Wie in jedem Folker gibt es auch diesmal wieder drei CDs, die aus der Masse herausragen:
Bhutan | JIGME DRUKPA |
![]() |
Basken/Kelten | KEPA JUNKERA |
![]() |
USA | WOODY GUTHRIE |
![]() |
Endless Songs From Bhutan
(Grappa Musikforlag HCD 7143)
17 Tracks, 55:26; ausführl. engl. Infos und
Textübersetzungen
Menschen, die aus beruflichen oder urlaubenden
Gründen häufig rund um den Globus jetten, kennen das: Kollegen,
Freunde, Verwandte fragen nach, ob man ihnen `ne CD mit typisch (Adjektiv
des Reiselandes einsetzen) Musik mitbringen könne. Klar, heißt
es, kein Thema, wird gemacht, und dann rennt der arme Reisende die halbe
Zeit von einem Bazaar zum nächsten Supermarkt und kommt dann mit einer
jaulenden Kassette voll Touristenfolklore und dem lokalen CD-Bootleg irgendeines
Pop-Bestsellers zurück. Währenddessen haben die daheimgebliebenen
Sesselpupser ihre CD mit original (Adjektiv, s.o.) Musik längst bei
»pipapo-Records« bestellt und ergötzen sich am exotischen
Klang. Fazit: Die sicherste Methode für einen Einwohner der EU,
Tonträger mit authentischer Volksmusik aus fernen Ländern zu ergattern,
ist daheim zu bleiben!!
Mit Musik aus Bhutan, jenem kleinen Königreich, das als unfreiwillige
Pufferzone zwischen den Riesen China und Indien liegt, ist es nicht anders.
Wer jemals dorthin reiste, in der Hoffnung, ein paar musikalische Erinnerungen
per Tonträger mit nach Hause zu nehmen, mußte diesen Wunsch schnell
ad acta legen. Doch selbst im Komplettsortiment hiesiger Spezialisten findet
sich zu diesem Thema oftmals lediglich eine komplette Lücke.
In diese Bresche sprang jetzt die norwegische Firma mit dem italienischen
Schnapsnamen, indem sie das Debutalbum des 30-jährigen Jigme Drukpa
veröffentlicht hat. Der im Trashigang-Distrikt geborene Drukpa singt
und spielt neben der Längsflöte `dong lim', der Querflöte
`zur lim' und der Bambus-Maultrommel `kong-tha' auch noch die 6saitige (kein
Scherz!) Laute `dra-nyen', die es in dieser Form nur in Bhutan gibt, und
schlußendlich das `yangchin', die einheimische Variante des
Hackbretts.
Wie in fast allen asiatischen Ländern üblich, so wird auch die
Musik Bhutans in die religiöse und weltliche Abteilung aufgeteilt, wobei
die weltliche Abteilung nochmals in die `authentische' (zhung-dra) und die
`vom Nachbarn Tibet beeinflußte' (b-dra) Volksmusik unterteilt wird.
Drukpa singt und spielt die 16 Stücke vorzugsweise in diesen beiden
Stilen, die sich in der Phrasierung des Gesangs voneinander unterscheiden
und somit auch für Menschen, die hier völliges Neuland betreten,
gut einzuordnen und zu bestimmen sind. Und wer sich angesichts der rauhen
Schönheit dieser Musik außerdem noch die Frage stellen sollte,
woher die Schöpfer dieser Kompositionen wohl ihre Inspiration bezogen
haben mögen, der findet auf einem 40sekündigen `hidden track' ein
paar akustische Impressionen aus den Bergwelten Bhutans.
Walter Bast
Bilboa, 00:00h
(Resistencia RESCD 065)
2 CDs; 23 Tracks, 110:13, mit Texten und Infos in baskisch/spanisch/engl./franz.
Es war in Rudolstadt 1991 auf dem ersten Tanz- und Folkfest, als ich den damals 26jährigen Kepa Junkera das erste Mal erleben durfte und ich kann mich noch gut daran erinnern, wie fasziniert ich von der Geschwindigkeit und Rhythmik seines (diatonischen) Akkordeonspiels war. Seine LPs/CDs (die erste erschien 1988) waren ob ihrer Mischung aus Tradition, Rock und Jazz bereits vor Jahren mehr als nur interessant. In der Zwischenzeit hat er jede Herausforderung angenommen, die in sein musikalisches Blickfeld geriet, 1997 z.B. führte er seine Kompositionen mit dem Bilbao Symphony Orchestra auf. Die aktuelle Doppel-CD allerdings sprengt in mehrerer Hinsicht den Rahmen einer »normalen« Veröffentlichung.
Was das Personal betrifft, wird scheinbar ein Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde angestrebt. Eine beliebige Liste soll als Beispiel dienen: Alasdair Fraser, Béla Fleck, Carlos Núñez, Hedningarna, La Bottine Souriante, Liam O'Flynn, Máirtín O'Connor, Paddy Moloney oder Phil Cunnigham, und das ist bei weitem noch nicht die Hälfte. Die beteiligten Künstler wären für ein hochkarätiges Festival ausreichend, und dennoch ist eine Ansammlung von Superstars keine Garantie für gute Musik. Für Kepa Junkera kein Problem. Es ist atemberaubend, wie er den unterschiedlichen Musikern Melodien jeweils im angedeuteten eigenen Idiom quasi auf den Leib komponiert. Dabei kommt seine eigene Tradition nicht zu kurz. Seine lebhaften baskischen Melodien erinnern mich immer an die Augsburger Puppenkiste (das ist positiv gemeint und wahrscheinlich in einem meiner Kindheitstraumen begründet). Besonders beeindruckend sind etliche funktionierende musikalische Grenzüberschreitungen wie »Fali-Faly«, wo sich das Baskenland, Galicien, Irland, Quebec, Schottland, Madagaskar und wahrscheinlich noch eine weitere handvoll Länder treffen. Heraus kommt jedoch kein Kulturmatsch, sondern eine höchst ohrwurmartige Klangkaskade.
Diese Musik wird nur noch übertroffen von einer CD-Ausstattung, die ihresgleichen sucht. Ein über 140 Seiten dickes Hardcover-Buch im CD-Format mit Texten und Infos in diversen Sprachen und zusätzlich mit künstlerisch ebenso erfreulichen wie informativen Fotos. Ein Meisterwerk für Augen und Ohren.
Mike Kamp
Bezug:
Resistencia
San Isidro Labrador 19
E-28005 Madrid
Hard travelin' The Asch Recordings, Vol.3
(Smithsoman Folkways SF CD 401102)
27 Tracks; 76:02, mit 38seitiger ausführlicher Dokumentation
Woody Guthrie, Folksänger, Poet, Schriftsteller
und Philosoph, war eine der Hauptantriebsfedern des Urban Folk Song Revivals
in den USA der 40er und 50er Jahren. Für viele Musikhistoriker ist die
populäre Musikkultur in der heutigen Form ohne seinen Einfluß
nicht denkbar. Guthrie gilt als Hauptinspirator Bob Dylans (»l was a
Woody Guthrie jukebox«), der wiederum die Beatles und Generationen
nachfolgender Künstler schwer beeindruckte... Auch Musiker wie Pil Ochs,
Bruce Springsteen, John Mellencamp und als jüngstes Beispiel
Billy Bragg & Wilco,
Folker 4/98 wurden direkt oder indirekt
von Woody Guthrie
beeinflußt. Wer sich näher mit diesem Phänomen Guthrie
auseinandersetzen möchte, kommt an der auf vier CDs ausgelegten Kompilation
nicht vorbei, die eine Auswahl der zwischen 1944 und 1949 aufgenommenen ca.
300 Songs bietet, die der All American Troubadour für Moses (Moe) Asch
und sein legendäres Plattenlabel Folkways einspielte. Das Folkways-Archiv
ging 1987 in den Besitz des Smithsonian Institutes in Washington über.
Der dortige Chefarchivar Jeff Place hat gemeinsam mit dem Musikwissensschaftier
und intimen Guthrie-Kenner Guy Logsdon die Aufnahmen ausgewählt und
thematisch zusammengefaßt. Vol. 1, »This Land Is Your Land«
enthält Guthrie-Originale zu verschiedenen Songthemen wie Kinderlieder,
Lieder über Krieg und Frieden, die Dust Bowl-Migranten und den Westen.
Vol. 2, »Muleskinner Blues«, enthält einen geringerem Anteil
eigener Schöpfungen und reflektiert eher die große Anzahl
traditioneller Lieder, Gospel- und Country Songs, die Guthrie im Repertoire
hatte.
Viele der Aufnahmen wurden im Duett mit Cisco Houston eingespielt, aber auch andere musikalische Weggefährten Guthries wie Pete Seeger, Sonny Terry kommen zu Gehör. Vol. 3, »Hard travelin'» enthält wiederum kreativ adaptierte (aus traditionellen Liedern entstandene) Songs, deren Melodien Guthrie aus aktuellem Anlaß mit eigenen Texten versah, an seine persönliche Philosophie und den gerade zu kommentierenden Tagesereignissen anpaßte. Teilweise machte Guthrie damit songs unsterblich, Originalfassungen vermultlich längst vergessen wären. So nahm er bspw. die Melodie von »Billy The Kid« für eines seiner schönsten und bekanntesten Lieder: »So long, it's been good to know you« ist in der alternmativen WW 11-Version auf der vorliegenden CD enthalten, die außerdem noch einige weitere der bekanntesten Guthrie-Songs bietet, z.B. das anrührende Klagelied »1913 Massacre«, der Kinderliedklasisker »Howdjadoo« oder die Dust Bowl-Ballade »Vigilante Man« sowie das spöttische »Ladies Auxiliary« für die Frauen der Gewerkschaftsbewegung. Vol. 4 der Serie wird wiederum mehr traditionelles Material enthalten. Natürlich ist die Klangqualität »historisch«. Die Aufnahmen wurden jedoch, wenn möglich, von den original Azetat- oder Schellack-Masterplatten überspielt oder von den analogen LP-Produktionsmastern übernommen, wobei in der Klangnachbearbeitung der (oft »kratzige«) Sound zwar mit modernster Technik verbessert und restauriert wurde, dies jedoch nicht um jeden Preis. Bestimmte Störgeräusche können nur auf Kosten einer Eliminierung hoher Frequenzen beseitigt werden in diesem Falle wurde auf eine solche fragwürdige Nachbesserung verzichtet. In erster Linie ging es darum, die Aufnahmen vor dem Verfall zu retten, ehe sich die empfindliche Oberfläche der Masterplatten auflöst. Jeff Place hat von dem kompletten Guthrie-Material Sicherungs- und Referenzkopien erstellt und damit einen unschätzbaren Beitrag geleistet, die historischen Aufnahmen für die Nachwelt zu erhalten.
Ulrich Joosten