backDer mit den
Trommeln tanzt

Trilok Gurtu

Ein unruhiger Geist

Es ist Donnerstag irgendwo in der Nähe von Hamburg und Trilok Gurtu ist ein wenig nervös. Nicht wegen des Interviews, sondern wegen des Kindergeburtstages. Dem ersteren kann er sich relativ einfach stellen, aber ein Kindergeburtstag ist doch etwas anderes, Unvorhersehbares in seinem Verlauf. Deshalb belässt es Trilok Gurtu auch dabei, einige Platten für sie zu spielen und nicht die Vielzahl von Rasseln, Schellen und Trommeln aller Größen auszupacken, mit denen er sonst durch die Lande tourt. „Ich glaube auch, dass man sehr viel Geduld mit Kindern braucht, um sie für Musik zu begeistern“, bekennt er, „und da gibt es andere, bessere als mich. Aber die Freunde meiner Tochter mögen meine neue CD und so habe ich auch schon einige kleine Kinder zur Musik gebracht.“

Von Torsten Bednarz

Tourneedaten Trilok Gurtu

17.03. Darmstadt, Centralstation
19.03. Hamburg, Fabrik
16.03. München, Muffathalle-Café
18.04. Berlin, Tränenpalast
20.04. Karlsruhe, Tollhaus
21.04. Stuttgart, Theaterhaus
22.04. Köln, Stadtgarten

Kontakt: Karsten Jahnke Konzertdirektion
Tel: 0 40/4 14 78 80

Discographie
(in Auszügen)

Trilok Gurtu solo:

1987 Usfret, (CMP)
1990 Living Magic, (CMP)
1993 Crazy Saints, (CMP)
1995 Believe, (CMP)
1996 Bad Habits Die Hard, (CMP)
1997 The Glimpse, (CMP)
1998 Kathak, (ESC Records)
2000 African Fantasy, (ESC Records)

Trilok Gurtu mit:

1977 Charlie Mariano: „October“
1985 Jan Garbarek: „Song for Everyone“
1988 Oregon: „45th Parallel“
1989 John McLaughlin: „Live at the Royal Festival Hall“
1992 Joe Zawinul: „My People“
1993 Boyz II Men: „Cooleyhighharmony“
1993 John McLaughlin: „Compact Jazz“
1993 Jack Bruce, „Somethin' Else“
1995 Jan Garbarek: „Visible World“
1996 Daniel Goyone: „Lueurs Bleues“
1997 Bill Laswell: „City Of Light“
1998 David Torn: „Collection“
1998 Maria Joao: „Cor“
1998 Gilberto Gil: „O Sol de Oslo“
1999 Pharoah Sanders: „Save Our Children“

Musikalisch gilt Trilok Gurtu durchaus als unruhiger Geist, als ein Musiker, der ständig auf der Suche nach neuen Ideen und neuen musikalischen Ansätzen ist, der sich ob verdienter Meriten nicht ständig in die gleiche Schublade stecken lässt. Diese durchaus kreative Ungeduld und Unruhe kann er mit Kindern weniger ausleben – aber auch nicht gerade mit den Erwachsenen. „Mit Erwachsenen und auch mit Musikern in meiner Band bin ich sehr ungeduldig, wenn sie unvorbereitet sind, oder, noch schlimmer, unfähig zu lernen. Da ist Geduld fehl am Platze. Da muss ich meinen Job als Bandleader erfüllen und ihnen knallhart sagen, wo es lang geht. Ich weiß schon, was Geduld bedeutet. Aber, meine Güte, ich bin nicht Gott und darf auch mal die Geduld verlieren!“

Die Percussion sei der Musik gewordene Herzschlag des Menschen, sagte mal ein kluger Kopf. Sicherlich meinte er damit nicht das dumpfe Gedröhne des europäischen Techno, wie er uns an jeder Ampel aus tiefer gelegten Golfs nahezu unausweichlich entgegenschallt. So wie der Herzschlag nicht absolut gleichmäßig ist, so lebt auch der Stil jedes Percussionisten von den kleinen Unregelmäßigkeiten, vom Swing. Alles andere klingt kalt und ohne Seele, obwohl heute schon viele Schlagzeuger und Percussionisten mit den elektronischen Hilfsmitteln arbeiten. Trilok Gurtu lehnt das ab. Er ist im positiven Sinne Traditionalist, obwohl er nicht strikt dagegen ist, wie er betont. Es muss der Musik dienen, betont er, und muss ebenso von Herzen kommen wie der Rest der Musik. „... und eigentlich bin ich überhaupt gegen nichts. Wer bin ich denn, dass ich gegen etwas sein könnte?! Außerdem bereite ich auch den Einsatz von Computern in meiner Band vor, und morgen kommt Nitin Sawhney hier zu mir nach Hause, und er hat bestimmt ein paar Computer im Gepäck.“

Auf dem Weg in die „Dancetempel“

Nitin Sawhney und viele andere namhafte Vertreter des Asian Underground, der neuen Dancesensation zwischen Breakbeats, Technogewittern und klassischer indischer Musik, haben auch endlich vor einigen Jahren Trilok Gurtu entdeckt und reißen sich inzwischen um eine Zusammenarbeit mit ihm. Und obwohl es noch nicht dazu kam, so hört man diesen Ansatz doch stark auf „African Fantasy“. Im Titel „Rhajastahan“ und im folgenden „DJ Didgeridoo“ klingt es beinahe, als hätte sich Joe Zawinul von einem DJ aus dem sogenannten Asian Underground remixen lassen. World-Funk mit jazzigen Einsprengseln, garniert auf einem trance-artigen Beat. Noch ein klein wenig mehr DJ und Trilok Gurtu erobert bald auch die trendigen Dancetempel. Aber auch dieser neuen Herausforderung hat er sich schon längst gestellt. „Überall, wo ich spiele, spiele ich vor jungen Leuten und nicht mehr vor dem alten Jazzpublikum. Davon bin ich zum Glück weg!“, bekennt er. „Meine Songs sind jetzt viel einfacher und ich habe meine Lektion gelernt – mit viel Geduld! Dafür spiele ich jetzt überall auf den größten Festivals: Ich spiele in Glastonbury, Boston, Seattle mit Bands wie den Prodigy, REM, Bob Dylan und Faithless.“

Weltmusik, global Groove, Worldbeat – was heißt das schon. Trilok Gurtu hat alles schon irgendwann einmal gespielt, meistens zehn Jahre vor der „Erfindung“ des Trends, der sich heute immer öfter als Schublade für ein bequemes Ablegen und Wegsortieren von Musik erweist. Wer so lange im Musikgeschäft ist wie Trilok Gurtu, den haut nichts mehr um – außer vielleicht das Musikgeschäft selbst. Trilok Gurtu spielte zwar auf unzähligen Platten, die heute zu den absoluten Klassikern ihrer jeweiligen Genres zählen, er gab Konzerte über Konzerte, aber das Geschäft scheint ihm doch immer noch unvereinbar mit der Musik selbst und mit ihrer Botschaft. „Was bedeutet das schon, dass ich mal mit Joe (Zawinul d.V.) gespielt habe? Deswegen spiele ich angeblich in den Medien und in den Köpfen vieler Deutscher noch immer Jazz. Das heißt doch nur, dass sich diese Leute meine neue Musik nie angehört haben. Aber in den Kreisen des Bussiness und Marketings, da geht es nur darum, wer wie viele Millionen Platten verkauft. Alle suchen nach der Antwort auf die Frage, wie das geht, und heraus kommen vorhersehbare Platten.“

„Ich brauche das Publikum!“

Aber zurück zu den vermeintlichen Trends! „African Fantasy“ klingt erstaunlich poppig. Dies würde man, geht man nur von der musikalischen Gästeliste aus, eher vom Vorgänger „Kathak“ vermuten, auf dem sich Neneh Cherry, Steve Lukather und andere Größen des Pop und Rock ein Stelldichein gaben. Auf „African Fantasy“ heißen die Gäste u.a. Angélique Kidjo, Oumou Sangaré und Sabine Kabongo, eine der Sängerinnen von Zap Mama. Man vermutet mehr Weltmusik bei diesen Namen, als man dann vielleicht hört. Der musikalische Grenzgänger Trilok Gurtu hat uns wieder einmal ein Schnippchen geschlagen. Vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass er sich mit seinen percussiven Wirbeln im Hintergrund hält und Nicolas Fiszman, der auch für den Erfolg von Khadja Nin als Produzent und Musiker verantwortlich zeichnet, das Feld überlässt? Das wehrt Trilok Gurtu heftig ab. „Ich habe auf meiner ersten Platte vor 15 Jahren schon die gleiche Musik gespielt wie heute. Es war nur einfach 15 Jahre zu früh und im Laufe dieser Zeit habe ich es gelernt, meine Songs einfacher zu schreiben und mit ihnen aufs Publikum zuzugehen. Nicht das Publikum braucht mich, ich brauche das Publikum! Deswegen spricht der Jazz heute auch das kleinste Publikum überhaupt an – weil die Musiker nur noch Standards spielen und nichts mehr riskieren. Jazz ist unkreativ geworden, dabei aber viel zu hochgestochen in den Anforderungen ans Publikum. Der Jazz heute ist wie eine Religion und die ganze Entwicklung der sogenannten Weltmusik geht schon in die gleiche Richtung! Oder nimm nur viele aus der Folkmusik, die schon gar nichts mehr mit der restlichen Musik der Welt zu tun haben wollen, nur weil diese anders klingt. Je mehr du dich in deinem musikalischen Gesichtsfeld einengst, desto höher musst du die Latte des Anspruches legen und irgendwann versteht kein Mensch mehr diese Musik.“

Abseits von Marketing und Trendforschung

Das Album ist zwar gespickt mit musikalischen Querverweisen auf den schwarzen Kontinent, es klingt doch aber viel internationaler, als diese geographisch/musikalischen Einordnung vermuten lässt. Er wehrt sich vehement gegen diese Krücken des Marketings und der Trendforscher. Es geht auch nicht darum zu beweisen, wie schnell er auf wie vielen Instrumenten gleichzeitig spielen kann und von welchen hochkarätigen Musikern er dabei unterstützt wird. „Viele, die meine Platten kaufen, haben schon zehn oder zwölf andere Platten von mir gehört, und die werden sich sehr wundern, dass diesmal meine Kompositionen im Vordergrund stehen. Aber viele haben auch bis heute nicht verstanden, dass ein Percussionist überhaupt zehn oder zwölf Platten mit eigenen Kompositionen veröffentlichen kann! Ich habe mich auch nicht auf die hinteren Ränge verkrochen, wie manche Leute meinen, denn es ist meine Musik, die im Vordergrund gespielt wird und die die anderen überhaupt erst zu ‚Mitspielern' macht!“


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