backFerner liefen...

wir müßig und ziellos durch Karlsruhe; fanden uns schließlich im Zentrum für Kunst und Medientechnologie vor einer „Weltklangkarte" wieder: Das ZKM, interaktive Spielhölle der Videoclipper und Elektronikfreaks, beherbergt nebst anderem, mehr oder minder tiefsinnigem Schnickschnack jenes Kunstwerk, das Klänge auf Knopfdruck in Kopfhörer spült. Die Knopf-Armatur wiederholt den Globus im Kleinen. Zugleich mit dem Zugriff auf die Tonkonserve blinkt auf der Wandkarte ein Lichtlein am jeweils gewählten Ort.

Aufnahmen unterschiedlichster Erdregionen, von Nieselregen, Muhkühen, Fernstraßen, Muezzinrufen, Dudelsackquäken, Sturmflut, Volksgemurmel, Elefantentrompete, Open-tune-Balalaika, Buschtrommel, Kirchenglocken. Alles, was Hörspielregisseure „Atmo" nennt, bloß sekundenkurz. Keine Weltmusik, doch lässt sich, durch rhythmisches Tippen mit gespreizten Fingern, welche draus machen!

Zwei Tage später: Hörerdebatte auf WDR 5 über die Verwelschung teutscher Gegenwartssprache, als Experte im Studio („Fachmann im Senderaum") einer dieser geifernden Verfechter spießiger Reinheitsgebote. Sein sog. „Institut" prämiiert alljährlich eindrucksvolle Verhunzungen – letzte Preisträgerin Jill Sanders –, meist überbordender „Anglizismen" wegen wie Event, Service point, update oder download. Er habe, so der Vereinsmeier, daheim keinen Desktop-PC, sondern einen „Tischrechner", keine eMail, sondern „Fernpost", und statt slow motion solle man lieber „Zeitlupe" sagen.

Man möchte zum Hörer greifen, die nicht abreißende Fernsprechkette jubelnder Jasager durchbrechen, dem Teutomanen und seiner unbedarften Moderatorin („Wortbremse") ein derbes „Fremdwörter sind Glückssache" zubrüllen:

Event IST KEIN Anglizismus, verdammt nochmal, sondern ein stinknormales Wort der englischen Sprache. Im Deutschen verwendet (z. B. um zu benennen, was nicht Vorkommnis, Begebenheit, Darbietung oder Spektakel ist), wird es zum Fremd- oder Lehnwort. Wenn mir in einem schlecht synchronisierten Film vor abstrusen, gleichwohl muttersprachlich gemeinten Wendungen schaudert wie z. B. „du hast jetzt ein Problem", „nicht wirklich" oder „nun, ich liebe diesen Platz", DAS sind Anglizismen. Nicht schön, ebensowenig selten, leider – schuld ist das erbärmliche Übersetzer-Honorar („Ehrensold", hinterer Wortteil vermutlich von altertüml. für „selten").

Und was dieser Reinheitsvereinsschwafler da absonderte („Sprachverbrecher", „nur die Deutschen, diese Idioten, schmeißen ihre Kultur einfach weg", „Anschiss gekriegt" und dergl.), strotzte nur so vor Anleihen aus dem Unwörterbuch der Nazibarbaren. Von einem solchen sollen wir uns belehren, bekehren, über den neologisch-neugierig nachplappernden Volksmund fahren lassen?

„Dass Zivilisation als Latinisierung in Deutschland nur halb gelang, bezeugt auch die Sprache", stellte 1959 Adorno in seinem schönen Aufsatz („Essay") Wörter aus der Fremde fest, und: „In jedem Fremdwort steckt der Sprengstoff von Aufklärung, in seinem kontrollierten Gebrauch das Wissen, dass Unmittelbares nicht unmittelbar zu sagen, sondern nur durch alle Reflexion und Vermittlung hindurch noch auszudrücken sei. Nirgends bewähren die Fremdwörter im Deutschen sich besser als gegenüber dem Jargon der Eigentlichkeit, jenen Termini vom Schlag des Auftrags, der Begegnung, der Aussage, des Anliegens und wie sie sonst heißen mögen."

Und jetzt stellen wir uns mal – nur so einen Lauschangriff lang – vor, eine eigene Klangkarte würde ausschließlich Deutschtönernes zeigen und vorspielen, samt den dicklichen (aus der Taille geratenen) Umrissen des holden Vaterlands, in den Grenzen nach 1989, versteht sich! Knopfdruck: Humbatäterä. Knopfdruck: Herzibuamjodeladio. Knopfdruck: Hinlegenaufmarschmarsch. Türenschlagen. Ehrenworte. Zähneknirschen. Pausenjingle. Presslufthammer. Knochensplittern an der Nordkurve. Flötentriller der Schiris. Lalülalaaa. Wahlkampfrhabarber. Schafsblöken. Rauschen im Blätterwald. Windradsurren aus Schleswig-Holstein. Aus Kamen-Bergkamen den Stau am Kreuz. Aus Berlin das gellende „Zewückbleim!" der S-Bahn-Aufsicht. Aus Grevesmühlen Daniel Eggers’ rechte Kampfparolen. Aus dem Zillertal das Marianderl (au nee – das waren die 1939er-Grenzen). Mobilphontirilieren ohne Ende. Und nur die Vögelein schweigen im Walde. – Warte nur, balde...


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