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Nein, Bear Family Records produziert keine Kinderhörspiele. Hinter dem drolligen Namen verbirgt sich eine norddeutsche Plattenfirma, die sich auf die Wiederveröffentlichung alter Country-, Folk-, Rock'n'Roll- und Schlagermusik konzentriert. In diesem (nicht allzu großen) Markt ist das Unternehmen, das in diesem Sommer seinen 25. Geburtstag feiert, sogar weltweit führend.
Von Christian Rath
Aushängeschild von Bear Family sind die teuren und dicken CD-Boxen. Für Folk-Freunde gab es in diesem Sommer etwa ein 5-CD-Set über die Anfangsjahre (1949-1955) der Weavers um Pete Seeger oder den in 10 CDs aufgearbeiteten zweiten Teil (1961-1966) der Kingston-Trio-Geschichte (eine ausführliche Besprechung der Box erscheint in Folker! 1/2001). Stets mit dabei sind auch viele bisher unveröffentlichte Tracks: Liveaufnahmen, Rundfunk-Sessions, Demobänder.
Diese "Gesamtausgaben" sind ein Muss für Sammler, Wissenschaftler und
andere Süchtige. Doch die Statussymbole sind nicht billig. Das Weavers-Set
kostet rund 210 Mark im Laden, das Kingston-Trio-Paket sogar 350 Mark. Das
können oder wollen sich nur wenige leisten. Dementsprechend liegen die
Auflagen pro
Box auch nur
bei 1.000 bis 3.000 Stück. Und selbst diese überschaubare
Stückzahl verkauft sich trotz meist begeisterter Fachkritiken nicht
über Nacht. Oft dauert es Jahre, bis die Firma mit einem Projekt Geld
verdient. Bei manchen Produktionen wird dies nie der Fall sein.
Allerdings besteht keine Gefahr, dass Bear Family demnächst Pleite geht. Profitabel ist vor allem der gutsortierte Mailorder-Versand für 50er- und 60er-Jahre-Musik. Ob es im Label-Geschäft unter dem Strich tatsächlich Verluste gibt und wie hoch sie sind, kann (oder will) Weize nicht sagen. "Wir trennen Label und Versand bewusst nicht, damit wir nicht ins Grübeln kommen." Immerhin sind die Label-Veröffentlichungen eine gute Werbung für den Versandhandel. Doch auch ein echter Verkaufshit des Labels würde Weize nicht glücklich machen. "So ein Höhenflug verführt nur zu Dummheiten."
Dass Bear Family eine "vernünftige" Firma ist, kann man aber wohl auch kaum sagen. Richard Weize wird allgemein als exzentrisch geschildert. Über sich selbst sagt der 55-Jährige, er sei von guter Musik "besessen". Bei 30.000 LPs hat er mit dem Sammeln aufgehört. Inzwischen bringt er auch längst nicht mehr nur Künstler-Boxen heraus, die ihn musikalisch ansprechen. Das Kingston Trio etwa mochte er "noch nie". Für dessen Gesamtausgabe sprach eher die musikhistorische Bedeutung des Trios bei der Popularisierung von US-Folkmusik in den 50er- und 60er-Jahren.
Die Philosophie der Bear-Family-Boxen beruht
auf drei Prinzipien: Beste Quellen, Vollständigkeit des Materials und
aufwendige Begleitmaterialien. Soweit irgendwie möglich arbeitet Weize
mit den Original-Masterbändern. Und wenn eine Plattenfirma behauptet,
die Bänder seien nicht mehr zu finden, dann sucht Weize eben selbst
in den Archiven. Er war der Erste, der so arbeitete und ist sich auch sicher:
"Ich bin der Beste". Beim Erkennen von (noch nicht kopierten) "First Generation
Tapes" habe niemand so viel Erfahrung wie er, sagt Weize. Jedes Jahr verbringt
er zu diesem Zweck mehrere Monate in den USA. Nicht immer wird er dabei
fündig, aber jedenfalls versucht er, die bestmögliche Kopie des
Originals zu ermitteln. Ob die Kunden den Aufwand schätzen? Weize ist
es egal, für ihn gilt nur sein eigener Standard.
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Mehr über Bear Family Records im Folker! 6/2000