"Wir dachten, wenn wir nur laut genug und
stark genug und hoffnungsvoll genug sängen, würde das irgendwie
einen Unterschied machen."
Ronnie Gilbert |
Vor fünfzig Jahren wurde die amerikanische Musikindustrie auf ein Folk-Quartett aufmerksam, das mit leidenschaftlichen Stimmen eingängige Melodien zu schlichter Gitarren- und Banjobegleitung sang. Doch erst nachdem der Gruppe satte Orchesterarrangements hinzugefügt wurden, weckte sie ein breites Publikumsinteresse und sollte in wenigen Monaten die Pop-Musik der damaligen Zeit verändern: Die Weavers brachten die Folkmusik in die amerikanische Hitparade. Von der ersten Decca-Single wurde über eine Million Exemplare verkauft, die Weavers waren die Shooting Stars des Jahres 1950. Zum 50. Geburtstag des Quartetts brachte Bear Family Records nun eine CD-Box heraus, die die ersten fünf Jahre der Gruppe dokumentiert.
Von Ulrich Joosten
Ende 1949 standen die Weavers eigentlich schon am Ende einer kurzen Karriere. Sie hatten sich im Almanac House im New Yorker Stadtteil Greenwich Village bei "People's Songs" kennen gelernt, dem u.a. von Pete Seeger mitgegründeten Netzwerk gewerkschaftlich und linksorientierter Liedermacher und Musiker.
Jeder kannte jeden und man nutzte jede Gelegenheit, bei Gewerkschaftsversammlungen, Friedensmärschen und Kundgebungen zu singen. Lee Hays war es, der Ende 1948 vorschlug, eine Band zu gründen, die etwas organisierter und effizienter proben sollte als seinerzeit die Almanac Singers, jene legendäre, lose zusammengewürfelte Gruppe um Seeger, Hays, Woody Guthrie, Millard Lampell, die vor dem zweiten Weltkrieg linke Gewerkschaftslieder und antifaschistische Songs gesungen hatte. Lee wollte als deutliches politisches Statement eine gemischte Gruppe, bestehend aus drei Frauen und drei Männern, die sowohl aus schwarzen wie aus weißen Mitgliedern bestehen sollte. Letztendlich bestand sie dann doch nur aus Weißen, und auch die Frauenquote konnte nicht erfüllt werden. Mehr zufällig ergab es sich, dass Pete Seeger, Lee Hays, Fred Hellerman und Ronnie Gilbert sich trafen, einige Songs einstudierten und feststellten, dass der Klang ihrer Stimmen vortrefflich miteinander harmonierte: Lee Hays' Bass, Ronnie Gilberts Alt, Fred Hellermans Bariton und Pete Seegers Tenor wurden durch dessen lebhaftes Banjopicking und Hellermans Akkordarbeit auf der Nylonsaitengitarre unterstützt schon nach der ersten Probe war klar, dass die Gruppe eine besondere Formel gefunden hatte. Die vier Individualisten machten weiter, weil alle Spaß an der Musik hatten und der Gesamtklang einzigartig war.
Zunächst nannte sich die Gruppe das "Ohne-Namen-Quartett" und trat als solche in Oscar Brands Radioshow auf. Dann wurde Fred Hellerman durch eine Szene des Gerhard-Hauptmann-Schauspiels "Die Weber", in der die streikenden Arbeiter von Ort zu Ort marschieren und Protestlieder singen, zum Gruppennamen inspiriert: "Wir wollten einen Namen, der uns nicht zu sehr auf einen bestimmten Musikstil festlegte. Ich schlug The Weavers' vor, und alle mochten den Namen sofort. Er hatte keine offensichtliche Bedeutung, hatte aber irgendwie einen Klang von Rhythmus und von Arbeit. Er brachte eine Glocke zum klingen."
Die erste Platte der Weavers enthielt einen Song, den Lee Hays und Pete Seeger gemeinsam geschrieben hatten, für eine Kundgebung zugunsten der elf Leiter der Kommunistischen Partei, gegen die damals ein Gerichtsverfahren lief. Produziert wurde die Platte von Mario "Boots" Casetta, einem People's-Songs-Aktivisten aus Kalifornien, der an die Ostküste gezogen war, um die Wahlkampagne des linken Präsidentschafts-Kandidaten Henry A. Wallace zu unterstützen, ein Ziel, dem sich auch People's Songs mit allen finanziellen und persönlichen Ressourcen gewidmet hatte, und das letztendlich zu einem finanziellen Desaster und der Auflösung des Vereins führte. Casetta gründete das Schallplattenlabel "Charter Records", auf dem er zunächst mit Beteiligung der Weavers ein Hörspiel über den "Peekskill Riot" veröffentlichte, ehe er im November die ersten offiziellen Weavers-Aufnahmen machte, neben dem "Hammer Song" u.a. "Freight Train Blues" und das Hays-Original "Love Song Blues". Aber nur "Wasn't That a Time"/"Dig My Grave" fanden letztendlich den Weg auf Platte, Casetta war pleite, ehe er weitere Songs veröffentlichen konnte.
Im November 1949 fand die zweite Plattenaufnahmesession der Weavers statt, diesmal für "Hootenanny Records". "If I Had A Hammer" und der Song "Banks Of Marble" von Les Rice war die erste Single und gleichzeitig die letzte offen politische Aufnahme der Weavers. In einer Zeit, als die Verfolgung anders Gesinnter in einen gewalttätigen, vom Ku-Klux-Klan geschürten Massenaufruhr eskalierte, der als "Peekskill Riot" traurige Berühmtheit erlangt hat, war es kein Wunder, dass die linksorientierte Gruppe im Klima des Anti-Kommunismus, Anti-Katholizismus, Anti-Semitismus und Anti-Alles-Was-Anders-Ist, keine große Zuhörerschaft fand. Aber selbst in den Kreisen, für die ihre Musik stand, waren sie nicht ohne weiteres akzeptiert: Ein Schlüsselerlebnis für Seeger war, dass die linke American Labor Party ihm den kommerziellen, populären Balladensänger Richard Dyer-Bennett für eine Veranstaltung vorzog, weil sie jemanden brauchte, der die Massen anlockte. Seeger hatte sich bislang gegen jede Form des Kommerz gesträubt, aber nach diesem Vorfall erklärte er sich bereit, mit der Gruppe in Nachtklubs aufzutreten. Er und Lee Hays waren im Grunde dagegen, aber, wenn die Gruppe überleben und mit ihrer Musik Geld verdienen wollte, schien ein Nachtklub-Engagement die einzige Möglichkeit zu sein. Sie spielten im "Village Vanguard" vor und erhielten ein Engagement für die Weihnachtsfeiertage 1949. Sie sollten für sechs Monate bleiben.
"Unten im Village Vanguard tritt die volksliedsingende Gruppe genannt
The Weavers' auf, die an ihr Geschäft des Volksliedsingens ohne
närrischen Kunstanspruch herangeht."
The New Yorker |
Das Village Vanguard war eine außergewöhnliche Erfahrung für die Gruppe, manchmal kamen nur fünf oder sechs Leute, aber an Wochenenden waren es meist genug Zuschauer, so dass der Besitzer Max Gordon den Weavers eine Gage von 250 Dollar pro Woche, für alle vier, zahlen konnte. Eigentlich lautete der Vertrag auf 200 Dollar die Woche plus kostenlose Hamburger. Gordons Ausspruch, als er das Format der Hamburger sah, die die Weavers sich zubereiteten, ist inzwischen auch schon fast Folklore: "Lasst uns den Vertrag ändern. 250 die Woche, aber keine kostenlosen Hamburger mehr!"
Das Quartett entwickelte im Vanguard seine Bühnen-"Show", seine Präsenz, dort konnte es vor Publikum Songs ausprobieren und verfeinern. Anfangs hatten sie zu wenig Songs im Repertoire und waren gezwungen, ihre Arrangements mehr oder weniger auf der Bühne zu entwickeln. Wenn irgendjemand einen Song vorschlug, den die Gruppe akzeptierte, wurde das Lied in der ersten und zweiten Nacht mehr oder weniger improvisiert, ab der dritten Nacht hatte dann meist jeder seinen Part schon gut einstudiert. Viele Lieder wurden auch gemeinsam geschrieben. Ronnie Gilbert erinnert sich, dass "Kisses Sweeter Than Wine" auf einem Lead-Belly-Fragment basiert, zu dem die Gruppe gemeinsam die Strophen schrieb.
Die Weavers sangen traditionelle Lieder, Songs aus dem Spanischen Bürgerkrieg, Lieder von Woody Guthrie und anderen und ließen nie Zweifel an ihrer politischen Ausrichtung: Sie sangen "Goodnight Irene", einen Song von Huddie Leadbetter, genannt Lead Belly. Zwar entschärften sie später für die Decca-Aufnahmen allzu kontroverse Textstellen ("...I'll take Morphine and die" wurde abgeändert und aus "Goodnight Irene, I'll have you in my dreams" wurde "I'll see you in my dreams"), aber schon allein die Tatsache, dass der Song von einem rechtmäßig wegen Mordes verurteilten und später begnadigten Farbigen stammte, war zu dieser Zeit ein eindeutiges politisches Statement.
"Die Weavers sind aus den Graswurzeln Amerikas.
Ich grüße sie ... wenn ich Amerika singen höre, dann sind
es die Weavers."
Carl Sandburg |
Der Volksliedforscher Alan Lomax brachte den großen amerikanischen Poeten Carl Sandburg ins Village Vanguard, damit er die Weavers höre. Die Lobeshymnen des Dichters sprachen sich herum, es kamen mehr und mehr Leute, um die Weavers zu hören. Zwei wichtige Bekanntschaften machte die Gruppe in diesem Club: Harold Leventhal hatte von den Weavers gehört und schaute sie sich an, weil er Pete Seeger von gemeinsamen politischen Aktivitäten kannte und seine Musik mochte. Leventhal hatte früher im Musikmanagement u.a. für Irving Berlin und Benny Goodman gearbeitet. Er selbst war zwar seit Kriegsende nicht mehr im Musik-Business, aber er vermittelte den Weavers einen Bekannten, Pete Kameron, der die Gruppe fortan managte.
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