backKulturen in Bewegung

Eine österreichische Kunstinitiative fasst die große Welt in kleine Juwelen für Dörfler, Städter, Künstler und auch für Hooligans

Welten haben in einem Computer Platz und ein Computer selbst ist eine Welt für sich. Ähnlich verhält es sich mit dem kleinen Büro in der Wiener Weyrgasse 5. Denn hier residiert das Team von „Kulturen in Bewegung / VIDC“, einer Kunstinitiative, die sich als Lobby und Kompetenzzentrum für Südkunst und für Künstler und Künstlerinnen in Österreich versteht. Ähnlich wie das Betriebsystem eines Computers Information lebendig werden lässt, indem es zwischen Software und Maschinensprache vermittelt, wird auch hier agiert: Musik und Bilder aus Lateinamerika, Afrika und Asien werden aufgenommen und in Form von Konzerten, Festen oder Ausstellungen nach Österreich gebracht.

Von Annelies Pichler*

Kontakt:

E-Mail kulturen.in.bewegung@oneworld.at

www.vidc.org/kultureninbewegung

Eben erst ist der Afrikaexperte von Kulturen in Bewegung / VIDC (Vienna Institute for Development and Cooperation), Michael Stadler, aus Uganda zurück. „Die Musiker von Big Five sind ohne Frage die innovativste Gruppe dort und wenn sie nach Österreich kommen, wird das ihre erste Europatournee sein“, kommt es im Brustton der Überzeugung, dass man wieder eine Entdeckung gemacht hat, von der noch viel geredet werden wird. Aufgefallen sind die „großen Fünf“ vor einem Jahr auch der österreichischen Gruppe Deishovida, die auf Initiative der Wiener nach Uganda gereist ist und sich vierzehn Tage lang mit den unterschiedlichsten Musikern getroffen und ausgetauscht hat. „Leider hatten wir viel zu wenig Zeit mit den Big Five“, bedauerten sie damals. Denn mit ihnen hatten sie hervorragende Musiker gefunden, die aus dem Erbe ihres Landes schöpften, ganz ähnlich wie Deishovida aus überlieferter europäischer Musik eine eigene machen. Auf der gemeinsamen Tournee „Kampala Alpin“ Big Five feat. deishovidawerden sie im Oktober schon heuer mehr Zeit füreinander haben.

Musik als Teil von Entwicklungszusammenarbeit

Eine Dimension des „Betriebssystems“ Kulturen in Bewegung / VIDC und die daraus resultierende Strategie ist aber immer auch eine politische. Und so hatten die Strategen in der Weyrgasse 5 nicht nur lustige Konzertabende im Auge, als sie Deishovida nach Uganda einluden. Bewegung war gefragt und dazu kam es auch. Wie in diesem ugandischem Dorf in 2000 Meter Höhe. Spontan. Dort sollte eigentlich Journalisten eine Wasserleitung präsentiert werden. Für die Dorfbewohner war der Besuch eine Sensation, denn für sie sind Touristen nichts Alltägliches. Plötzlich Musik, Trommeln und staunende Gesichter. „In der Gegend haben sie nur einen Rhythmus und den spielen sie permanent. Eigentlich nur diesen. Das hatten wir mitbekommen und gewusst, damit können wir kommunizieren“, sollte Mathias Loibner von Deishovida später erzählen.

Der Trick funktionierte. Ein paar Herzschläge später tanzte das ganze Dorf. „Einer hat geschrien: Unsere Gäste sind willkommen und wir müssen ihnen unsere Tänze zeigen“, erinnert sich Drehleierspieler Loibner. Damals ließ er sich nicht bitten und tanzte auch los. „Wenn man als Europäer versucht, ihren Tanz zu tanzen, stellt man sich irgendwie Marwan Abadobloß. Das heißt: ich mache mich vor euch lächerlich, aber auch, ich hab nichts dagegen, ich bin zum Spaß da.“ Nicht schlecht, die Fülle an Information, die ein Musiker nonverbal hinüberbringen kann. Aber noch beeindruckender ist, wie ein ganzes Dorf an einem ganz normalen Vormittag einfach so ins Tanzen kommt. Und einander Fremdes sich ohne Worte im Gemeinsamen findet.

„Wir kämpfen dafür, dass afrikanische Kunst auf dem gleichen Niveau behandelt wird wie europäische und nicht beiseite geschoben und in Völkerkundemuseen schubladisiert wird“, macht Stadler klar und auch, dass Deishovida als Teil eines noch umfassenden Engagements der Entwicklungszusammenarbeit fungierten.

Drei große „Bs“: Bühne – Bildung – Begegnung

Die Schlüsselrolle dabei spielt die Ndere-Troupe, eine „alte“ Entdeckung der Wiener Kulturinitiative. „Ndere sind 50 innovative Musiker, die in Uganda viel bewirken“, schwärmt „Kulturenbeweger“ Franz Schmidjell. Gegründet wurde die Célia MaraGruppe vor elf Jahren von Stephen Rwangyezi, einem ugandischen Lehrer, der sich nicht von seinen talentierten Schüler trennen konnte. Und weil Musik, Tanz und Theater in Uganda eine fast untrennbare Einheit sind, wurde Ndere zu einem entsprechendem Kunstprojekt. Zu einem, das deutlich zur weiteren Entwicklung seiner Heimat beiträgt: Als fahrendes Theater, das der mehrheitlich analphabetischen, radio- und zeitungslosen Landbevölkerung auch provokante Themen wie Aids oder Frauenpolitik aufzeigt und jetzt mit „Sea of Lies“ das nicht nur in Afrika heiße Thema Korruption anprangert.

Heute sieht die Wiener Kulturinitiative in der Arbeit von Ndere die „Software“ ihrer Ugandaarbeit und hat erreicht, dass diese vom Staat finanziell unterstützt wird. Und die Österreicher werden auch für die „Hardware“ aufkommen: Noch heuer beginnt Österreich in Kampala mit dem Bau eines Kulturzentrums. Dort wird unter der Schirmherrschaft der Ndere Troupe Platz für alle Kulturgruppen Ugandas sein.

* Annelies Pichler ist Redakteurin bei der Grazer Tageszeitung Kleine Zeitung


zurück


Home


vor


!!!

Folker! - ...und jetzt wieder: über 40% sparen beim Folker!-Schnupperabo
und ein Geschenk dazu!

Also auf zur von-uns-für-euch-Schnupper-Abo-Test-Bestellung!

Mehr über
Kulturen in Bewegung
im Folker! 5/2001