backFunk-Folk aus Moskau

The Farlanders

Die russische Band hat sich zu einem der wichtigsten europäischen Weltmusik-Acts entwickelt

Kaum eine europäische Folk-Band hat auf Anhieb einen so unverwechselbaren Sound kreiert wie die aus Moskau stammenden Farlanders. Die derzeit siebenköpfige Band um die Sängerin Inna Zhelannaya und den Klarinettisten Sergej Starostin sind heute einer der eigenständigsten und wichtigsten Acts der europäischen Weltmusik-Szene. Ökonomisch sind sie bisher aber noch kaum über den Status von Insider-Helden hinausgekommen.

Von Christian Rath

Discographie
1999 Farlanders
  The Farlander, Jaro

2000 Farlanders
  Moments/Live in Bremen, Jaro

2001 Mari Boine/Inna Zhelannaya/
  Sergej Starostin, Winter in Moscow, Jaro

Die Farlanders kommen zwar aus Russland, haben aber mit der alten staatlich gesteuerten Sowjet-Folklore nichts zu schaffen. Ihr Folk-Funk verbindet vielmehr komplizierte Folk-Melodien mit einem packenden Jazz-Rock-Fundament und dem archaischen Sound uralter Reiter-Flöten und Schäfer-Hörner. Offiziell bestehen die Farlanders erst seit 1997, doch in diversen Konstellationen spielen die Musiker bereits seit Ende der 80er Jahre zusammen.

Eigentlich sollte Inna Zhelannaya Opernsängerin werden. Das jedenfalls war der Wunsch ihrer Mutter, die einen Kinderchor leitete. Doch 1988 flog Zhelannaya von der Moskauer Musikhochschule, nachdem ihr vier Monate lang die Stimme versagt hatte. Die Hochschulleitung führte das – wohl nicht ganz zu Unrecht – auf Zhelannayas Aktivität als Sängerin in einer Punkband zurück. „Ich war aber über Inna Zhelannayadas abrupte Ende meiner klassischen Karriere überhaupt nicht unglücklich“, erinnert sich Zhelannaya heute. Kein Wunder, denn bald machte sie Bekanntschaften, die ihrer musikalischen Entwicklung ganz neue Impulse geben sollten.

Da war zum einen Sergej Starostin, der sie mit der russischen Folk-Tradition vertraut machte. Eigentlich war Starostin klassisch ausgebildeter Klarinettist, doch als Student lernte er bei „Feldaufnahmen“ russische Dorfmusikanten kennen. „Zuerst war das ein Kulturschock für mich, doch nach einigen Jahren begann ich selbst, mit der überlieferten Musik zu experimentieren“, erzählt Starostin, der von sich sagt, dass er „halb Musiker, halb Musik-Ethnologe“ sei.

Zur etwa gleichen Zeit traf Zhellanaya aber auch auf Igor Zuravlev, den Gründer und Sänger der Moskauer Gruppe Allians. Bisher hatte Allians recht erfolgreich keyboard-lastige Popmusik im New-Romantics-Sound gemacht; die Vorbilder waren Duran Duran und Tears for Fears. Doch Zuravlev wollte etwas Neues, Originelleres ausprobieren. Auf dem 89er Album von Allians sind deshalb auch vier Titel aus der Feder von Inna Zhelannaya zu finden, bei denen sie singt und Sergej Starostin für den folkigen Sound sorgt. Bis 1992 dauerte die Zusammenarbeit an. Dann wurde die Sängerin schwanger, die Band löste sich auf und Igor Zuravlev verschwand für einige Jahre im musikalischen Underground Moskaus. Nur 1995 gab es eine kurze Reunion, um in Paris bei einer Preisverleihung zu spielen. Radio France International hatte das 89er-Album von Allians zuvor zur besten Pop- und Rock-CD Osteueropas erklärt.

„Ich mag härtere Musik“

Im selben Jahre wagte Zhelannaya mit dem Solo-Album „Vodorosl“ (Seetang) auch eine Solo-Karriere. Das Album verkaufte sich immerhin rund 5.000 Mal, doch als „bekannteste und erfolgreichste Sängerin“ Russlands (so die Plattenfirma Jaro) wird man Zhelannaya damit wohl kaum bezeichnen können. Und die Sängerin selbst will mit dieser The Farlanderseher von New Age und Softrock geprägten Phase heute nichts mehr zu tun haben, auch wenn Stücke aus diesem Album gelegentlich noch im Radio zu hören sind. „Ich mag einfach härtere Musik lieber“, betont Zhelannaya, die sich damals durch falsche Ratgeber bedrängt fühlte und selbst eher Bands wie Red Hot Chilli Pepper hört.

Doch zunächst brachte ihr „Vodorosl“ durchaus Glück. Als Manager Alexander (Sascha) Cheparukhin 1995 zur Weltmusik-Messe Womex nach Brüssel fuhr, hatte er auch Zhelannayas Solo-Debüt im Gepäck. Als Produzent der tuvanesischen Kehlkopf-Folkloristen Huun Huur Tu besaß Cheparukhin bereits einen internationalen Namen und konnte nun seinerseits Dan Storper, den Chef des wichtigen US-Weltmusik-Labels Putumayo für Zhelannaya interessieren. Der Kontakt führt zu einer gemeinsamen USA-Tournee mit Größen wie Capercaillie und dem Südafrikaner Jonny Clegg. Schlusspunkt war immerhin ein Konzert im Olympischen Dorf von Atlanta.


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