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Rodolfo "Nava" Barrera

Alternative karibische Musik aus Puerto Rico

"Zu leben, so sorglos wie die Kühe ...". – das ist das Lebensmotto von einem der erfolgreichsten Hitlieferanten Puerto Ricos. Und mit diesem deutschen Satz beginnt dann auch sein drittes Album, das erste, das von Rodolfo "Nava" Barrera auf dem deutschen Markt erscheint. Ausgesprochen wird diese Devise von "Nava" auf dem gleichnamigen neuen Werk des Künstlers von einem deutschen Freund, der in Puerto Rico lebt. Doch es verbirgt sich noch einiges mehr hinter und in den neuen Songs des lateinamerikanischen Musikers.

Von Antje Hollunder

Er sieht ein bisschen müde aus. Wohl weniger, weil er nicht ausreichend schläft, sondern weil er so viel redet. Zum ersten Mal ist er in Deutschland, und schon seit dem Vortag geben sich die Kollegen von Presse und Funk die Klinke in die Hand. Ich bin die letzte, die mit ihm in Köln spricht, bevor er den Flieger weiter nach Hamburg erwischen muss. Davor war Rodolfo Barrera oder besser "Nava", wie ihn vor zwölf Jahren ein indianischer Freund genannt hat, zu Gesprächen über sein neues Album in Mailand, später geht es in die USA weiter. Aber so viel er wahrscheinlich schon in den letzten Tage erzählt hat auch in unserem Gespräch findet er noch genug Worte. Nava liebt es offensichtlich, seine Philosophien und Lebensansichten von sich zu geben. Und redet gern von seinem dritten Album, das als Titel seinen Spitznamen trägt "Nava" – übersetzt: die neue Liebe.

Das Wichtigste in seinem neuen Werk, meint Nava, sei der "flow", dass die Musik fließe, strömt, sich harmonisch ineinander zusammenfügt. "Ich wollte aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen eine Platte machen, die alle möglichen Farben und Extras hat", erzählt er. Nicht nur diverse Musikstile und -klänge verschiedener Länder und Traditionen hat Nava auf seinem Werk vereinigt. Auch andere Töne hat er mit in seine Songs gemischt: jene von streitenden Stimmen bis zu den Geräuschen der Großstadt. "Urbane Elemente wie Autos, Telefone sind für mich auch Musik", erklärt Nava, "z.B. ein Auto, das vorbeifährt und hupt – das ist Musik! Manchmal mache ich Musik, während ich Fernsehen gucke, das heißt, wenn mir langweilig wird, wechsele ich so schnell die Kanäle, dass immer nur kurze Wortfetzen und Klänge zu hören sind. Auf diese Weise kann man auch Musik machen." Und dann dreht er ein bisschen auf, demonstriert sein Zappen durch die Fernsehkanäle samt der verschiedenen Geräusche und Sprachfetzen.

Sechs Jahre ist es mittlerweile her, dass der Puertoricaner damit begonnen hat, seine verschiedenen Ideen für sein neues Werk zusammenzustellen. Dass er es hat reifen lassen und noch bis zum Schluss vor ein paar Monaten immer wieder Änderungen vornahm, auch wenn er seine Produzenten damit allmählich an den Rand der Verzweiflung brachte, hat sich schließlich positiv auf das Endprodukt ausgewirkt. Das Album ist fein ausgearbeitet. Und seine Reife wurde inzwischen bereits angemessen honoriert. In den europäischen Radiostationen, die sich auf den Bereich der sogenannten Weltmusik konzentrieren, ist die Platte seit ihrer Veröffentlichung im Juni bereits so häufig gespielt worden, dass sie im Juli auf Platz sieben der europäischen Weltmusik-Charts wiederzufinden war.

In zwölf Songs durch Lateinamerika

Was auf "Nava" von Rodolfo "Nava" Barrera zu hören ist, erzählt er mir in einem Rutsch. Quasi im gleichen "flow", auf den sein Album angelegt ist. Ohne dass ich Zwischenfragen stellen muss, spult er die Geschichte seiner Songs mit ihren wesentlichen Merkmalen herunter. Seine Ausführungen haben sich vermutlich während seiner Interviews inzwischen zu einem festen, immer gleichen Text entwickelt. Dennoch wirkt er nicht gelangweilt abgespult, sondern es dringt eine Freude an der Sache durch, die Liebe zur Musik, Leidenschaft. Das macht die professionelle Promotion angenehm. "Ich habe mit dem Song ‚La Vaquita' angefangen", erzählt Nava, "das Stück ist wie eine Cumbia mit Guaracha und geht zu ‚Cuando Se Ama' über, einem Merengue, der gleichzeitig eine Salsa ist. Aber die Musik wird so zu etwas Selbstständigem. Dann musste ich wechseln, weil ich dachte, dass es langweilig wird, wenn alle Songs so sind. Als nächstes wendete ich mich ‚Tatuaje' zu, einer Ballade mit einem Element der venezolanischen Musik, dem Joropo. Und dann ist da ‚Así na' má': ein Hiphop mit Salsa. Die Art, in der ich singe, bewegt sich zwischen so etwas wie Salsa und Rap. Dann kommt ‚Corazón Violeta' und ‚El amor los tres', beides im Stil der Plena, dem nationalen Rhythmus von Puerto Rico, aber mit einem anderen Zugang: nicht so schnell. Die Plena will nämlich den Merengue imitieren, aber in der schnelleren Gangart. Ich habe mehr Ruhe reingebracht und plötzlich war der Reggae da! Das war eine Überraschung: Plena und Reggae – bumm, zur gleichen Zeit, und: Wow! Es ist einfach passiert!"


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