backWenn man fragt, wer hat's getan
  ... und wie sie es bloß gemacht haben ...

25 Jahre Folkländer/Bierfiedler

Der DAT-Recorder registriert, wenn es blitzt, und das ohne Kamera: Denkwürdige Konzerte der Leipziger Bierfiedler auf der Heidecksburg beim Tanz&Folkfest Rudolstadt im Jahre 1996 oder der Leipziger Folk Session Band an gleicher Stelle drei Jahre später, zu denen das Publikum trotz drohender Wolken in hellen Scharen kommt, sind, wie manchmal vorher schon passiert, für die Sendung kaum zu brauchen. Statt dessen bestätigt der Mitschnitt einen geheimen Verdacht: Folkländer, die Gruppe, aus der die Bierfiedler hervorgingen und deren Derivat und zeitweiliger Aggregatzustand die Leipziger Folk Session Band ist, machen süchtig. Selbst, wer zwischendurch entsagt, wird rückfällig. So geht es den Zuhörern, deren eine Hälfte sich an alte Lieder und damit an die Zeiten erinnert, als man bei Cabernet die Nächte mit der Interpretation der Welt zubrachte. Die andere Hälfte staunt über den ekstatisch-wölfischen Gesang der verschiedenen Protagonisten, die das Innerste nach außen kehren und gar nichts zurückbehalten – so uncool, das Ganze.

Von Hanni Bode*

Discographie

Auswahl derzeit lieferbarer CDs
(www.loewenzahn-verlag.de):

Folkländer – Wenn man fragt, wer hat's getan
(Amiga 1981, neu: Loewenzahn 1996)

Folkländer/Bierfiedler – Das Beste & Reste
(HeiDeck 2000)

Bierfiedler + Wimmerschinken – Live At
Killiwilly (RUM Records 1996)

Bierfiedler – Bierfiedler (RUM Records 1997)

Bierfiedler – Unterm Böhmischen Wind
(HeiDeck Records 2001)

Duo Sonnenschirm – Der Jahrestag
(RUM Records 1996)

Duo Sonnenschirm – OlDies & das
(RUM Records 1997)

Leipziger Folk Session Band – 18 aus 48
– Das Beste von der Barrikade (HeiDeck 1998)

Leipziger Folk Session Band – Ein freyes
Leben führen wir – Räuber- und
Wilddiebsgesänge (HeiDeck 1999)

Leipziger Folk Session Band –
Hollahi @ Hollaho.de (HeiDeck 2001)

Hinter jeder Sucht eine Sehnsucht, sagt der Psychologe, und die Sehnsucht, die sich hier verbirgt, ist komplex, für jede und jeden anders strukturiert. Kann nicht nur Ostalgie sein – es gab sie ja schon zu DDR-Zeiten. Das gilt auch für die vielen im Laufe der Jahre wechselnden Musikerinnen und Musiker, deren Kommen, Gehen, Wiederkommen individuelle biografische Entscheidungen ebenso wie gruppendynamische Prozesse abbildet.

Suchtresistent bleibt letztlich nur eine Berufsgruppe: Die Aufnahmetechniker, die in immerwährendem Positivismus annehmen, dass das, was sie an Schallwellen von der Bühne bekommen, schon das Ereignis ist, zu dem der Übertragungswagen bestellt ist. Das unausrottbare Missverständnis: Sowie die Musik beginnt, haben die Saalmikros geschlossen zu sein. Wie aber soll die auf die Bühne gerichtete Mikrofonwand einfangen, was sich wirklich abspielt bei fast jedem Auftreten von Folkländern, Folkländers Bierfiedlern, Bierfiedlern, der Leipziger Folk Session Band, im Seitenzweig auch beim Duo Sonnenschirm?

Die Faszination war bald nach der Gründung 1976 so unbestritten, dass nicht einmal die Kulturfunktionäre sie zu ignorieren wagten (Treppenwitz „hervorragendes Volkskunstkollektiv“, schon zwei Jahre später). Folkländer waren Akteure und Folie zugleich: Kollektiv-Geschädigten gaben sie die Lust an einer anderen Gemeinschaft zurück, für die die Lieder der Kristallisationspunkt waren – Lieder, deren Historizität sie scheinheilig herausstrichen, die aber ganz selbstverständlich das Unbehagen an den gegenwärtigen Verhältnissen thematisierten. Der Sound war vogtländisch und international, bekannt und fremd, von starker integrativer Kraft. Jürgen B. Wolffs Gesang nahm sich endlich die Freiheit zurück, die in der deutschen Öffentlichkeit mit den Pflegebemühungen des 19. Jahrhunderts verendet war. Keine schöne Stimme ist nötig, war die Botschaft, statt dessen ein Ausdruckswille, der jeden Einwand hinwegfegt. Wirklich kopieren kann ihn damit bisher niemand, aber viele trauen sich nach dieser Erfahrung, ihr Ureigenes bis an die Grenzen auszuloten. Heute prägt Manfred Wagenbreth die Band, die damalige sprichwörtliche zweite Stimme. Er war für Romantik, das Sentiment, für Sensibilität zuständig – ganz unmerklich und ungerührt bringt er scheinbar Unvereinbares zusammen. große Rocksongs, Cajun-Vorlieben, geniale eigene Dichtung, wenn es sein muss, auch deutsche Schlager (manchmal muss es einfach sein ...).

„Mozart sei mer freilich net, aber viel fehlt a net ...“ – kein Wunder, viele der Bandmitglieder gingen und gehen einem bürgerlichen Beruf nach, und immer, wenn Folkländer ein in Vergessenheit geratenes Instrument wiederentdeckten, Brummtopf, Drehleier, Schalmei und manches andere, gab es bald andere Gruppen in der Szene, die genau dieses Detail mit größerer Virtuosität verwendeten. Ein Lamento darüber ist bis jetzt nicht laut geworden, statt dessen schaffen die Folkländer und ihre Nachfolgegruppen immer wieder Gelegenheiten, diese neuen Virtuosen zusammenzubringen, in Big Bands, einmal mit einer ganzen Oper, in Sessions.

Für das Jubiläumskonzert beim diesjährigen Tanz&Folkfest haben sich u.a. als Gäste angesagt: Hannes Wader, Zupfgeigenhansel, Dick Gaughan, Lydie Auvray, The Oyster Band, Benny Sands, Baba Yaga, Kat yn´t Seil, Jens-Paul Wollenberg, Matthias Kiesling, Jo Meyer, Rainer Prüss und ULMAN.

* Hanni Bode ist beim DeutschlandRadio Berlin Abteilungsleiterin Musik/Programm.


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Mehr über Folkländer/Bierfiedler im Folker! 4/2001

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