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Ronnie Taheny

Als Autodidaktin aus Australien in die europäischen Konzertsäle

Südaustralien. Das ist der drittgrößte Staat des Kontinents mit rund 1,6 Millionen Menschen auf einer Million Quadratkilometern. Allein 500.000 EinwohnerInnen hat die größte Stadt, Adelaide. Der Rest verteilt sich auf 3.800 Kilometer Sandstrand oder lebt auf der Suche nach Opalen im „Out-Back", in den riesigen Gebieten zwischen den wenigen Städten des Landes. In dem Hafenstädtchen Edithburg auf der Halbinsel Yorke wohnen gerade einmal 190 Menschen. Hier beginnt die Geschichte einer Sängerin und Gitarristin, die mit Crowed House, Fairport Convention, den Neville Brothers, Katherine Tickell und Andrew Strong von den Commitments spielte, bevor sie Ronnie Taheny1997 mit ihren ersten Solo-Auftritten in ihrer australischen Heimat, in England und in Irland in Erscheinung trat. Zwischen Anfang April und Anfang Juni ist Ronnie Taheny nun mit ihrem Solo-CD-Debüt „Briefcase" auf einer langen Tournee in Deutschland unterwegs. Michael Kleff hat mit der Künstlerin gesprochen, die eine Hälfte des Jahres, die sommerliche, in Australien verbringt, und wenn es dort kalt wird, in ihre zweite Heimat, ins irische Dublin zieht, wo dann Sommer ist.

Folker!: Ronnie, Sie sind in Edithburg groß geworden und haben heute dort ein Haus am Strand. Bis zu sechs Meter hoch sind die Wellen des Ozeans. Da liegt mir als alter Fan der Beach Boys natürlich zunächst die Frage auf den Lippen, warum Sie mit der Gitarre und nicht mit dem Surfbrett groß geworden sind.

Ronnie Taheny: Nun, ich bin mit dem Surfbrett groß geworden. Aber ich habe elf Geschwister und wir hatten ein Klavier und zwei Surfbretter. Surfen konnte man immer nur alleine, aber beim Klavierspielen konnten alle mitmachen und das war lustiger. Meine Mutter spielte auf dem Klavier und wir alle, meine Geschwister und meine Freundinnen, wir waren ein großer Chor, sangen dazu. Mit ungefähr sieben Jahren begann ich die Popsongs aus dem Radio auf dem Klavier nachzuspielen und ich setzte alles daran, es so perfekt wie möglich zu machen. Als wir dann die Beach Boys im Radio hörten und „Surfin‘ USA" nachspielten, wurden mir zwei Dinge klar. Erstens: Ich wollte eine Gitarre haben. Und zweitens: An diesem Surfbrett muss mehr dran sein als gedacht. Und du wirst lachen: Ich ging dann zum Strand, unter dem linken Arm das Brett und unter dem rechten die Gitarre, und ich spielte, wenn ich nicht surfen konnte. Heute freue ich mich nach meinen langen Europa-Reisen auf das Meer und seine Wellen sowie einen guten Surf.

Tourneedaten
Ronnie Taheny

Kontakt:
concertbüro cronemeyer
Tel: 04.21/32.38.11

07.04.00 Darmstadt
08.04.00 Lorsch
09.04.00 Reinheim
12.04.00 Groß-Umstadt
13.04.00 Gießen
14.04.00 Seligenstadt
15.04.00 Offenbach
16.04.00 Frankfurt/Main, Musikmesse
28.04.00 Leer
29.04.00 Metzingen
01.05.00 Dreieich
05.05.00 Runding
06.05.00 Delitzsch
07.05.00 Hamburg
09.05.00 Bremen
14.05.00 Dietzenbach
19.05.00 Idar-Oberstein
25.05.00 Hamm
26.05.00 Bielefeld
27.05.00 Bielefeld (WDR Radio 5)
31.05.00 Ansbach
03.06.00 Nürnberg
04.06.00 Nürnberg

Folker!: Sie sind also in gewisser Weise als Autodidaktin vom Strand in die Konzertsäle gekommen?

Ronnie Taheny: Also, ich hatte schon Klavierunterricht. Zuerst bei meiner Mutter, dann bei Nonnen in Adelaide. Die Gitarre aber habe ich mir selbst erobert. Auch, weil ich mich in einer Zeit mir ihr beschäftigt habe, in der meine Freundinnen kein Interesse mehr für Schwimmen und Surfen hatten, denn plötzlich hatten sie Aufregenderes entdeckt: Jungens! Es machte mich einsam auf der einen Seite – unser bisheriges Zuhause war wie ein chaotischer Bahnhof – und auf der anderen Seite hatte ich jetzt richtig Ruhe, um mich ganz dem Instrument zu widmen – ich durfte nur für mich spielen. Das war schön und traurig zugleich. In dieser Zeit, ich war gerade mal zehn Jahre alt, begann auch ein Wunsch in mir zu wachsen: Ich wollte raus, die Welt sehen und dabei Spaß haben und Musik machen.

Folker!: Ein schöner Traum, den viele teilen und wenige umsetzen können. Was hat Ihnen geholfen?

Ronnie Taheny: Ich wusste, was ich wollte. Ich habe meine Schule ordentlich beendet und dann in Adelaide Musik studiert – immer mit dem Ziel, zu reisen und vor Publikum zu spielen. Ich wusste, ich kann diese Idee nur dann umsetzen, wenn ich gut bin. Denn schließlich war mir klar, dass meine Reisen sich nicht von alleine finanzieren würden. Und ich hatte ein großes Problem: Ich war schüchtern. Immer wenn mich jemand beim Spielen beobachtete und kontrollierte, machte ich Fehler. Also suchte ich einen Weg, das zu überwinden. Während meines Studiums spielte ich Tenorsaxophon in einer Band. Ich spielte ziemlich schlecht, aber jeder sah auf den Sänger und ich fühlte mich gut, weil mich niemand beobachtete. Ich habe dann immer geguckt, was macht der Sänger auf der Bühne, wie spricht er mit dem Publikum, wie übertüncht er seine Fehler, wo steckt er seine Schüchternheit hin (wenn er überhaupt schüchtern war).

Folker!: Und Sie haben sich doch auch mal geschickt versteckt, um Bühnenerfahrung zu sammeln?

Ronnie Taheny: Woher wissen Sie das? Aber es stimmt und das war eine interessante Erfahrung für mich. Ich wusste, dass der Chor von Adelaide – ein rein männlich besetzter – ein „Problem" hatte: Er hatte zu wenig hohe männliche Stimmen, zu viele Bässe. Diese Chance habe ich genutzt, habe mein Kleid gegen einen Smoking getauscht und ganz vorne gesungen. Es war eine großartige Zeit für mich, und diese Kerle erzählten Witze, die ich bis dahin noch nicht kannte. Ich habe mich dann irgendwann natürlich geoutet und seitdem sind im Adelaide-Chor endlich auch offiziell Frauen als Sängerinnen erwünscht.

Folker!: Diese gesunde Respektlosigkeit haben Sie sich ja zum Glück bis heute erhalten.

Ronnie Taheny: Ja, wenn etwas pompös und glorreich, heilig oder traditionell daherkommt, dann kannst du dir sicher sein, dass ich nicht bereit bin, es ernst zu nehmen. Ich weiß nicht genau, ob das eine Reaktion darauf ist, dass ich damit aufgewachsen bin, ein Teil des muffigen British Empire zu sein: Ronnie TahenyAber je mehr Missachtung ich für Autorität und undiskutierte Regeln aufbringe, desto glücklicher bin ich normalerweise. Wenn mich meine Mutter früher frech nannte, war in ihren Augen ein fröhliches Blitzen und das hat mich bestärkt. So habe ich meine Sinne für Humor geschärft; ich liebe den irischen Humor; der macht dich fähig, in das Gesicht von Widerwärtigkeiten zu lachen, und davon gibt es leider viel zu viele.

Folker!: Frechheit siegt, sagt irgendein Volksmund. Sie haben alle staatlichen Preise in Australien gewonnen, alle nationalen Festivals haben Sie eingeladen und sogar auf dem großen Festival um den „Grand Prix der Formel 1" sind Sie aufgetreten. Sind Sie jetzt in der Pole-Position der Singer/Songwriterszene?

Ronnie Taheny: Nein, Musik ist für mich kein Wettbewerb um den ersten Platz. Ich liebe die Musik und ich weiß, dass ich die Qualitäten, die ich habe, weiterentwickeln kann. Ich glaube, dass Beharrlichkeit und Entschlossenheit, Hartnäckigkeit und ein großes Selbstvertrauen helfen, den selbstgemachten Plan umzusetzen. Aber ich bin nicht selbstgefällig, ich bin nicht talentierter oder intelligenter als die Person neben mir. Und ich bin auch nicht so dumm zu sehen, wie groß die Chancen für ein Misslingen meines Plans sind. Du musst nicht brillant sein, du musst nur du selbst sein. Ich treffe oft Musiker, die nach einem Konzert zu mir kommen und sagen: „Ich mag deine Stimme und dein Klavierspiel, aber Gitarre spielen kannst du nicht." „Weißt du", sage ich dann, „vielleicht hast du Recht. Aber denk doch mal darüber nach, dass ich momentan durch die Welt touren kann, meinen Traum leben kann und mein Publikum gewinne. Du bist sicherlich ein guter Kritiker und Musiker, aber du hast es noch nicht mal geschafft, in deiner eigenen Stadt einen Gig zu landen." Das bringt sie gewöhnlich aus der Fassung, und dann lachen wir beide. Aber – um noch mal auf den Anfang der Frage zurückzukommen – ich habe nach den großartigen Erfolgen in Australien lange überlegt, wie es wohl weitergehen soll ...


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