backDeutscher Folk Förderpreis 1999 (3)

Gesänge der Nacht vom

»Blauen Einhorn«

Die Dresdener Gruppe als 3. Preisträger des DFFP’99 im Gespräch mit Piet Pollack

Der 3. Preis geht, ebenfalls wie der zweite Preis an das Duo Nassler/Schneider, nach Dresden. »Das Blaue Einhorn« besteht seit sieben Jahren, die vier Musiker sind – wie auch die anderen Preisträger – so im Alter von 30 bis 40 Jahren. Mit Geige, Kontrabaß, Gitarre und Akkordeon bieten sie einen kompakten Bandsound. Das CD-Booklet schreibt: »Wie das Tier gleichen Namens, das vor unserer Tür grast und mit seinem Horn Gesänge der Nacht fängt, nimmt die Gruppe Rembetiko und Fado, jiddische Lieder, Klezmer und Musette, Sinti-Swing und Tango, Roma-Klage und Romanze aus den umliegenden Welten in sich auf, um sie auf eigene Weise neu hervorzubringen.«

An diesem Abend war dem »Einhorn«, das mit Straßenmusik Routine gewonnen hat, die Nervosität und Anspannung deutlich anzumerken. Die Hitze, technische Probleme der PA-Crew, ein hastiger Soundcheck genau vor dem Auftritt und die ungeduldige Erwartungshaltung des Publikums hatten wohl dazu beigetragen. Erst nach zwei bis drei Liedern gewann Paul Hoorn, Akkordeonspieler und Motor der Gruppe, die gewohnte Souveränität zurück. Dann wurden die Ansagen und der Gesang lockerer; es zeigte sich, dass da eine gute Live-Band spielt. Erstmals sah ich, wie Trompete und Akkordeon (natürlich nur die Bass-Seite, logo!) gleichzeitig gespielt wurden. Und die absonderlich von Dietrich Zöllner vor den Bauch gebundene Geige ist wohl auf sein Cello-Studium zurückzuführen. Sie brachten vor allem mit ihren Instrumentalstücken das Publikum richtig in Fahrt, so daß der Abend vergnüglich endete. Zurück bleibt das Nachdenken über einen Förderpreis, der vielleicht im nächsten oder übernächsten Jahr anders wird – aber hoffentlich nicht ganz entfällt.

Der Folker! sprach mit dem Einhorn:

Als erstes, wie entstand Euer Gruppenname »Blaues Einhorn«?

Ganz einfach: es gibt ein Lied von Silvio Rodríguez aus Kuba, das erzählt vom Blauen Einhorn, welches mit seinem Horn Gesänge aus der Nacht fängt und sie dem Sänger schenkt. Erstens ist das Lied wunderschön, siehe unsere 2.CD »Vida nocturna«, und zweitens paßt diese Geschichte gut auf uns: Lieder einfangen und wieder verschenken.

Kontakt

E-Mail Das Blaue Einhorn
c/o Andreas Zöllner
Parkstr. 14
01465 Liegau-Augustusbad
Tel/Fax: 0 35 28/44 08 81

Ihr seid als Live-Band bekannt. Wie oft und wo spielt Ihr hauptsächlich?

Wie oft? Erfreulich oft. Wenn wir mal zwei Wochen nicht spielen, empfinden wir es schon als lange Pause. Wo? Überall von Konzerten in Sälen und Kirchen bis zu Hochzeiten zu Hause. Am liebsten spielen wir Konzerte , wo vorn Leute sitzen und zuhören und in der Ecke welche tanzen.

Ist Euer Musikstil mit »Klezmer« zu umschreiben oder braucht man mehr Platz, um ihn zu charakterisieren? Bzw., um es anders zu fragen: Wird aus der Vielzahl der Einflüsse, die Ihr integriert, ein »Eintopf« gerührt oder viel Eigenes mit dazugegeben?

Klezmer ist die beste Art, es kurz und doch falsch zu beschreiben. Das, was das Einhorn ausmacht, ist eine große Vielfalt, die auf eigentümliche Weise gut zusammenpaßt. Die meisten Lieder kommen aus Europa: vom Balkan, aus Rußland oder den Mittelmeerländern. Einen Schwerpunkt bilden Gesänge der Roma und jiddische Lieder. Im Moment entwickelt es sich in Richtung Chanson. Von mir aus kannst Du das gern Eintopf nennen, denn ich esse gern Eintöpfe. Am liebsten welche, deren Rezept niemand kennt, weil selbst der Koch es schon wieder vergessen hat, wenn er fertig ist mit Kochen. Und viel Knoblauch muß drin sein.

Woher nehmt Ihr Euer Musikmaterial und wie wird es für die Gruppe bearbeitet?

Paul Hoorn findet die meisten Lieder, ich glaube, er ist immer und überall auf der Suche. Er schreibt die meisten Noten, und muß am meisten leiden, weil wir die Arrangements immer nur so spielen, wie wir wollen und können.

In Rudolstadt schien mir Paul Hoorn als Motor der Gruppe mit seinen Ansagen, dem Gesang und der Mimik/Gestik zu wirken. Stimmt das und ist das beabsichtigt?

Wohl wahr. Manchmal will er zwar nicht, aber er kommt nicht drumherum. Ich finde es auch normal, dass jede Gruppe bzw. jedes Tier einen Kopf hat. Zweiköpfige Einhörner sind nur sehr selten zu finden. Eins soll mal in Gallien gesehen worden sein.

Im Nachhinein erinnert man sich an eine absonderlich vor den Bauch gebundene Geige und gleichzeitiges Spielen von Akkordeon und Trompete. Pflegt Ihr solche Kuriositäten?

Die Bauchgeige finde ich gar nicht absonderlich. Wenn man richtig hinsieht, merkt man gleich, dass diese Haltung viel entspannter ist als die klassische, bei der man sich unnötig den Arm verdreht. Wer Interesse an dieser Spieltechnik hat, kann sich gerne an Dietrich wenden. Er sucht übrigens Kontakt zu anderen Bauch- und Kniegeigern. Das mit der Trompete machen wir nicht wegen des Show-Effektes, sondern weil es nötig ist und gut klingt.


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