back"Ich hoffe nur, du hast ein Banjo in der Nähe"

Zum Tod von Deroll Adams

Ein Nachruf von Bernhard Hanneken

Überraschend kam es ja nicht. Einmal war Derroll dem Tod bereits von der Schippe gesprungen, das war in den 70ern, als Ehefrau Danny ihn buchstäblich vor dem Absaufen rettete. Aber nach der Krebsdiagnose vor einigen Jahren wussten alle, dass es nur noch eine Frage der Derroll AdamsZeit war. Im Winter sei es immer besonders schlimm, klagte er vor gut einem Jahr am Telefon; er hoffe, dass es bald wärmer würde. Danny schrieb, wie schwach Derroll sei, dabei würde er so gerne malen und schreiben, aber er könne es einfach nicht. Und sie hätte eigentlich den Brief auch schon früher abschicken wollen, aber sie hätten warten müssen: Derroll wollte unbedingt ein paar eigene Zeilen dazuschreiben, und es hätte eben gedauert, bis er dazu wieder in der Lage war.

Oh Derroll

Derroll Adams wurde am 27.11.1925 in Portland im US-amerikanischen Bundesstaat Oregon geboren. Zum 20. Geburtstag schenkte ihm seine Mutter ein Banjo, das er später selbst als sein "Schicksal" bezeichnete. Zu seinem Banjo pflegte er ein Verhältnis wie Sam Hawkins zu seiner Liddy; war das Instrument nicht in Griffweite, wurde er unruhig: "Wo ist mein Banjo?" Aber trotz dieser symbiotischen Beziehung wurde aus Derroll Adams kein Saitenzauberer; gemessen an heutigen Virtuosen wie Béla Fleck war er ein eher langsamer Spieler. Aber er hatte halt, im künstlerischen wie auch im richtigen Leben, lange vor Sten Nadolny das Prinzip der Langsamkeit entdeckt. Wenn man mit ihm, rückblickend, über seine Karriere sprach, dann war die häufigste Vokabel "lazy". Nicht ohne Grund hatte er eine Vorliebe für ostasiatische Philosophien und Musiken, und beeilt hat er sich wohl wirklich nur ein einziges Mal im Leben: 1956, als ihm Jack Elliott aus London kabelte, wenn er für drei Monate rüberkäme, würde er ihm die Schiffspassage bezahlen ...

Mit Jack Elliott trat er als "The Cowboys" in ganz Europa auf; noch 1990 bezeichnete das englische Magazin FOLK ROOTS die beiden als "eines der größten Paare der Folkmusik". 1957 siedelte Derroll nach Belgien um; 1958 kehrt Jack Elliott in die USA zurück. Derroll Adams wurde in Europa zum Mentor unzähliger junger Folkmusiker. Davon konnte man auch früher nicht leben, aber irgendwie ist Derroll immer durchgekommen, trotz der Aufs and Abs, die er erlebt hat. In seinem späteren Leben hat er viel gemalt; der letzte seiner eh raren Konzertaufritte war, wenn die Annalen nicht trügen, 1991 beim Tanz&FolkFest in Rudolstadt.

An guten Tagen war Derroll Adams ein begnadeter Entertainer, der aus einem schier unerschöpflichen Fundus Lieder vortrug, eigene und solche von der Carter Family oder von Woody Guthrie. Tief saßen bei ihm die Traumata der McCarthy-Ära; noch Jahrzehnte später mochte er kaum offen über sein Verhältnis zur Kommunistischen Partei der USA sprechen. Nun kann man sich Derroll Adams auch kaum als Jungen Wilden oder Revoluzzer vorstellen, doch der (nur linke?) Traum von einer besseren, friedfertigeren, gerechteren Welt, der war in seinem Liedern immer präsent.

Es gibt eine Reihe von Liedern, die mit seinem Namen verbunden sind: "Oregon", das ihm Tucker Zimmerman auf den Leib schrieb, oder seine eigene Anti-Kriegs-Hymne "Portland Town", "Trouble In Mind" (vor allem die Duo-Version mit Hannes Wader von der LP "Movin' On") oder "The Valley". Es gab eine Reihe von Tribute-Songs lange vor der unsäglichen Welle dieser Alben, zu einer Zeit also, als solche Lieder noch freiwillig geschrieben und Zeichen von Respekt, bisweilen gar Verehrung oder Liebe waren: Finbar Fureys "Derroll In The Rain", Wizz Jones' "The Man With the Banjo" oder Allan Taylors "Banjoman". Doch bleiben wird vor allem die Erinnerung daran, welch begnadeter Geschichtenerzähler Derroll Adams war. Da war er in seinem Element; da war er Mensch, da konnt' er's sein.

Die wenigen Zeilen, die Derroll vor einem Jahr mit Bleistift auf einen Zettel gekritzelt hatte, endeten mit den Worten: "Take care. Your friend, Derroll." Mach's auch gut, Derroll, wo immer du jetzt bist. Ich hoffe nur, du hast ein Banjo in der Nähe.

Derrol Adams starb am 6. Februar 2000 in einem Krankenhaus in seiner Wahlheimatstadt Antwerpen. Er hinterlässt eine Frau, Danny, und eine Tochter, Rebecca.


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Auch über Deroll Adams im Folker! 3/2000