backFerner liefen...

...55 Millionen US-Dollar bar in David Bowies Kralle, weil er im Frühjahr 1997 mit Hilfe seiner geschäftsführenden Firma Pullman Group Inc. fünfzehnjährige Bonds ausgegeben hat: Anteile an seinem künstlerischen Einmann-Unternehmen. Dem Investor winken Zinszahlungen und Pfandverschreibungen auf Bowies Tantiemenstrom aus bisher 25 LPs und künftigen Projekten. Der achtbare Anlageberater Moody's Investor Service verlieh der Offerte die Bestnote "Single A" und stellte dadurch Bowie-Bonds mit General-Motors-Aktien gleich. Späteinsteiger können den T-Hörer gleich wieder auflegen: Die Prudential Insurance Company of America hat sich auf der Stelle das gesamte Angebot unter den Nagel gerissen!

Die Pullman-Gurus halfen noch anderen Unterhaltungskünstlern auf's Börsenparkett. Eine 30-Millionen-Anleihe von Lamont Dozier, Edward und Brian Holland wurde 1998 ebenfalls mit Single-A bewertet – weil der gesamte Rechtepool von Singer-Songwritern des Motown-Labels als Sicherheit dahintersteckt. Seither grassiert auch in Deutschland die "Ich-Aktie" (FAZ-Ratgebertitel), vorwiegend aber unter naseweisen BWL-Studenten. Wo bleiben die Künstler? James Brown sammelte 100 Mio. $, die von Tantiemen seiner bisher 750 Einspielungen abgesichert sind. Und selbst die Keimbahnen des tapferen, wetterharten Isländervolks werden, wie man hört, bereits von entsprechenden Biotech-Labors an der Börse verschachert. Hat da jemand Stop! In The Name Of Love gerufen?

Börsen- und Wirtschaftsthemen sind in den Staaten derzeit das Äquivalent zur Popkultur der siebziger und zum Computerboom der neunziger Jahre. Musikalischen Starruhm (und solchen, der's erst werden will) nicht nur via Vorverkauf, Konzertkasse und Plattenladentheke feilbieten, sondern auf dem Kapitalmarkt: Warum eigentlich nicht? Den Kabeljau zu fangen und zu fischen nach Verlangen. Lange genug waren kreative Köpfe immer wieder die Dummen in der Branche, während Verleger, Musikkonzerne, Medienzaren und Produzenten absahnten. Die Ziggy Stardusts von heute sollten sich Investoren suchen, die von ihrem akkumulierten Humankapital profitieren wollen – dann hätte der Spiders-From-Mars-Nachwuchs eine reelle Gewinnchance.

Für späte Wiedergutmachung sorgt z. B. William M. Krasilovsky, berühmt-berüchtigter US-Spezialist für Urheberrecht. Gemeinsam mit Sidney Schemel schrieb er den (seit 1969 immer wieder aufgelegten, im Juni 2000 erneut aktualisierten) Ratgeber This Business of Music sowie den Nachfolgeband More About This Business of Music (Verlag Billboard Books) – unentbehrlich für Branchenprofis in Rechts-, Steuer- und Vertragsnöten.

Zwei Fälle aus seiner Anwaltspraxis trug Krasilovsky 1998 beim New Yorker Forum Music and Motion Picture Revenues & Royalties Securitization vor. 1979 spielte eine damals kaum und heute kaum noch bekannte Band namens CQ den Hit Disco Nights ein. Paul Service war als Schlagzeuger, Sänger und Miturheber beteiligt. Nach zwei weiteren LPs war's 1981 aus mit CQ, und Paul Service vegetierte eine Zeitlang als Obdachloser. Zwar sorgte der Disco-Nights-Ohrwurm immer wieder mal für einen Tantiemenscheck, aber es reichte nicht für ein menschenwürdiges Leben. Krasilovsky schlug die Rechte, die Service an dem Song besaß, an der Börse los und verschaffte diesem eine Rente, die dem Ex-Drummer über sieben Jahre hinweg monatlich 600 Dollar eintrug – immerhin genug, ihn von der Straße zu holen.

Dasselbe gelang Krasilovsky mit dem Nachlass von Fats Waller. Nachdem er die Rechte an Ain't Misbehavin' verbrieft hatte, die Waller einst für 500 Dollar abgetreten hatte, konnten davon an der Howard University vier Jahresstipendien in Höhe von 8500 Dollar eingerichtet werden. Nutznießer sind Studenten des Musikrechts. Einst werden sie die wenig respektablen Geschäftspraktiken der Musikbranche juristisch pingeliger durchleuchten, als es Plattenbossen lieb sein dürfte.

Nikolaus Gatter


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