Was schlägt die Stunde im Jahr 1 nach der ersten Dekade Rudolstädter Tanz&FolkFeste, nach einem atemberaubenden Jahrzehnt, das uns als Startup in den DAX der deutschen Musikfestivals brachte, obwohl kein Businessplan das je so gewollt hätte?
Von Wolfram Böhme*
Zunächst mag man aufmerken, dass der Länderschwerpunkt 2001 mit den Kleinen Antillen erstens in besonders weiter Ferne liegt und zweitens gar kein echter ist. Schließlich ist die Inselgruppe zwischen Puerto Rico und Venezuela ein politisch völlig heterogenes Gebilde. Kulturell und musikalisch dafür ein umso reizvolleres. In Rudolstadt soll die ungebrochene karibische Tradition ebenso zum Zuge kommen wie neuere Entwicklungen aus der Dancehall. Während letztere etwa durch Adisa aus Barbados repräsentiert werden, erwartet uns mit der Original Turtle Shell Band aus Belize die traditionelle Musik der Garifunas, also der Afro-Karibier. Ebenfalls höchste Authentizität verspricht Jamesie & His Musical Kafooners von den Jungferninseln. Aus Martinique erwarten wir den Banjo-Virtuosen Kali und von den Niederländischen Antillen den heißen Atem des Carnavals The Caribbean Brass International! Noch weitere interessante Gruppen müssten wir nennen, doch blicken wir zunächst gen Heimat .
Einen tragfähigen Modus, die deutsche Szene stärker ins Blickfeld zu rücken, hoffen wir mit unserem neuen Format Focus Regional gefunden zu haben. Hier wollen wir Regionen gemeinsamer kultureller Identität vorstellen. Als Pilot startet Bayern ohne Franken mit der Revue Net(t) zum O'hörn Musi & Gsangl aus Bayern. Die zum Mainstreem bajuwarischer Traditionspflege auffällig quer rudernden Biermösl Blosn treffen z.B. auf die Plattler der Gaugruppe des Isargaus, auf die Dellnhauser Musikanten, eine der profiliertesten und dazu tanzbaren bayerischen Blasmusikgruppen oder auf Sepp Pfab, der Couplets zu Bandoneon und singender Säge hören lässt. Außerdem mit von der Revue: die Tanz- und Nonsenskapelle Plammerberg-Muse, die Allgäuer Stubnmusi der Raffelemusik Hüttlinger/Milz, die Jungen Jodler Niedersonthofen, Tiger Willis textlich abgründiger Bayern-Blues und die gstanzlnde Familie Raith.
In der Reihe weiterer deutscher Acts machen uns die Tyskarna (schwedisch: die Deutschen) All Stars neugierig, die unter Beteiligung der Gebrüder Uhlmann, 1994 Gewinner des Deutschen Folkförderpreises, einen aufregenden Cocktail aus Volkstanz und Jazz mixen. Apropos Folkförderpreis: Nach einigen Jahren der Stagnation, was künstlerische Qualität und Außenwirkung des Wettbewerbs angeht, waren wir entschlossen, einen Schnitt zu machen. Der Mehrheit des Festivalteams fehlte der Glaube, dass sich der DFFP sowohl für arrivierte Künstler als auch für den Nachwuchs noch zu einem wirklich produktiven Preis mit Ausstrahlung natürlich auch für Rudolstadt entwickeln ließe. Unser Votum gegen den Preis und für eine Workshopwoche als geradlinigeren Weg der Nachwuchsförderung war offensichtlich der Weckruf für die Szene. Die dann Ende letzten Jahres einsetzende aufrichtige Umtriebigkeit bei PROFOLK, mdr Kultur und nicht zuletzt im Folker! zeigte, dass der Preis lebt und brachte uns zurück ins Boot. Mithin ein etwas schiefes Bild, da es sich im Grunde um ein neues Boot handelt, das wir mit dem MDR und PROFOLK gebaut haben und nun auf Seetüchtigkeit testen: Als drei gleichberechtigte Auslober besetzen wir ein Gremium, das den Preis strategisch entwickelt. Als erste sichtbare Maßnahme wird bereits der 10. Deutsche Folkförderpreis am 7. Juli durch eine neu besetzte Jury vergebeben.
* Wolfram Böhme ist Pressesprecher und Mitglied im Leitungsteam des Tanz- und Folkfests Rudolstadt
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Mehr über das TFF 2001 im Folker! 3/2001