backFerner liefen...

genau, wortwörtlich, Herr Kommissar: FERNER LIEFEN. Diese Überschrift und keine andere wurde mir vor kurzem, sagen wir, expropriiert. Mir, dem armen Schwein, der für lau und 'n warmen Händedruck die Glossen im FOLKER! schreibt, rechts neben dem Impressum, nur mit der Taucherbrille zu entziffern oder unter Zuhilfenahme eines Elektronenmikroskops. Schamlos beklaut hat man mich. An einem Montag im Januar. Der dreizehnte. Vom Feuilleton der Süddeutschen. Ist denn gar nichts mehr heilig?

Ich schlage die Frühstückszeitung auf, und was klebt da, in prominenter Lage, links oben über einem fremden Artikel? Meine Schlagzeile. Erst kam's mir in den Sinn, als wär's ein Stück von mir... andererseits verstehe ich doch gar nichts von der Misere des deutschen Gegenwartskinos, stagnierenden Ticketverkauf bei Brösels Werner etc. Aber, bitteschön: allzu weit vom Gegenwartsweltmusikpunkfolk entfernt ist das Lichtspielgenre nach Wim Wenders' Buena Vista Social Club ja nun auch nicht mehr.

Sie sind gar nicht zuständig, Herr Kommissar? Soll das heißen, jeder Strauchdieb darf mich um meinen gerechten Anteil am Wohlleben prellen? Dass die Polizei manches Auge zudrückt, kann ich ja noch verstehen. Hängt wohl mit der inneren Führungskrise zusammen. Ist ja kein Wunder, wo gerade erst Ex-Sheriff Manfred Kanther zurücktreten musste, wegen einiger Milljöhnchen zuviel am Bein („Ende der Treibjagd„). Während das wandelnde Pfälzer Kanzlerdenkmal, dieser Koloss von Bos, sein Ehrenwort unter Korruptis – ein Mann muss tun was ein Mann tun muss – über Gesetz und Verfassung stellt.

Wie bitte? VG Wort? Börsenblatt? Titelschutz hätte ich anmelden sollen? Vielleicht gar das Produkt patentieren lassen? Jede blöde Ratte lässt sich heute umstandslos patentieren, ein Einfall noch lange nicht. Und schon gar nicht seine Urheber/in, ob Schauspielkunst, Literatur, Musik. Im Wittenbergischen hat sich vorvoriges Jahr ein raffinierter Abzocker den ganzen Martin Luther patentieren lassen und Fontane gleich dazu. Wer es wagt, ein Produkt mit Luther oder Fontane im Namen feilzubieten, darf auf Post mit sechs Anwälten im Briefkopf rechnen. In Leipzig zanken sich die Inhaber von Andenkenläden und T-Shirt-Verkaufsrampen vor Gericht um die laut Max Reger schönste aller Notenfolgen, B-A-C-H. Und in Berlin wurde wieder mal ein Club „Voltaire„ gegründet (Glückwunsch, Stefan!), als ob wir das nicht längst schon hatten in Frankfurt, Tübingen, Köln und anderswo...

Andererseits, wie hoch kann bei Namen aus der Kulturgeschichte des Abendlands die „Gestaltungshöhe„ sein, die gemäß Urheberrechtsgesetz Paragraph Sowieso das Erschaffene vom Gemachten und Zusammengefrickelten trennt? Künstler dürfen bekanntlich alles: Suppendosen porträtieren, Micky Maus collagieren, mit Albrecht Dürer signieren, Banknoten farbkopieren – ja, auch das, solange sie nicht in den Verkehr kommen. Dafür gehört das „Image„ von Marlene Dietrich nach einem Gerichtsurteil wieder ihrer Tochter Maria Riva. Und der „gute Name„ der Diva, den die Riva nicht trägt?

Der ist längst wieder aus dem Verkehr gezogen, jedenfalls hierzulande. Ein neulich noch aktueller Theaterschmarren schmäht Marlene auf der Bühne einprägsam-permanent als „Amihure„. Die Dietrich wird als eine von Leni Riefenstahl zum Filmen unter ihrer Regie angetörnte Möchtegern-Narzisse ausgegeben. Wer die Biographien der beiden Damen kennt, weiß, wie verlogen das ist. Die eine drehte nach Triumph des Willens und olympischer Nacktkultur ihre Filme mit KZ-Komparserie, die andere lehnte es zeitlebens ab, sich vom ihrem Fan, dem Führer, ködern zu lassen, blieb im Exil – und entsprechend verhasst in Deutschland, als sie nach dem Krieg hier tourte.

Ganz abgesehen von den unsäglichen Vulgärdialogen des Damen-Dramas, mit viel Spaß an Pipikackisex und -crime. Es muss doch maßlos schwierig sein, kein Drama zu verfassen – zugegeben, das ist nicht von mir, das hat Oscar Blumenthal geschrieben (1852-1917). Die Dramotypistin, derzeit als „Dozentin für Ethik„ an der Humboldt-Uni beschäftigt, demnächst Dramaturgin in Hannover und ganz groß im Rauskommen, hat sich in BILD als „brutalste Schreiberin Deutschlands„ bezeichnet (außer dem Drama sollen zwei Krimis vorliegen). Dabei hat sie nicht mal ihr Pseudonym selber gedichtet. Lyrik nach Auschwitz: „Thea Dorn„ nennt sie sich, und das soll ein Anagramm des von ihr verhassten Theodor W. Adorno sein.

Nikolaus Gatter


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