Muguruza und Manu Chao

Fermin reagiert mit einer gewissen Gelassenheit: „Ich mache seit 18 Jahren Musik – da ändern sich natürlich auch gewisse Vorlieben und Stilistiken. Doch ich hatte schon immer auch ein Faible für schwarze Musik und für lateinamerikanische Musik. Das erste Lied, welches ich jemals schrieb, war ‚Nicaragua Sandinista'! Im Laufe der Zeit habe ich mich weiter entwickelt, habe viele verschiedene Kulturen kennen gelernt. Das hinterlässt Spuren in der Musik.“ Dabei werden gerade hier die Parallelen zu den Clash mehr als deutlich: Auch die Londoner Punks veröffentlichten ein Album, welches den Befreiungskämpfern in Nicaragua gewidmet war und darauf experimentierten auch sie schon mit Dubelementen. Irgendwann kam es auch einmal zu einem kurzen Treffen zwischen Fermin Muguruza und Joe Strummer – allerdings eines ohne weitere musikalische Folgen. Vielleicht war es auch den sprachlichen Schwiergkeiten geschuldet, denn Fermins Englisch ist bis heute sehr rudimentär. Fermin Muguruza ist Globalisierungsgegner und der allgemeine Gebrauch der englischen Sprache ist für ihn schon eine Art Vorstufe der Globalisierung und des „Überstülpens der angloamerikanischen Kultur auf eine andere“. Daher kämpft er auch um die Anerkennung seiner eigenen baskischen Sprache Euskera. „Das wäre wenigstens ein erster Schritt in Richtung einer kulturellen Eigenständigkeit.“ Neben den militanten Bestrebungen gibt es da für ihn teilweise merkwürdig erscheinende Aktionen, um wenigstens diesen kleinen Erfolg zu erstreiten. Einem „Marathon“ für die baskische Sprache etwa konnte auch Fermin Muguruza keinen richtigen Wert beimessen. So karikiert er diesen dann auch eher im Video zu seinem Song „Big Benat“. „Das Stück ist eine baskische Variante der ganzen ‚Hamburger'-Mode. Es wäre doch lustig, bei einem Marathon für die baskische Sprache auch so etwas wie einen baskischen Hamburger zu verkaufen!“, erzählt Fermin Muguruza nicht ohne Hintersinn, denn natürlich ist auch ein baskischer Hamburger nur ein Vorbote einer „McDonaldisierung der Kultur“, wie er es ausdrückt. Vergnüglich ist dieses Video allemal. Im deutschen Fernsehen dürfte der Baske ebenfalls bald zu sehen sein, denn der WDR zeichnet eins der anstehenden Konzerte auf. Da hat Muguruza vielleicht schon sein nächstes Album im Gepäck, „Brigadistak Sound System“, das mit einem warmen Regen von Gastmusikern daherkommen soll, darunter auch Manu Chao – eine Revanche, denn Fermin ist auch auf Manus Alben zu hören!


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Mehr über Fermin Muguruza
im Folker! 5/2001