Er hat den elektronischen Dudelsack erfunden und gilt dennoch nicht als Totengräber der asturischen Folkszene. In Spanien ist José Angel Hevia Velasco, kurz Hevia, bereits ein Star, jetzt will er auch bei uns bekannt werden. In Stuttgart fand sein erstes Deutschland-Konzert statt. Tierra de nadie (Niemandsland) heißt die Platte, mit der er 1998 in Spanien den Durchbruch schaffte. Immerhin 600 000 mal verkaufte sich sein Gaita-Pop in einem Jahr. Seit April ist die CD auch in Deutschland erhältlich. Die Hitsingle Busindre Reel läuft bereits des öfteren im Radio, richtig angesagt ist Hevia in Deutschland aber noch nicht. Kein Wunder, wer kennt in Deutschland überhaupt Asturien, wer weiß schon, dass es dort auch eine ziemlich lebendige Dudelsack-Tradition gibt?
Von Christian Rath
Asturien ist eine kleine und gebirgige Küstenregion an der nordspanischen Atlantikküste. Im Westen Asturiens liegt die ebenfalls autonome Region Galicien, mit der enge kulturelle Beziehungen bestehen. Gemeinsam hat man sich in den 80er-Jahren in den Kreis der keltischen Nationen eingereiht und ist seitdem neben Irland, Schottland, Wales, Cornwall, der Insel Man sowie der Bretagne mit Künstlern beim Festival Interceltique in der Bretagne vertreten.
Wie das mit den Kelten in Nordspanien genau war, weiß heute eigentlich niemand. Auch sprechen weder Galicier noch Asturier eine alte keltische Sprache. Das Asturische gilt als spanischer Dialekt, während die galicische Sprache dem Portugiesischen ähnelt. Auch die Dudelsack-orientierte Musikkultur der Dudelsack wird hier Gaita genannt ist nur scheinbar ein Indiz für keltische Wurzeln. Tatsächlich ist der Dudelsack in ganz Europa verbreitet gewesen, auch wenn er heute vor allem mit Schottland und Irland assoziiert wird. Manche spotten, dass die nordspanischen Regionen vor allem durch das frische atlantische Klima mit den anderen keltischen Nationen verbunden seien.
Im Mittelpunkt der inter-keltischen Verbindung steht aber eher eine politische Gemeinsamkeit. Wie die anderen keltischen Nationen sind auch Asturien und Galicien Randgebiete, die sich gegen die kulturelle Hegemonie einer starken Zentralmacht wenden mussten. Zur Zeit der Franco-Diktatur waren die Regionalkulturen gegängelt, nicht zuletzt weil Asturien im spanischen Bürgerkrieg ein Zentrum der Republikaner gewesen war. Andalusischer Flamenco und Stierkampf wurden unter Franco dagegen zum nationalen Standard erklärt.
Dass sich die Gaita in Asturien überhaupt halten konnte, führt Hevia auf eine Ironie der Geschichte zurück: Im 18. Jahrhundert hat ein Bischof verboten, in der Kirche Dudelsack zu spielen. Als daraufhin aber niemand mehr in die Kirche ging, wurde die Gaita wieder zugelassen und so quasi zum kirchlichen Instrument, das auch während der Franco-Zeit geschützt war.
Dennoch gab es 1975, bei Francos Tod, in ganz Asturien nur noch rund 20 bis 25 Gaita-Spieler, allesamt alte Männer. Dank des nun auch in Spanien einsetzenden Folk-Booms stieg die Zahl der Spieler schnell auf heute rund 3000 an. Auch der zehnjährige José Angel Hevia begann 1977 mit Gaita-Unterricht. Dreißig Kilometer musste er jedes Mal fahren, um zu seinem Lehrer zu gelangen. Später sollte Hevia selbst maßgeblich zum Aufschwung der Gaita in Asturien beitragen.
Ab 1985 gab Hevia selbst Unterricht und wirkte im Rat der Dudelsackspieler mit, der sich im Umfeld der Universität von Oviedo gebildet hat. Es entstanden sogenannte Bandas, in denen jeweils mehr als 20 Gaitas zusammenspielten. Wie die bretonischen Bagads orientierten sich diese Bandas am Vorbild der schottischen Pipebands. Während sie von Traditionalisten zuerst abgelehnt wurden, sind sie heute allgemein akzeptiert. Von den derzeit bestehenden 35 Bandas hat Hevia immerhin fünf selbst gegründet und geleitet.
Mit Freunden bildete er 1986 auch die erste asturische Folkgruppe, die eine Gaita einsetzte. Früher war der asturische Dudelsack ein Solo-Instrument gewesen. Die typische asturische Tanzbegleitung war ein Gaita-Duo mit einem Trommler. Damit die Gaita überhaupt mit anderen Instrumenten wie Akkordeon oder Flöte zusammenspielen konnte, musste sie erst an die temperierte Tonleiter angepasst werden. Fortan begann Hevia, in Zusammenarbeit mit Instrumentenbauern, ständig an seinen Gaitas herumzubasteln und zu experimentieren.
Vorläufiger Endpunkt dieser Tüftelei war die Entwicklung eines elektronischen Dudelsacks. Durch dessen Spielpfeife fließt keine Luft mehr, Hevia kann sich also Lungenarbeit sparen. Die Griffe funktionieren wie beim klassischen Dudelsack, nur dass die Löcher mit kleinen Lichtmessern ausgestattet sind. So erkennt der angeschlossene Computer, welche Note gerade gegriffen wird und kann den passenden Ton erzeugen. Zuerst ging es mir nur darum, leise spielen zu können, damit meine Nachbarn beim Üben nicht mehr gestört werden.
Aber wenn schon der Computer den Sound produziert, dann ist der Schritt nicht mehr weit, mit dem elektronischen Dudelsack auch den Klang anderer Instrumente zu erzeugen. Hevia spielt dabei zwar die normalen Griffe des Dudelsacks, zu hören ist aber ein Saxophon oder eine Gitarre. Auch schottische und irische Dudelsack-Sounds kann er erzeugen, ohne das Instrument zu wechseln. Selbst ein Dreiklang von Dudelsack, Flöte und Violine kann so mit nur einem Instrument produziert werden.
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