backIBMA-Sängerin des Jahres 1999

Lynn Morris Band

Vorkämpferin für die Frauen im Bluegrass

In den USA wurde ihr bereits drei Mal von der „International Bluegrass Music Association„ (IBMA) der Titel „Sängerin des Jahres„ verliehen. Lynn Morris ist eine Musikerin, die es verstanden hat, ihren Bluegrass-Wurzeln treu zu bleiben und gleichzeitig offen zu sein für andere Stile und Richtungen. Die amerikanische Musikerin schafft den schwierigen Spagat, sich weder gängigen Klischees der Bluegrass-Musik unterzuordnen, noch sich einem unverbindlichen Ethnopop anzudienen. Im Mai und im Juni ist die Lynn Morris Band in Deutschland unterwegs.

Biographische Notizen von Eberhard Finke

Die Geschichte von Lynn Morris beginnt im bluegrassfernen Texas. Geboren am 8. Oktober1948 in San Antonio, wuchs sie in der Kleinstadt Lamesa, 60 Meilen südlich von Lubbock, auf, der Heimat von Rock'n'Roll-Star Buddy Holly und der frühen Countrygospelgruppe Chuck Wagon Gang. Das war auch die Musik, die sie in ihrer Kindheit und Jugend hörte. Klavier, Bariton-Ukulele und klassische Gitarre mit 15 waren erste Musikstationen. Eine „Folk„-Gitarre war dort und damals nichts Rechtes für ein junges Mädchen. Lynn Morris kam aufs College in Colorado Springs, studierte Kunst und hörte dort zum ersten Mal Bluegrass mit der 20 String Bluegrass Band. Um 1970 herum wollte sie Banjo spielen, was sich allerdings nicht mit der klassischen Gitarre vertrug. Das Banjo erwies sich schließlich als stärker, und Lynn rührte ihre alte Gitarre nie mehr an. Nach dem College gründete Lynn Morris 1972 die City Limits Bluegrass Band, die in den sechs Jahren ihres Bestehens zwei LPs veröffentlichte. Damals gewann Lynn Morris auch ihren ersten Musikwettbewerb: 1974 ging sie als Siegerin aus dem National Banjo Picking Championship in Winfield, Kansas, hervor. Diesen prestigeträchtigen Erfolg konnte sie 1981 wiederholen (die Gewinner müssen mindestens fünf Jahre Pause einlegen, bevor sie sich wieder bewerben dürfen). Damals machte die junge Musikerin aber auch die erschreckende Entdeckung, dass sie bei anderen Wettbewerben den ersten Platz nur deswegen nicht bekam, weil sie eine Frau war.

Karrierestart an der Ostküste

Nach dem Ende der City Limits Bluegrass Band und einem kurzzeitigen Engagement bei der Countryband Little Smoke wollte Lynn Morris endlich „Ernst„ machen mit ihrer Bluegrass-Karriere. Mit Hilfe von Pete Wernick von Hot Rize bekam sie einen Job bei der Lynn Morris BandGruppe Whetstone Run in Pennsylvania. In jenen Jahren lernte sie bei einer Jam Session ihren späteren Ehemann Marshall Wilborn kennen, der bald als Bassist bei Whetstone Run einstieg. Wilborn ist nicht nur ein brillianter Instrumentalist, sondern auch ein begabter Songschreiber. So spielte Doyle Lawson beispielsweise sein „Mountain Girl„ und „Blue Road„, die Johnson Mountain Boys „Goodbye To The Blues„ und Alison Krauss den Titel „Heartstrings„ ein. Als der Sänger und Bassist 1986 ein Angebot von Jimmy Martin und seinen Sunny Mountain Boys bekam, löste sich Whetstone Run auf. Mit dem jungen Ehepaar ging es daraufhin teils auf-, teils abwärts. Für Marshall Wilborn bedeuteten die Johnson Mountain Boys sowohl einen künstlerischen wie auch einen finanziellen Aufstieg. Seine Frau Lynn war jedoch mit dem Ende von Whetstone Run arbeitslos und machte sich vermehrt Gedanken über die Rolle von Frauen im Bluegrass.

Ehre und Ärger für die neue „Chefin„

1988 lösten sich die Johnson Mountain Boys mangels finanzieller Perspektiven auf. Morris, Wilborn und sein JMB-Kollege am Banjo, Tom Adams, gründeten eine eigene Gruppe: die „Lynn Morris Band„. Die auserkorene „Chefin„ Lynn Morris merkte bald, dass dieses Amt zwar viel Ehre, aber auch viel Ärger und Arbeit mit sich brachte. 1989 kam die Lynn Morris Band dann zu ihrer ersten Europatournee über den großen Teich. Ein Jahr darauf folgte die erste CD beim Marktführer Rounder, wo die Johnson Mountain Boys schon ein wenig den Weg geebnet hatten. Mit „The Lynn Morris Band„ wurde auch gleich eine musikalische Erfolgsmixtur für die Zukunft gefunden: ein Song von Hazel Dickens, ein paar Countryklassiker von Tom T. Hall oder Buck Owens, ein paar aktuelle und eigene Stücke, darunter auch Kompositionen von Lynn Morris selber, aber kein einziger Standard der Gründungsväter der Bluegrass-Musik. CD wie einige Singleauskopplungen kamen in die Bluegrass-Hitparaden.

Als „Sängerin des Jahres„ endlich auf Erfolgskurs

Die 1992 veröffentlichte CD „The Bramble And The Rose„ knüpfte an den Erfolg ihres Vorgängers an, und es folgten weitere Europatourneen. Der große Durchbruch ließ dennoch weiter auf sich warten. Die Krone im Frauenbluegrass war noch vergeben – an Alison Krauss. Das änderte sich erst 1995 mit der Veröffentlichung der dritten CD. Der Titelsong „Mama’s Hand„, geschrieben von Hazel Dickens, mag deutschen Ohren als Schnulze vorkommen, aber Lynn Morris hatte 1984 ihre Mutter verloren, und der Song hatte daher für sie eine ganz persönliche Bedeutung. Das einhellige Lob der Kritik wurde bei der Verleihung der IBMA-Awards bestätigt: „Mama’s Hand„ wurde zum „Song des Jahres„ gekürt und Lynn Morris erstmalig als „Sängerin des Jahres„ ausgezeichnet.

Doch der nächste Rückschlag ließ nicht lange auf sich warten: Mit Tom Adams und Audie Blaylock machten sich zwei Mitglieder der Band, die sich gerade „eingespielt„ hatte, „selbständig„. Eine neue Besetzung musste gefunden werden. Ron Stewart stieg als neuer Banjo- und Geigenspieler ein. An der Mandoline wurde mit Jesse Brock ein kurzlebiges früheres Mitglied von 1992 „reaktiviert„. In dieser Besetzung sind Lynn Morris und Marshall Wilborn seitdem unterwegs. Wilborn beteiligte sich in den letzten Jahren auch an einem anderen spektakulären Projekt, der Gruppe „Longview„, zu der Dudley Connell, Glen Duncan, James King, Joe Mullins und Don Rigsby gehören. Im klassischen „High Lonesome Sound„ lassen sie die Blütezeit der Bluegrass-Väter auf ihren beiden 1997 und 1999 erschienenen CDs wieder auferstehen. Im vergangenen Jahr brachte Marshall Wilborn obendrein ein viel beachtetes Bass-Solo-Album mit mehreren Banjopartnern auf den Markt, das die oft unterschätzte Rolle des Bassisten ins rechte Licht rückt.

Discographie

City Limits Bluegrass Band
„Hello City Limits„ (1976) Biscuit City 1305

„Live at the Oxford Hotel„ (1976) Biscuit City 1309

Whetstone Run
„No Use Frettin'„ (1984) Red Dog Records 8413

Lynn Morris Band
„The Lynn Morris Band„ (1990) Rounder 0276

„The Bramble And The Rose„ (1992) Rounder 0288

„Mama’s Hand„ (1995) Rounder 0328

„You’ll Never Be The Sun„ (1999) Rounder 0458

Longview
„Longview„ (1997) Rounder 0386

„High Lonesome„ (1999) Rounder 0434

Marshall Wilborn
„Root 5„ (1999) Pinecastle PRC 1094


Literatur

Geoffrey Himes: Lynn Morris – She will be the light; Bluegrass Unlimited August 1999

Barry C. Willis: America’s Music Bluegrass, Franktown, Col. 1998, S. 440.

Bluegrass-Bühne: 53/08, 67/02, 68/01, 68/05, 69/10, 69/50, 70/46, 80/17, 81/08, 93/18.


Tour-Termine

18.05. Essen, Karstadt
19.05. Nürnberg, Kulturcafe-Karstadt
20.05. A–Greifenburg, Kulturhaus (venue tbc)
21.05. Stuttgart, Laboratorium
22.05. Ehingen, Lindenhalle
23.05. Göttingen, Apex
24.05. Hannover, Expo Cafe
25.05. Kaiserslautern, Kammgarn
26.05. Waldkraiburg, Haus der Kultur
27.05. CH–Willisau, Spring Bluegrass Festival 16:00
28.05. Offenburg, Spitalkeller
30.05. Leer, Taraxacum
31.05. NL-Wadway, De Vriendshap
01.06. Berlin, Open Air, Zitadelle
02.06. Bonn, Museumusmeilenfest tbc
03.06. Trier, Tuchfabrik
04.06. Helferskirchen, Kirche
05.06. Dresden, Tonne
06.06. Halle, Objekt 5, tbc
08.06. Holzwickede, Haus Opherdicke
09.-10.06. A–Innsbruck, Träume-Festival
11.06. Neusüdende, Festival
12.06. NL-Zuidlaren, Big Bear Festival

Kontakt: Music Contact, Tel. 0 70 73/22 50


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