Es gibt nur drei weiße Bluessänger. Geoff Muldaur steht für mindestens zwei von ihnen. So beschreibt Richard Thompson die Qualitäten eines Musikers, der jetzt nach fast 20 Jahren Pause wieder eine eigene Platte veröffentlicht hat. Muldaurs Karriere begann als Sänger und Gitarrist der Jim Kweskin Jug Band. Er war Mitglied von Paul Butterfields Better Days und veröffentlichte zwei LPs mit seiner damaligen Frau Maria. Bevor er 1981 dann bis heute von der Musikszene verschwand, war er noch als Duo mit Amos Garrett und auf einigen Soloalben zu hören. Mit The Secret Handshake hat sich Geoff Muldaur nun nachhaltig zurückgemeldet.
Von Michael Kleff
Geoff Muldaur will eigentlich überhaupt nicht zurückblicken. Er baut darauf, dass seine besten Zeiten noch vor ihm liegen. Ein erster Schritt auf diesem Weg sei The Secret Handshake Und die Kritiker geben ihm darin Recht. Die New York Times feierte die CD mit ihrer Mischung aus Blues, Ragtime und Folk sowie einem Hauch von Be-Bop als tanzbaren und eklektischen Folk-Pop und als ein Beispiel, das abseits aller modischen Trends zeige, dass Folkmusik frischer klingen kann als viele Titel der aktuellen Top 40. Geoff Muldaur gibt sich selbst bescheidener. The Secret Handshake, mit einigen Eigenkompositionen sowie eigenwilligen Interpretationen von Songs aus der Feder u.a. von Leadbelly und Sleepy John Estes, sei keine großartige, aber eine sehr gute CD. Die positive Resonanz beim Publikum führt der Amerikaner darauf zurück, dass die Leute geradezu nach ehrlicher Musik hungern. Offensichtlich gibt es doch noch Menschen, die so etwas anhören wollen.
Soloalben:
The Secret Handshake HighTone mit der Jim Kweskin Jug Band:
Jim Kweskin & The Jug Band
Vanguard mit Maria Muldaur:
Pottery Pie Warner Bros./Reprise mit Paul Butterfields Better Days:
Better Days Warner
Bros./Bearsville mit Amos Garrett:
Geoff Muldaur & Amos Garrett
Flying Fish |
In den fast zwei Jahrzehnten, die zwischen The Secret Handshake und seinem letzten Album (I Ain't Drunk) vergangen sind, verdiente Geoff Muldaur seinen Lebensunterhalt u.a. als Geschäftsführer von John Boyds Label Carthage/Hannibal (u.a. Richard Thompson, Bert Jansch, Martin Carthy). Wirtschaftlich war er in dieser Zeit am erfolgreichsten als Software-Programmierer (!!!) in der Stahlverarbeitung von Autozubehörteilen. Sieben Jahre lang pendelte er für diesen Job zwischen Kalifornien und Detroit hin und her. So habe ich meine Kinder durchs College gebracht. Und ich habe es überlebt!, meint Geoff Muldaur zu diesem Lebensabschnitt, in dem er wegen erheblichen Drogenmissbrauchs gleich mehrere Male gestorben sei. Doch selbst in dieser Phase hatte er sich nicht völlig von der Musik verabschiedet. Ich habe mich mehr und mehr mit der Kunst des Schreibens und Komponierens beschäftigt. Musik für Dokumentarfilme und für Werbe-Jingles zählen u.a. zu den hörbaren Ergebnissen dieser Schaffensperiode. Dazu kommen Alben von The Borneo Horns und Richard Greene, bei denen Geoff Muldaur als Produzent zeichnet. Auch live konnte man ihn immer wieder mal erleben. So z.B. bei einem Reunion-Konzert der Kweskin Jug Band (ohne Jim Kweskin) 1985 beim Wiederaufleben des legendären Newport Folk Festivals nach dessen 15jähriger Zwangspause.
Ein gewisser innerer Zwang und einige seiner Freunde brachten ihn 1998 zurück ins Studio. Du hast immer noch eine Wahnsinnsstimme. Mit den anderen Sachen vergeudest du nur deine Zeit. Mit diesen Argumenten überzeugten sie den Musiker. Mit The Secret Handshake' bin jetzt dahin zurückgekehrt, wo ich einmal angefangen habe, sagt Geoff Muldaur und erinnert sich daran, wie er schon als kleines Kind in der 78er-Plattensammlung seines älteren Bruders Charlie herumwühlte und dabei zunächst den Jazz entdeckte. Stundenlang hörte er sich Louis Armstrong und Bessie Smith an. Als Jugendlicher stieß er dann bei der Suche nach Jazzplatten auf den Countryblues und machte die Bekanntschaft mit der Musik von Leadbelly, Son House und Blind Willie Johnson. In jenen Jahren begann er auch, selber zur Gitarre zu greifen. Geboren in Pelham, einer kleinen Stadt im Norden von New York City, zog Geoff Muldaur 1961 nach Boston, um dort zu studieren. Doch daraus wurde nicht viel. Stattdessen tauchte er in die Folkszene von Cambridge ein, die damals in voller Blüte stand. Ich dachte, ich sei gestorben und in den Himmel gekommen. Mit diesen Worten beschreibt Geoff Muldaur seine ersten Eindrücke von Konzerten im legendären Club 47 am Harvard Square. Dennoch packte der noch-Student und noch-nicht-Musiker schon nach wenigen Wochen wieder seine Koffer und ging für ein knappes Jahr nach New Orleans. Dort hatte er in einer Bar in der Rampart Street seinen ersten öffentlichen Auftritt. Für mich völlig überraschend, hörten die Leute mir tatsächlich zu.
Muldaurs erstes Album, Sleepy Man Blues, entstand nach seiner Rückkehr nach Boston/Cambridge mit der Unterstützung von Eric von Schmidt, Dave Van Ronk und Fritz Richmond. Seine eigentliche musikalische Karriere begann kurz danach mit der Jim Kweskin Jug Band, in der neben Kweskin, Richmond, Mel Lyman und Bill Keith auch Maria D'Amato mitwirkte. Die ehemalige Sängerin der Eve Dozen Jug Band wurde wenig später seine Frau. Die Kweskin Jug Band gehörte mit zu den erfolgreichsten Gruppen, die aus der Folkszene in Cambridge der frühen 60er Jahre hervorgingen. Die Ursachen für den Erfolg sieht Geoff Muldaur u.a. in dem unkonventionellen Auftreten der Band zu einer Zeit, wo andere Gruppen wie die Charles River Valley Boys oder das Kingston Trio noch steif und uniformiert aufspielten. Wir kamen auf die Bühne und veranstalteten eine Party, erinnert sich Geoff Muldaur lachend. So schnell wie der Erfolg kam jedoch auch das Ende der Kweskin Jug Band, als der Mundharmonikaspieler Mel Lyman eine kultähnliche Kommune ins Leben rief, der sich auch Jim Kweskin anschloss. Nach dem Auseinanderbrechen der Band veröffentlichten Geoff und Maria Muldaur zwei erfolgreiche Alben als Duo. U.a. mit Bill Keith, Amos Garrett, dem Mothers-Of-Invention-Schlagzeuger Bill Mundi und Stu Bronfman von Kaleidoscope, der heute Mitglied von Brave Old World ist.
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