Nach zehnjähriger Pause nun im Jahr 2000 wieder im Februar ein "Festival des politischen Liedes" im Berlin der ehemaligen DDR. Politisch kein Hauch von Kommunismus, Marxismus-Leninismus, aber ideologisch eine eindeutige Abgrenzung nach rechts. Ein Stück Nostalgie auch. Geboren aus einer von zwei jungen Oktoberklub-Mitgliedern, dem Liedermacher Reinhold Andert und Reini Heinemann, im Schwimmbad ausgeheckten Idee eines Hootenanny: "... weil wir die Mädchen wiedersehen wollten, die wir kennen gelernt hatten!" Dabei war der Geburtstag 30 Jahre nach der ersten "Woche des politischen Liedes" immer noch ein Bekenntnis zum engagierten und kritischen Song.
Eindrücke von Stephan Rögner
Mit dem jährlichen "Segen" ab 1971 schon unter dem Namen "Festival des politischen Liedes" hatte die FDJ ihren Einfluss verstärkt und eine (Singe-)Bewegung kreiert, bis diese fast nur noch eine staatlich gelenkte und politisch benutzte Einrichtung war. Aber die Jugendlichen fanden immer noch Freiräume für Spontanes und genügend Möglichkeiten, der Massenorganisation der SED und der Nationalen Front sinnigerweise ein Schnippchen zu schlagen. In Berlin war's ohnehin leichter als anderswo in der DDR. Andererseits nutzte die FDJ die Identifikation Jugendlicher mit den Festivals. Abgesehen vom später allerdings bestimmenden FDJ-Festivalbüro erfolgte fast die gesamte Arbeit ehrenamtlich. Die Begegnungen mit fast aller Welt war den jungen Menschen, die nicht "raus" durften, Vergütung genug für die ungezählten Stunden bei Programmgestaltung, Betreuung der Gäste, Dolmetschertätigkeit ...
Mit dem Zusammenbruch der DDR starb 1990 auch dieses internationale Forum. Dort war das "andere" Deutschland, die BRD, mit Namen wie Franz Josef Degenhardt, Ina Deter und Uschi Flacke, Heinz Rudolf Kunze, Fasia Jansen, Dieter Süverkrüp, Hannes Wader und Konstantin Wecker beteiligt und vertreten gewesen. 1991 setzte sich ein "Förderverein für ein progressives Kulturfestival e.V." zunächst erfolgreich für eine Fortsetzung als "ZwischenWelt Festival das neue Festival des politischen Liedes" ein 1994 sogar wieder mit dem roten Spatz als frechem Symbol. Weitere Initiativen überließ man dann dem eingetragenen gemeinnützigen Verein "Lied und soziale Bewegungen". Natürlich konnte sich der jeweilige Spiritus Rector auch nach der Wende eines willigen Kaders ehrenamtlicher Helfer und erinnerungstreuer Besucher sicher sein.
Inzwischen hat man bemerkenswert kritisch und erfreulich ehrlich eine Bilanz der Festivals gezogen. Das gesamte Ergebnis wurde in einer umfangreichen Dokumentation mit Daten und Dokumenten zusammengetragen und der Öffentlichkeit vorgestellt. Nach der Wende argwöhnisch bewertet und schon mal als "Propagandaunternehmen der alten verbrecherischen SED-Führung" verunglimpft, spricht man heute wieder von einer "linken kreativen Insel". Dieses Festival galt ja schon früher als etwas Originäres. Die DDR sollte diese größte Musikveranstaltung in eine gesamtdeutsche Kulturlandschaft einbringen, meinten viele.
Zum runden Geburtstag stellte sich die Frage: Ist so eine Veranstaltung nur Erinnerung oder ist die Festivalidee auch im vereinten, wenn auch noch nicht zusammengewachsenen Deutschland aktuell? Die Machbarkeit und das "Wie oft?" werden noch zu diskutieren sein. Eine Finanzierung aus sich heraus mit Spenden und einigen Subventionen ist denkbar. Ist es als Dauereinrichtung auch von der Manpower her zu leisten? Wer weiß es heute schon? Vielleicht war's aber die Generalprobe für einen Neubeginn.
So ging's denn bei der Planung nicht um eine Bereicherung des Berliner Veranstaltungskalenders. Auf die Frage nach dem Überleben meinte der Musikwissenschaftler Dr. Lutz Kirchenwitz als geschäftsführender Vorsitzender von "Lied und soziale Bewegungen e.V." und Veranstalter: "Zwei Seelen wohnen in meiner Brust." Die Geburtstagsfeier bestätigte die Optimisten. Alle Altersklassen und Schichten und der Nostalgie wegen wohl prozentual weitaus mehr aus dem Westen der Bundesrepublik waren gekommen. Die Zahl der Besucher war bei einem im Hinblick auf den früheren Umfang mickrigen Programm größer als erwartet und ermutigt zum Weitermachen. Die erdrückende Arbeit und immense Kosten stehen diesem Interesse teils von weither angereister Besucher gegenüber. Das war weit größer als das der Medien, die noch vor einem Jahrzehnt das letzte gleichnamige Festival unmittelbar nach dem Mauerfall, aber noch vor der Wende aufwendig mit Fernsehkameras begleitet hatten.
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Mehr über das politische Lied im Folker! 3/2000