backOut Of Africa - Pendler zwischen (musikalischen) Kontinenten (1)

Musikalische Neugier als Motiv

Ray Lema

Afrika in einer neuen Dimension

Kollegen wie Lokua Kanza und Angelique Kidjo nennen ihn ehrfurchtsvoll den „Godfather of Afro-Pop“, das Publikum von Rock in Rio begeisterte er zur Eröffnung des Megaspektakels mit seinem klassischen Orchesterwerk „The dream of the gazelle“ und schon vor Jahren arbeitete er mit Musikern wie Courtney Pine, Steward Copeland, Joachim Kühn und den Bulgarian Voices. Neugier scheint der zweite Vorname von Ray Lema zu sein und in seinem Pass steht sicherlich Weltenbürger als Heimat und nicht Zaire bzw. Demokratische Republik Kongo.

Von Thorsten Bednarz

Discographie
(Auswahl)

Ray Lema & Tyour Gnaoua – Safi
(Buda Musique, 2001)

Ray Lema – Le Rêve d'une Gazelle
(Detour/Erato, 1998)

Ray Lema – Stop Time
(Buda Musique, 1997)

Ray Lema – Green Light
(Buda Musique, 1996)

Ray Lema/Professeur Stefanov/
Les Voix Bulgares de L'Ensemble Pirin'
– Same (Buda Musique, 1992)

Ray Lema ist kein Fanatiker. Er ist auch kein Überzeugungstäter. Er ist gläubig, glaubt an die Kraft der Musik. „Ich habe keinen Gott, mein Gott ist die Musik in all ihren Spielarten“, bekennt er im Interview. Und der Übervater des Afropop möchte er auch nicht sein. Dabei war seine Musik niemals poppig oder ebnete gar den Weg zum afrikanischen Mainstream. „Musik ist für mich eine Möglichkeit, mich selbst zu realisieren. Es geht nicht darum, den Mainstream zu bestimmen oder nicht.“ Es war wohl auch eher so, dass er seinen Landsleuten vom schwarzen Kontinent die Augen und Ohren für neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit westlichen oder europäischen Musikern öffnete, die wiederum hier auf reges Interesse stießen. Dass die Arbeiten Ray Lemas selbst dabei oftmals sträflich unbeachtet blieben, war wohl seiner Vorreiterrolle zuzuschreiben.

Dabei blieb er sich nur in seiner musikalischen Neugier treu und wer sich ein Bild vom Oeuvre Lemas machen will, braucht dazu wohl nicht nur seine eigenen Platten, sondern auch die Veröffentlichungen, an denen er als Gast beteiligt war. Doch hinter dieser vielfarbigen Fassade steckt kein Masterplan. „Ich suche nicht voller Neugier nach neuen Einflüssen. Aber von guten Musikern und guter Musik bin ich sehr leicht zu beeindrucken. Ich möchte dann mehr über diese Person erfahren. Als ich etwa die Bulgarian Voices hörte, war ich wie vor den Kopf geschlagen. Ich musste ihnen einfach folgen. Und für das klassische Projekt habe ich mich nicht einmal bemühen müssen. Sie haben mich einfach angerufen. Die Mitglieder des Orchesters wollten einfach aus ihrem klassischen Repertoire ausbrechen und andere, neue Komponisten und neue Stilrichtungen spielen. So rief mich der Leiter des Orchesters an, weil er meinte, ich wäre der richtige Mann dafür. Ich musste nur noch ‚Ja' sagen.“

Ray Lema & Tyour GnaonaUnd so entstand schließlich eine Platte, die sich mit traumwandlerischer Sicherheit zwischen Jazz, Klassik und afrikanischer Musik bewegte, als wäre es der selbstverständlichste Weg, den die Musik beschreiten könnte. „Für mich gibt es auch keinerlei Widersprüche zwischen all diesen Musiken“, gesteht Ray Lema. „Hier in Paris etwa gibt es die verschiedensten Radiostationen und wenn du einfach mal die Sender wechselst, hast du alle Musik der Welt. Alle, ohne Grenzen! Es gibt höchstens Grenzen unter den Musikern selber. Viele von ihnen sind noch sehr auf ihren Stamm fixiert: den Reggae-Stamm, den funky Stamm, den klassischen Stamm ... Doch andere fühlen sich keinem Genre zugehörig. Die Welt heute ist offen, wir können überall hin reisen und uns Anregungen von überall holen.“ Die Zukunft, so Ray Lema weiter, wird auch nicht bei den einzelnen Musikrichtungen liegen, sondern in ihrer Verschmelzung. So gibt es für ihn kaum etwas Langweiligeres als eine abgeschottete Gruppe von Musikern, die der reinen Le(e)hre frönen.

Der Klassik fehlt der Rhythmus, Afrika fehlen die Harmonien

Diese Einstellung bestimmte seine musikalische Laufbahn von Anfang an. Als er 1974 zum musikalischen Leiter des Nationalballettes Zaires berufen wurde, sah er es als dringlichste Aufgabe an, nicht nur die Musik der rund 250 verschiedenen Völker des Landes in seine Arbeit zu integrieren, sondern die Musiker der verschiedenen Ethnien dazu zu bringen, überhaupt gemeinsam zu musizieren. Vorher spielte jeder Musiker nur die Musik seines Volkes. Mehr nicht. Doch zu Zeiten des Diktators Mabuto war so etwas nicht gern gesehen. Der nutzte die Stammesfehden, um sich unliebsamer Gegner zu entledigen, kanalisierte den Volkszorn gegen seine Diktatur lange Zeit in die ewigen Stammesfehden um und präsentierte sich als starker Mann, der als einziger dazu in der Lage war, Zaire überhaupt zusammenzuhalten. Kein Wunder, dass er Ray Lema bald mit Auftrittsverbot belegte. Nach einer Einladung durch die Rockefeller Foundation 1979 in die USA war es dann nur ein kleiner Schritt, nicht mehr in seine Heimat zurückzukehren.

Damals kam er genau zum richtigen Zeitpunkt, um der aufkommenden Weltmusik-Euphorie zu begegnen. Ray Lema selbst sieht sich zwar als Weltenbürger, doch noch immer ist für ihn der Begriff der Weltmusik mit dem Makel belastet, dass er in erster Linie für Musiker einer Tradition verwandt wird, eines Stils und es manchmal „ ... gar nicht so sicher (sei), dass sie überhaupt etwas anderes spielen könnten oder wollten“. Viel interessanter sind für ihn da schon junge Musiker, die sich gnadenlos mit Hilfe der neuesten Technologien durch die Musikstile der Welt sampeln und daraus wirklich so etwas wie eine Weltmusik entstehen lassen. „Ich finde diesen Trend sehr interessant“, gibt Ray Lema zu. „Man braucht dazu nicht nur viel Neugier sondern auch sehr viel Wissen über Platten aus aller Welt, die man sampeln kann. Darüber hinaus ist der Umgang mit der Technologie auch die Keimzelle für einen neuen Umgang mit der Musik selbst. Der Musiker mit all seiner langjährigen Ausbildung wird in Frage gestellt. Seine Ausbildung ist meist nämlich nur auf eine Musik beschränkt, die er dann sein ganzes Leben lang spielen will. Aber diese jungen Leute heute wollen nicht ihren Stamm verteidigen, sie nutzen die ganze Welt als Anregung und werfen alles in einen großen Topf. Ich mag das einfach, diese unbeschwerte Herangehensweise! Die Politiker sollten sich daran ein Beispiel nehmen, wie einfach man die verschiedensten Völker zusammenbringen kann. Die Musik schafft das.“


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Mehr über Ray Lema im Folker! 4/2001

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