backHerrscher mit Samtkrone

Raimund Kroboth und die Schäl Sick Brass Band

Mit der Waldzither unter Powerbläsern

Manchmal geben Frauen die Richtung an und haben doch das Steuer nicht in der Hand. So ist es auch bei der Schäl Sick Brass Band aus Köln, der aktuell wichtigsten Weltmusik-Formation aus Deutschland. Ihre erste Sängerin Maryam Akhondy kam aus dem Iran, also spielte man viel Persisches. Dann rückte die Bulgarin Iwanka Iwanowa nach, prompt steht bei der frisch erschienenen CD „Maza Meze“ ganz der Balkan im Vordergrund. Viel zu sagen haben die Front-Frauen der Schäl Sick Brass Band aber nicht. Alle relevanten Entscheidungen trifft Raimund Kroboth. Er ist der unumstrittene Chef der neunköpfigen Bläsergruppe.

Von Christian Rath

„Sie suchte ein Orchester, ich hatte eines, also lud ich sie ein“, so kam Maryam Akhondy Mitte der 90er-Jahre zur Schäl Sick Brass Band. Im Iran hatte sie klassischen Gesang studiert, doch unter dem Mullah-Regime war weiblicher Sologesang verpönt. Jetzt lebte sie in Köln und zur ersten Probe hatte Raimund Kroboth gleich ein iranisches Stück arrangiert. „Sie sagte ‚Schön, schön', doch vermutlich war es für sie ein Graus“, erinnert sich Kroboth. Denn im Iran führen die Orchester keine Blechbläser, sondern Geigen, die Langhalslaute Oud und feinsinnige Handpercussion. Mangels Alternative blieb Maryam Akhondy aber vier Jahre als Sängerin bei Kroboth und seinen weltmusikalischen Blasmusikexperimenten.

Discographie

Majnoun, 1996, Network
Tschupun, 1999, ACT
Maza Meze, 2000, ACT

Auch ihrer Nachfolgerin Iwanka Iwanowa war das Experimentelle nicht gerade in die Wiege gelegt. Sie hatte bislang eher biedere bulgarische Volksmusik gemacht. Doch sie ist froh, dass sie in Deutschland mit ihrer Musik überhaupt Geld verdienen kann. Und Kroboth ist dankbar, dass sie nicht so kompliziert ist wie Maryam Akhondy. „Wenn ich etwas Persisches umarrangiert habe, versuchte Maryam immer zu retten, was noch zu retten war. Iwanka dagegen stellt sich einfach hin und singt, und wenn es sein muss, rappt sie sogar“, freut sich Kroboth. Allerdings tritt auch die Bulgarin gerne im Trachtenkleid auf, wie um zu betonen, dass sie für die wilden Arrangements nicht verantwortlich ist. Für das Publikum wirkt diese Distanzierung allerdings eher wie ein weiteres ironisches Detail in Kroboths stilistischem Gesamtplan.

Eine „große multi-ethnische Familie“?

Auch die übrigen Musiker – fünf Bläser und zwei Perkussionisten, allesamt deutsch und männlich – behandelt Kroboth nicht anders. Er ist der Chef, das erkennen alle an, und der musikalische Output spricht ja wirklich nicht gegen diese Arbeitsweise. Bemerkenswert sind die Machtverhältnisse eher, weil die Schäl Sick Brass Band von manchen Journalisten als „große multi-ethnische Familie“ verstanden wird. Richtig ist das wohl nur, wenn man ein sehr patriarchales Familienverständnis hat.

Maza MezeDie meisten multikulturellen Einsprengsel, wie der deutsch-nigerianische Rapper Adegoke Odukoya oder der ägyptische Popsänger Mohamed Mounir, gehören ohnehin nicht zur Band, sondern sind nur Gäste (um nicht „Gastarbeiter“ zu sagen). Das Prinzip ist einfach: Wer Raimund Kroboth inspiriert, wird zur Zusammenarbeit mit der Kölner Diskursblasmusik eingeladen. Die CDs der Schäl Sick Brass Band sind daher noch bunter als ihre Konzerte.

Auf der Bühne wirkt Kroboth dagegen wie der bescheidenste Bandleader aller Zeiten. Schüchtern sitzt er an der Seite und spielt die Waldzither, ein altböhmisches Zupfinstrument, das man nur selten unter den Powerbläsern hervorhört. Dass er der „musikalische Direktor“ der Gruppe ist, sieht man am besten, wenn er seine schwarz-rote Samtkrone aufsetzt. „Die Krone habe ich in Mainz beim Open-Ohr-Festival gekauft“, erzählt Kroboth, „wir mussten bei acht Grad in der Kälte spielen und die Krone war am Samtmützenstand noch das Unauffälligste!“


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Mehr über die Schäl Sick Brass Band im Folker! 4/2000