backVertonte Kurzgeschichten aus Kanada

Jane Siberry

„Ich habe jeden Tag das Gefühl, dass ich erst am Anfang stehe.“

Seit rund 20 Jahren zählt die Sängerin, Songschreiberin und Lyrikerin Jane Siberry, 45, zu den profiliertesten Musikerinnen Kanadas. Ob Folk, Jazz oder „Pop für Erwachsene“ – kaum ein Genre, das sie auf ihren mittlerweile zwölf Alben ausgelassen hat. Im vorigen Herbst ist mit „Hush“ Siberrys jüngstes Werk erschienen – das erste, auf dem kein Song aus ihrer eigenen Feder stammt. Die von der internationalen Musikkritik gepriesene Kollektion von Neuinterpretationen keltischer/nordamerikanischer Folksongs und Spirituals (Ende Januar für den kanadischen JUNO Award nominiert) ist bislang jedoch – wie die meisten Siberry-Alben – nur über eine Website zu beziehen. Das hat seinen Grund: Seit 1996 – nach rund acht Jahren, in denen sie beim Major Label Reprise unter Vertrag stand – betreibt Jane Siberry in Toronto ihre eigene unabhängige Firma: Sheeba Records.

Von Albrecht Piltz

Discographie

Soloalben

1980/81 Jane Siberry (Sib Productions)

1984 No Borders Here (Duke Street Records)

1985 The Speckless Sky (Duke Street Records)

1987 The Walking (Warner/Reprise)

1989 Bound By The Beauty (Warner/Reprise)

1992 Summer In The Yukon (Warner/Reprise) [Compilation aus Songs der ersten 5 Alben]

1993 When I Was A Boy (Warner/Reprise)

1995 Maria (Warner/Reprise)

1996 Teenager (Sheeba)

1997 A Day In The Life – NYC 1997 (Sheeba) [Sound-Collage inkl. Auszüge aus Aufnahmen von Darol Anger, Joe Jackson, k.d. lang, Patty Larkin]

1997 Child – Music For The Christmas Season (Sheeba)

1999 Lips – Music For Saying It (Sheeba)

1999 Tree – Music For Films And Forests (Sheeba) [Doppel-CD]

1999 New York Trilogy (Sheeba) [4-CD-Set, enthält die Live-Alben Child, Lips, Tree]

2000 Hush (Sheeba)

Kollaborationen/Musik für Filme (Auswahl)

1991 Original Soundtrack: Bis ans Ende der Welt/Until The End Of The World (Warner) [Musik zum Film von Wim Wenders, enthält Siberrys Duett mit k.d. lang: „Calling All Angels“]

1993 Original Soundtrack: In weiter Ferne, so nah!/Faraway, So Close! (EMI) [Musik zum Film von Wim Wenders, enthält den Siberry-Song „Slow Tango“]

1994 Original Soundtrack: The Crow (Eastwest/Atlantic) [Musik zum Film von Alex Proyas, enhält den Siberry-Song „It Can't Rain All The Time“]

1994 Diverse: Arcane (Virgin/Real World) [mit Alex Gifford, Simon Jeffes, Nigel Kennedy, Nana Vasconcelos u.a.]

1994 Indigo Girls: Swamp Ophelia (Sony/Epic) [Siberry als Sängerin der Songs „Language Or The Kiss“ und „Mystery“]

1994 Hector Zazou: Songs From The Cold Seas (Sony) [mit Björk, John Cale, Siouxsie, Suzanne Vega u.a.]

1999 Nigel Kennedy: Kafka (EMI Classics) [Siberry als Texterin und Sängerin des Songs „Innig“]

Lyrik/Prosa

1998 Swan (Sheeba) [3 Gedichte]

1999 One Room Schoolhouse (Sheeba) [Notizen]

1996/2000 New Year's Baby (Sheeba), [1 Gedicht]

Jane Siberry im Internet

go! www.sheeba.ca oder
go! www.janesiberry.com
(offizielle Homepages)

go! www.smoe.org/nbh
(Fan-Site „No Borders Here“)

Wer mehr über Jane Siberry lesen möchte,
besorge sich die Ausgabe 04/2001 der
Zeitschrift KEYBOARDS, die ein langes
Interview enthält (Bezug: KEYBOARDS-
Vertriebsservice, Heuriedweg 19,
88131 Lindau).

Kein leichte Aufgabe, dieses fernab vom Hitparaden-Mainstream segelnde „Schiff namens Sheeba“ (Siberry) zu steuern, schon gar nicht für eine Künstlerin, die den ihr vorauseilenden Ruf freimütig bestätigt: „Ich spiele nach meinen eigenen Regeln.“ Und diese Regeln sind mit den auf Profitmaximierung zielenden Strategien der internationalen Unterhaltungsindustrie nicht immer kompatibel: „Kürzlich rief eine 87-jährige Frau aus Schottland an, nachdem sie im Radio [den ‚Hush'-Song] ‚All Through The Night' gehört hatte. Sie wollte die CD kaufen; aber wir einigten uns darauf, ‚Hush' gegen eine Liste ihrer Lieblingslieder zu tauschen. Sie sang Teile daraus am Telefon vor. Was kann man vom Leben Besseres erwarten!“

Typisch Jane Siberry, diese im „Sheeba Museletter“ publizierte Anekdote. Zwar macht „Sib“ keinen Hehl daraus, dass sie jeden harten Dollar nötig hat, um ihr Schiff unter Segeln zu halten und sich als in jeder Hinsicht „independent artist“ Produktionszeit in teuren Profi-Studios leisten zu können. Doch ebenso wichtig wie ausgeglichene Sheeba-Bilanzen sind ihr die ständige Vergewisserung, „dass meine Musik den Menschen, die sie hören, etwas bedeutet; um das zu erfahren, brauche ich die Kommunikation mit meinem Publikum, sei es in Konzerten oder auf anderem Weg“.

Ein aus 1000 Interviews bekannter Gemeinplatz? Im Falle Siberry ist es weit mehr als das. „Kommunikation mit dem Publikum“ wird im Hause Sheeba tatsächlich groß geschrieben, und sie beschränkt sich keineswegs auf Ferngespräche mit schottischen Fans biblischen Alters. So findet der Besucher auf der Sheeba-Site unter dem Stichwort „Simple“ Siberrys private „Tipps für ein einfacheres Leben“ wie etwa diesen: „Lighten your possessions. If you ‚love' it or it has a use, keep it. If you ‚like', give it away.“ (Ein Ratschlag übrigens, den Siberry als Besitzerin eines kleinen Heimstudios auch persönlich beherzigt: „Ich habe mir schon mein Zuhause so sparsam wie möglich eingerichtet; das Studio möchte ich genauso haben. Ich werfe ständig Geräte raus; für jedes, das reinkommt, versuche ich, drei loszuwerden. Ich will alles so schlicht wie möglich haben.“) Im Gegenzug setzt Siberry, wann immer sie selber Rat braucht, auf die Hilfsbereitschaft und das Wissen von Besuchern ihrer Website; ein Mausklick auf den internen Link „Jane asks“, und der Surfer erfährt, welcher – meist technischen – Frage ihr aktuelles Interesse gilt. Siberry: „Eigentlich bin ich berüchtigt dafür, dass ich es überhaupt nicht mag, wenn mir jemand sagt, was ich tun soll. Aber wenn ich etwas nicht weiß, bin ich die Erste, die fragt. Das ist das Schöne am Internet. Meine Welt ist durch das Internet so viel größer geworden; ich habe plötzlich Zugang zu Leuten, die auf ganz anderen Feldern Experten sind als ich. Ich kannte früher fast nur Leute, die mit Musik zu tun haben; und nun, dank der Website, habe ich Kontakt zu Menschen, die ganz andere Dinge tun und von denen ich eine Menge lerne.“

Ausgefeilte Gesangsharmonien und „verschrobene“ Songstrukturen

Für die aus bescheidenen Verhältnissen stammende Künstlerin („Ich komme aus einer hart arbeitenden Familie der Mittelschicht, meine Eltern konnten gar nicht anders als hart arbeiten“), der nach ihrem selbstfinanzierten Studium der Mikrobiologie eine naturwissenschaftliche Laufbahn vorgezeichnet schien, war es jedoch ein weiter Weg von jenen Clubs und Coffeeshops, in denen sie Ende der 70er Jahre ihre ersten Auftritte bestritt, bis zum „Boss“ eines via Internet global operierenden „artist label“. Schon der Versuch, erste Anerkennung in der Folkszene von Toronto zu ernten, stieß auf Hindernisse. „Es gab dort“, erinnert sich Siberry, „eine Reihe älterer Folkmusiker wie Stan Rogers, die String Band, David Wiffin, Brent Titcombe, David Bradstreet, David Essig, Beverly Glenn Copeland, Heather Bishop und Jackie Washington, um nur einige zu nennen. Sie waren die Aushängeschilder der Szene, und ich kam in ihrem Schlepptau rein. Ich sang meine eigenen Songs, und die entsprachen nicht den Erwartungen; die Leute waren sich nicht sicher, was sie von mir halten sollten. Dann wechselte ich in die Clubszene und arbeitete mit Bands, während die Folkszene immer mehr im eigenen Saft zu schmoren begann – immer weniger Interesse, die Leute wollten mehr Energie und Vitalität! Aber das ist ein ewiger Kreislauf. Ich habe den Eindruck, dass inzwischen wieder ein Bedürfnis nach der Intimität und der Art von Seelenverwandtschaft besteht, die man in einem Folkclub findet. Und die Musiker, die heute dorthin zurückkehren, haben dazugelernt und bringen mehr Vitalität mit als damals. Na ja, vielleicht ...“

Um sich finanziell über Wasser zu halten, jobbte Siberry als Kellnerin und investierte schließlich die ersparten Trinkgelder in ihr erstes (unbetiteltes) Album. „Jane Siberry“, 1981 in einer Auflage von 1000 Exemplaren erschienen, wies bereits zahlreiche Merkmale ihrer späteren, zunehmend ambitionierten Werke auf: die raffinierten, bis zur letzten Chorstimme penibel ausgefeilten Gesangsharmonien; komplizierte bis „verschrobene“, kaum je vorhersehbare Songstrukturen; intelligente, ungewöhnlich bildhafte Texte, die mitunter wie vertonte Shortstories wirken; auch jenen exzentrisch-trockenen Humor, von dem Jane Siberry aus Erfahrung weiß, dass er „vor allem gedruckt nicht immer gut rüberkommt“.

Mit „No Borders Here“ (darauf der Klassiker „Mimi On The Beach“, der in keinem Sib-Konzert fehlen darf) und „The Speckless Sky“ folgten bis 1985 zwei weitere Alben. Letzteres – in Kanada mit einer Goldenen ausgezeichnet – rief die Talentscouts des Warner-Brothers-Labels Reprise auf den Plan, bei dem Siberry Ende 1987 mit „The Walking“ ihren Einstand gab. Der Beginn einer nicht unproblematischen Beziehung. Denn obwohl sich dank dieser Verbindung nun auch internationale Märkte auftaten, kollidierten bald Siberrys Anspruch auf totale künstlerische Kontrolle über ihr in Teilen durchaus „schwieriges“ Œuvre mit den Verkaufserwartungen der Warner/Reprise-Verantwortlichen. Mochte sie sich auch erkennbar Mühe gegeben haben, ihr zweites Reprise-Opus „Bound By The Beauty“ (1989) „ein bisschen ‚leichter'„ zu gestalten – für an Charts-Fastfood gewöhnte Ohren waren ihre Songs offenkundig nicht gemacht. Bei Reprise merkte man das rasch und strich das Promotion-Budget für Siberry drastisch zusammen.


zurück

Home

vor


Mehr über Jane Siberry im Folker! 4/2001

!!!

Folker! - ...und jetzt wieder: über 40% sparen beim Folker!-Schnupperabo
und ein Geschenk dazu!

Also auf zur von-uns-für-euch-Schnupper-Abo-Test-Bestellung!

!!!