Wenn man in einer größeren amerikanischen Stadt einen Taxifahrer, einen cabbie nach seinem Beruf fragt, dann bekommt alles zur Antwort, nur nicht Taxifahrer. Abends und an den Wochenenden sind sie alle Schriftsteller, Musiker, Künstler, Schauspieler, Filmemacher oder Photograph. Nur tagsüber sind sie cabbies. Einige von ihnen schaffen den Durchbruch, die meisten nicht. Hier ist eine solche Erfolgsstory von einem Mann mit Mut; Durchhaltevermögen und einer Vision ein Mann, der stark genug war, für die Erfüllung seines Traums zu kämpfen: Mem Shannon. Er kam 1959 mit seinen Eltern nach New Orleans. Niemand dachte zu dieser Zeit daran, dass er jemals ein Sänger und Gitarrist, geschweige denn ein bekannter Blues-Performer werden könnte. Als sein Vater 1981 starb, musste Mem Shannon seine Mutter und seine Schwester unterstützen. Um die Familie über Wasser zu halten, fuhr er 15 lange Jahre Taxi in New Orleans, im "Big Easy". Während dieser ganzen Zeit hat er abends und an den Wochenenden Gitarre gespielt und Songs geschrieben. Und er trat in den Clubs und "juke joints" der vibrierenden Bluesszene von New Orleans auf. Sein Durchbruch kam 1995 mit der Veröffentlichung seines ersten Albums. Ein Jahr später gab Mem Shannon das Taxifahren auf und widmete sich ganz der Musik. Im November und Dezember ist der Musiker u.a. in Deutschland auf Tour.
"Cab Driver's Blues"
"Mem Shannon's 2nd Blues Album"
"Spend More Time With Me" Kontakt: |
MEM SHANNON Termine:
23.11.2000 Ulm (D) Charivari |
Von Frank Matheis
Auf seinem Debütalbum "A Cab Driver's Blues" bringt Mem Shannon neben der Musik kurze Passagen von Gesprächen unter, die seine Gedanken zu Gott, der Welt, Taxis und Blues wiedergeben. Es sind Aufnahmen aus den Straßen von New Orleans. Zu hören sind Straßenpoeten ebenso wie Prostituierte und alte, weise Männer, Rechtsanwälte, Touristen und Fahrgäste. Wenn man in New Orleans Taxi fährt, lernt man Seiten der Stadt kennen, die man sonst nie entdecken würde. Das wahre Leben eben. Mem Shannon hat es in seine Musik gepackt.
Auf keinen Fall sollte man Mem Shannon als Traditionalisten bezeichnen. Der Bluesmann aus New Orleans fühlt sich bei derartigen Klischees unwohl. Im Grunde genommen mag er noch nicht einmal die Einordung in die Blues-Schublade. "Ich setze mich nicht hin, um eine Bluesnummer zu schreiben. Ich will einen guten' Song schreiben. Es ergibt sich einfach so, dass bei allem, was ich mache, immer irgendwie etwas Blues drinsteckt", sagt Shannon. "Ich habe mehr Tradition in mir als manche Traditionalisten. Sie haben irgendwann angefangen, alles immer auf dieselbe Art vorzutragen. Mir geht es darum, davon zu erzählen, was heute passiert. Und ich verpacke das nicht in der immer gleichen Musik. Meine Musik basiert auf dem Blues, aber es ist nicht nur Blues", meint er. "Die beste Periode für schwarze Musik waren die 70er Jahre." Davon ist er überzeugt und schockt die Bluespuristen nur noch mehr. "Ich habe mir alles angehört, Funk und Soul, und das habe ich alles in meinem Sound."
Seine unkonventionelle Sichtweise in Sachen Musik entspricht seiner Lebensauffassung. Auf dem Albumcover seiner ersten CD heißt es "Garantiert nicht post-modern, sondern wahrer Blues". Ohne Frage macht Mem Shannon Blues, mit einer gehörigen Dosis Rhythm'n'Blues, Funk und Soul, aber sein Blues ist keine Imitation vergangener Zeiten. "Ich möchte den Blues in das neue Millennium einbringen. Seine Wurzeln sind im Laufe der Zeit verloren gegangen, weil die Musiker die alten Sachen immer wieder nur wiederholt haben. Das habe ich noch nie verstanden. Das sagt mir gar nichts. Meine Musik handelt von dem, was ich kenne, von meinem Leben, von dem, was ich um mich herum jeden Tag wahrnehme. Ich habe vom alten Blues gelernt. Ich will etwas beitragen und nicht nur etwas nachmachen", sagt Shannon. Ironischerweise ist seine Musik, auch wenn die Traditionalisten jetzt aufschreien werden, wirklich eine Weiterentwicklung der Bluestradition, d.h. frisch, aufregend und keine Spur von in vergangenen Zeiten verhaftet. Mem Shannon bewahrt das Gefühl des wahren Blues, er erzählt eine Geschichte zu einem tanzbaren Beat. Mem Shannon hat Soul. "Ich mache mir auch nichts aus der alten Ausrüstung, nach der jeder so verrückt ist, Röhrenverstärker etwa und oder Gitarren. Muddy Waters hat 1953 eine Telecaster-Gitarre gekauft, weil das 1970er-Modell noch nicht raus war", sagt er mit einem breiten New-Orleans-Lächeln auf den Lippen. "Ich will keinen alten Sound. Ich schaue nach vorne, nicht zurück."
Frank Matheis ist Bluesspezialist. Er schreibt für eine regionale Wochenzeitung und ist Moderator und Produzent von "Frank's Picks" auf WKZE. Er lebt in Pawling bei New York.
Deutsche Übersetzung: mik
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