backAfrika in Mittelamerika

"Paranda"

Musik der Garífuna

Wer Guatemala City Richtung Puerto Barrios am Karibischen Meer verlässt, wähnt sich am Ende der Welt. Langsam in der schwülen Feuchtigkeit dahinrostende Eisenbahnschienen, koloniale Holzhäuser, Bordelle und leergefegte Straßen. Nur gerade der Prozess gegen den früheren Nestlé-Chef Hänggi und seinen Sohn konnte das verlassene Nest für kurze Zeit aus dem Dornröschenschlaf wecken. Wer allerdings mit dem Schiff von Puerto Barrios nach Livingston übersetzt, wird den Ausgangspunkt fast schon für eine blühende Metropole halten. Im Regenwald Guatemalas, nur auf dem Wasserweg zugänglich, blieb in Livingston eine afro-karibische Kultur erhalten, die Mittelamerikareisende überrascht.

Von Martin Steiner

Discografie

"Paranda - Africa in Central America"
  (Detour/Warner 3984-27303-2)

Der Palmenstrand mit seinen Strohhäusern, die Fischer auf ihren langen, schmalen Kanus scheinen ein Stück Afrika zu sein. Auch die Sprache der schlanken, hochgewachsenen Bevölkerung dieses paradiesisch gelegenen Ortes klingt afrikanisch. Wie ist es dazu gekommen: Die Geschichte geht zurück auf das Jahr 1635, als zwei spanische Sklavenschiffe vor der Insel St. Vincent Schiffbruch erlitten. Die schwarzen Sklaven konnten ihren Händlern entkommen und wurden vom dort ansässigen Indianerstamm der Kariben aufgenommen. Die Afrikaner brachten den Kariben ihre Kultur und vermischten sich mit ihnen. Hundert Jahre später war ihre Kolonie stark angewachsen. Die schwarzen Kariben, wie sie anfangs genannt wurden, führten ein recht angenehmes und ertragreiches Leben. Sie lebten vom Fischfang und Ackerbau. Besonders der Anbau und Genuss der Yucca-Wurzel muss es ihnen angetan haben. Die Herstellung von Brot aus Yucca-Mehl ist eines der wichtigsten Kulturmerkmale des Volkes. Garífuna, wird von "ka ri funa" abgeleitet, was übersetzt etwa "Volk der Yucca" oder "das Volk, das Yucca isst" heißt. Noch heute bereiten die Garífuna-Frauen ihr Yucca-Brot auf einfachste, fast rituelle Weise zu. Ihre Produkte tauschte der Stamm bei den französischen Siedlern der Insel, mit denen er in friedlicher Koexistenz lebte, gegen Tabak oder Munition.

Einzige überlebende schwarze Kultur in Amerika

Als die Briten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begannen, in großem Stil auf St. Vincent Tabak und Zuckerrohr anzubauen, war es mit dem Frieden vorbei: In einem blutigen, langdauernden Krieg wurden die Garífunas 1795 zusammen mit ihren Alliierten, den Franzosen, die allerdings bald aufgaben, stark dezimiert. Nach ihrer Kapitulation wurden knapp 5.000 Garifuna von den Briten gefangen genommen und auf die Insel Roatan vor der honduranischen Küste deportiert. Mehr als die Hälfte der Gefangenen erkrankte aufgrund der katastrophalen hygienischen Bedingungen an Gelbfieber und überlebte die Überfahrt nicht. Zwar versorgten die Briten die Garífunas mit Angelruten und anderen Utensilien zur Überlebenssicherung. Doch diese zogen es vor, die karge Insel zu verlassen und den im heutigen Honduras ansässigen Spaniern beim Ackerbau, in der Fischerei und der Armee zu helfen. Manche Garífunas begannen, die Küste nördlich von Honduras Richtung Guatemala und Belize auszukundschaften und sich dort niederzulassen. Im 19. Jahrhundert waren die Garinagu, wie der Volksstamm auch genannt wird, vor allem als Holzfäller und Flößer von Mahagonihölzern, Fischer, Schmuggler und immer noch als Soldaten für die Spanische Armee geschätzt. Noch heute lebt das Volk an Stränden von Honduras, Guatemala, Nicaragua und Belize.

In Livingston wie auch in Belize und Honduras wird neben Englisch oder Spanisch im Umgang mit Touristen immer noch Garífuna gesprochen, das sich aus dem Idiom der dort ansässigen Arawak-Indianer und verschiedenen afrikanischen Sprachen bildete. Ethnologische Studien haben ergeben, dass die Garífunas die einzige schwarze Volksgruppe Amerikas sind, die es geschafft haben, ihre Kultur ins neue Jahrhundert hinüberzuretten. Ihre Sprache, den Fischfang und die Yucca-Pflanzen haben sie von Amazonas-Indianern übernommen, die sich etwa 1000 AD nach Norden aufmachten. Tänze, Trommelrituale, Ackerbau und die mündlich überlieferten Traditionen hingegen stammen direkt von ihren afrikanischen Vorfahren.


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