back"Die Zeit ist reif, der Folkmusik mehr Aufmerksamkeit zu widmen"

Das Revival bei den Nachbarn

Die neue Folkszene in den Niederlanden und in Belgien

"Ich weiß, dass die neue Folkszene in Europa erst in ihren Anfängen steht." Beim Betrachten der derzeitigen Entwicklungen in der Folkszene unserer Nachbarn, den Niederlanden und Belgien, mussten wir an dieses Zitat von Carlos Núñez denken. Zwei große neue Folkfestivals in den Niederlanden im gerade vergangenen Jahr, die direkt, nachdem sie zum ersten Mal stattgefunden haben, in einer Reihe mit den bekanntesten internationalen Namen wie Dranouter, Rudolstadt und Tønder genannt werden können; gleichzeitig ein außergewöhnlicher Erfolg flämischer Folkbands in Belgien. Die Zeichen stehen stark auf "Revival", wobei die Hintergründe in den beiden Ländern durchaus verschieden sind.

Von Michael und Christian Moll

Sonntagnachmittag in der verschlafenen ländlichen Kleinstadt Sevenum, gleich hinter der deutschen Grenze bei Venlo. Wenn man die ausgestorbene Straße überquert hat und durch ein leeres Café in den Hinterraum geht, steht man plötzlich inmitten von einigen hundert Leuten, die gekommen sind, um einen der ersten Niederlande-Auftritte von Tommy Sands und Maírtin O'Connor zu sehen; beide sind relativ unbekannt bei unseren Nachbarn. Der größte Teil des Publikums ist zwischen 35 und 40 Jahren alt und kaufkräftig genug, um nach dem Konzert viele CDs zu erwerben.

Der Folkclub "Fookhook" startete vor etwa acht Jahren in einer "Folkwüste"; heute hat er bei jedem Konzert volles Haus. Es ist einer von vielen neuen Clubs, die in den Niederlanden in den letzten Jahren entstanden sind und die in manchen kleinen Orten heute wichtiger Bestandteil des Dorflebens sind.

"Ältere" tragen das neue Folkrevival

Internetadressen für Folk in Belgien & Holland:

Celtic Music in Nederland Website: go! http://huizen.dds.nl/~eltjot/

Tilburg International Folk Festival: go! http://www.folkfestival.nl

Folkwoods Festival Eindhoven: go! http://www.folkwoods.com

Dranouter Folkfestival: go! http://www.folkdranouter.be

Folk Club "de Fookhook" Sevenum: go! www.fookhook.nl

NewFolkSounds Magazine, Holland: http://home.wxs.nl/~newfolks/

t'Bourdonske Magazine, Belgium: go! http://users.pandora.be/bourdonske/

FolkWorld Magazine: go! http://www.folkworld.de

Termine:

17.-21.01.01 Tilburg International Folk Festival:
Länderschwerpunkt Portugal; Instrument: Dudelsack; u.a. mit Kimmo Pohjonen (Fin), Alan Stivell (Bretagne), Xose Manuel Budino (Galicia)

10.-12.08.01 Folkwoods Festival

Konzerte im Folkclub Fookhook in Sevenum (bei Venlo):

06.01. 01 Show of Hands
28.01.01 The John Wright Band
16.02.01 The Tannahill Weavers
18.03.01 Ossian
20.04.01 Ciathrar (featuring Niamh Parsons)

Derzeit gibt es ein wieder erwachtes Interesse an Folk in den Niederlanden, es ist wie ein neues Folkrevival. "Bis etwa 1984 war bei uns englischer, keltischer und französischer Folk sehr populär, und wir hatten sogar einige hervorragende holländische Bands, wie Irolt, Chimera und Wolverlei", erinnert sich Eelco Schilders, Mitarbeiter der anspruchsvollen niederländischen Folkzeitschrift NewFolkSounds. "Aber nach einer Weile, glaube ich, war die Musik einfach nicht mehr neu, und so blieben nur wenige übrig, die weiterhin Folk hörten. Die meisten Bands verschwanden von der Szene, und es wuchsen keine neuen Gruppen nach."

Bis Mitte der 90er Jahre, als das "neue Revival" begann. Eltjo Toorn betont, dass das letzte Folkrevival durch eine studentische Subkultur getragen wurde, während das neue Revival in den Niederlanden von "älteren" Leuten geprägt ist. Eltjo Toorn ist der Experte in Sachen holländische Keltenszene und er stellt die größte Veranstaltungsliste für keltische Musik in Holland im Internet zusammen.

Eine weitere Besonderheit des holländischen Revivals ist, dass es in den kleineren Städten und Dörfern im Süden der Niederlande stattfindet, wo auch die meisten neuen Festivals zu finden sind. Eltjo Toorn weist darauf hin, dass diese Festivals sogar Zuschüsse der Gemeinden bekommen. "In einer großen Stadt wie Amsterdam wäre das unmöglich. Dort hat eine starke kulturelle Elite das Sagen, die diktiert, was Kultur ist."

"Es gibt nur gute und schlechte Musik"

Warum also gerade jetzt ein Revival? Eelco Schilders meint, dass es vor allem an den neuen Impulsen der europäischen Szene liegt, an den neuen Bands mit neuem Sound, die Folk eine neue Dimension gegeben haben; Bands aus Skandinavien, aus Nordspanien, aber auch aus Belgien. "Diese Gruppen brachten junge Leute wieder dazu, traditionelle Musik zu hören. Sie mochten es, wollten mehr davon – und plötzlich gibt es eine neue Folkszene in Europa mit jungen Leuten und all den 40- und 50-Jährigen, die sich freuen, dass ihre Musik wieder im Rampenlicht steht."

Das neue Revival ist in seiner musikalischen Ausrichtung sehr vielseitig und europäisch, auch wenn keltische Musik noch immer den Kern der holländischen Folkszene bildet. Wobei vor allem die Riverdance-Show in den Niederlanden der keltischen Musik- und Tanzszene einen neuen Auftrieb gegeben hat. "Der Punkt ist, dass die gesamte Musikkultur derzeit erwachsen wird. Die verschiedenen Ausrichtungen bekommen ihren Platz im jeweiligen Genre: Barock und Heavy-Metal-Rock existieren nebeneinander zur gleichen Zeit. Ich meine, dass gute Musik immer gehört wird, unabhängig davon, aus welcher Zeitperiode sie stammt." So beschreibt Eltjo Toorn die Entwicklung in seinem Land. Demnach gibt es nur ein gültiges Kriterium für die Beurteilung von Musik: Unabhängig von Stil und Genre gibt es nur die Unterscheidung in gute und schlechte Musik.

Erfolgreiche Festival-Debüts

Diese Betrachtungsweise findet sich auch im Organisationsteam des Folkwoods-Festival, das im August vergangenen Jahres in Eindhoven mit über 35 Folkbands debütierte. Das Festival wird von drei Organisatoren veranstaltet, die "einfach nur Fans guter Musik sind". Einer von ihnen, Tinus Kanters, ist Gründer und Organisator des auch bei uns bekannten Eindhoven Dynamo Open Air Hardrockfestival mit seinen 100.000 Besuchern aus ganz Europa. Kanters, der vor 25 Jahren bereits im damaligen Folkclub Eindhoven engagiert war, hat auch schon einige Open-Air-Klassikkonzerte im Eindhovener Fußballstadion organisiert. Der zweite, Hans Sanders, ist Sänger der europaweit bekannten Popband Bots und besitzt heute eine Kneipe in der Stadt, wo es wöchentlich Livemusik (oft Folk) gibt. Der dritte im Bunde ist der Belgier Chris Aelbers, der momentan der Direktor des Beursgebouw ist, der Hauptausstellungshalle Eindhovens. Die drei haben in ihre Planungen Ad van Meurs einbezogen, den Sänger der auch in Deutschland bekannten Band The Watchman. Im Folkwoods-Team haben sich also Experten in Sachen Hardrock und Klassik, Pop und Folk zusammengefunden, mit viel Erfahrung auf organisatorischem Gebiet. Derart breit gefächerte Interessen finden sich nicht oft im Organisationsteam eines Festivals. Für Tinus Kanters spielt Folkmusik eine wichtige Rolle bei der Festivalplanung: "Wir glauben, dass die Zeit einfach reif ist, der Folkmusik mehr Aufmerksamkeit zu widmen."

Dass die drei an den Erfolg ihres Festes glauben, beweist allein schon die Tatsache, dass sie selbst Geld für das erste Festival aufbrachten, in der Hoffnung, dass sie zusammen mit den Eintrittsgeldern und mit Hilfe von Sponsoring und städtischen Zuschüssen genug Geld zusammen bekommen würden, um ein "break-even" bei der Abrechnung des Festivals zu erreichen.

Mit der höchst erfolgreichen ersten Ausgabe des Tilburg International Folk Festival sah das Jahr 2000 bereits im Januar das Debüt eines weiteren neuen Festivals von internationalem Rang. Parallell dazu sprießen viele kleinere Festivals aus dem holländischen Ackerboden. Einen der Gründe dafür nennt Eltjo Toorn: "Professionelle Organisatoren haben die Folkmusik jetzt entdeckt. Und einige alte Folkies sind professionell geworden."


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