Es gibt durchaus Leute, die Probleme haben, einen ganzen Abend mit traditionellen irischen Melodien durchzuhalten. All jenen sei ein Konzert mit Solas empfohlen. Es ist ausgesprochen erfrischend, mit welcher Unbefangenheit und welchem spielerischen Können zugleich sich diese amerikanisch-irische Formation um den Multi-Instrumentalisten Seamus Egan präsentiert. Das Erfolgsrezept der jungen Band steckt in der musikalischen Philosophie Egans. Puristen sagen, irische Musik ist, was Michael Coleman spielt. Sie übersehen dabei, dass er revolutionär war. Er entwickelte ein völlig neues Verständnis im Umgang mit Traditionen. Das gibt ihm seine heutige Bedeutung. Er war ein Erneuerer. In konstanter Weiterentwicklung steckt die ganze Idee traditioneller Musik.
Von Michael Kleff
Ihre Konzertpremiere hatte die Gruppe Solas im Frühjahr 1996 an der Georgetown-Universität in Washington im Rahmen eines vom Folkloristen und Musikerkollegen Mick Moloney organisierten Auftritts. Solas ist, wie viele andere Bandprojekte von Seamus Egan zuvor, eher das Ergebnis von Zufällen. Der Amerikaner mit Irland-Erfahrung steht im Mittelpunkt des Quartetts, das derzeit auf der Suche nach einer neuen Sängerin ist, nachdem Karan Casey kurz nach der Veröffentlichung des letzten Albums die Gruppe verließ. Das kommt in den besten Familien vor, sagt Seamus Egan. Nicht jeder kann damit umgehen, die meiste Zeit des Jahres auf Tour zu sein. Man muß sich dann einfach entscheiden. Das war schon bei unserem ersten Akkordeonisten John Williams so, der sich in Erwartung von Zwillingen für die Familie entschied und bei Solas ausstieg. Doch auch bei einem Konzert mit der irischen Gastsängerin Shiela O'Leary stellte die amerikanisch-irische Band unter Beweis, warum sie derzeit angesagt ist.
Im Unterschied zu manch anderer experimentierenden Band steht bei Solas der Respekt vor dem musikalischen Material im Mittelpunkt. Kein Song, keine Melodie wird irgendeinem modernen Trend oder einer Technologie geopfert. Ganz im Gegenteil. Die Musik als solche steht bei Solas an erster Stelle. Wenn es überhaupt ein Konzept gibt, erläutert Seamus Egan, dann das, dass wir spielen, was uns gefällt. Das kann ganz traditionell klingen, kann aber auch in die entgegengesetzte Richtung gehen. Die Entscheidung hängt eigentlich von der jeweiligen Situation ab, von der Stimmung, in der wir gerade sind. Niemand von uns hat jemals einen Anlass für eine Grundsatzdiskussion gesehen, in welche Schublade irischer Musik unser Stil zu packen ist. Vielleicht liegt in diesem unbeschwerten und spontanen Ansatz auch das Geheimnis unseres Erfolges.
Solas
Solas, 1996, Shanachie Seamus Egan
Traditional Music Of Ireland, 1986,
Shanachie (Vertrieb in Deutschland über Koch International) |
Seamus Egan räumt ein, dass zum Zuspruch, den Solas mit ihren Platten und Auftritten in den USA erfahren hat, auch die Riverdance-Show beigetragen hat. Riverdance hat gezeigt, dass die irische Kultur etwas zu bieten hat, was man weltweit auf große Bühnen bringen kann und was nicht nur Hinterzimmermusik in einem Pub ist. Man mag einige Aspekte dieser Show kritisieren, doch es ist eine wichtige Facette irischer Musik, betont Egan. Ich muss hinzufügen, dass ein Grund, warum irische Musik nicht nur überlebt hat, sondern geradezu aufblüht in jüngster Zeit, darin liegt, dass sie sich weiterentwickeln kann. Auch wenn es immer wieder Leute gibt, die dann Verrat, Verrat' rufen. Innovation war immer Teil irischer Musik. Dafür steht gerade ein Musiker wie Michael Coleman, den viele als Gralshüter der Tradition sehen. Dabei hat gerade er dauernd etwas verändert. Er hat nie eine Melodie auf dieselbe Art und Weise gespielt. Damit hat Coleman den ersten Schritt für Veränderungen getan. Seine Arbeit war ein Wendepunkt in der Geschichte irischer Musik. Beispiele für die Veränderungsfähigkeit in jüngster Zeit sind Gruppen wie die Bothy Band und Planxty. Auch sie haben deutlich gemacht, dass es keinen Punkt geben kann, wo man sagen kann, bis hierher und nicht weiter. Diese Einstellung, auch wenn sie von manchen Puristen nicht geteilt wird, ist der Grund für das Überleben irischer Musiktradition. Und ich hoffe, dass auch Solas dazu beitragen kann, mit der Tradition in die Zukunft zu gehen.
Die Geschichte von Solas ist vor allem mit der Karriere von Seamus Egan verbunden. Geboren 1971 in Hatboro, in der Nähe von Philadelphia, verbrachte er seine Kindheit in Foxford, in der irischen Grafschaft Mayo, der Heimat der Familie seines Vaters. Es ist eine für ihre Wollprodukte bekannte Stadt. Wahrscheinlich hat sich jeder schon einmal in eine Decke aus Foxford eingerollt, sagt Seamus Egan lachend. Gemeinsam mit seinen beiden Schwestern Siobhan und Rory bekam er dort einmal in der Woche Musikunterricht. Ich war damals gerade einmal sechs oder sieben Jahre alt. Wir wurden von Martin Donaghue unterrichtet, einem an den Rollstuhl gefesselten Knopfakkordeonspieler. Er war ein ziemlich faszinierender Mann, erinnert sich Egan voller Bewunderung. Einen Grund für seinen späteren Erfolg als Musiker sieht der Multi-Instrumentalist in der Tatsache, dass im Haus seiner Eltern kein Fernseher stand. Und doch war es ausgerechnet eine Fernsehsendung, die den entscheidenden Ausschlag gab. Ich war bei einem Nachbarn zu Besuch und sah dort Matt Molloy und James Galway im Fernsehen. Als ich die beiden hörte, hat es irgendwie klick' gemacht bei mir. Ich kam nach Hause und wusste, ich wollte Querflöte spielen. So hat es eigentlich angefangen.
Allerdings war es seinerzeit für ein Kind oder einen Jugendlichen nicht gerade in, sich für traditionelle irische Musik zu interessieren. Ich habe mein Instrument versteckt. Keiner sollte wissen, was ich spiele. Mit einer Tin Whistle war das natürlich auch einfach. Mit dem Banjo wäre das nicht möglich gewesen, lacht Seamus Egan. Doch Spaß beiseite, fügt er hinzu, wenn man die lebendige irische Szene heute sieht, muss damals von vielen Eltern etwas richtig gemacht worden sein. So denke ich auch über die vielen Wettbewerbe, die ihre positiven wie negativen Seiten haben. In gewisser Weise war es der blanke Terror. Man übte tagelang, wochenlang ein Stück, nur um es dann im entscheidenden Augenblick in den Sand zu setzen. Auf der anderen Seite hast du als junger Musiker jedoch ein Ziel vor Augen und wirst dadurch angetrieben, schlicht Spieltechnik zu lernen. Und Seamus Egan beherrschte die Technik schnell und wurde ein Meister mit der Flute, der irischen Holzquerflöte, und der Tin Whistle. Noch bevor er im Alter von 12 Jahren mit seinen Eltern in die USA zurückkehrte, hinterließ er erste nachhaltige musikalischen Spuren bei mehreren Fleadh-Festivals und All-Ireland-Wettbewerben.
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Mehr über Solas im Folker! 1/2000