back Mit Gitarre, Charme und ohne Melone

--> Show Of Hands

Die unbekannten englischen Stars vom Land

von Thorsten Bednarz

Lokaltermin bei einer Berliner Radiostation. Es dauert keine 20 Sekunden, und die Moderatorin sitzt im ersten Fettnapf: "Heute haben wir wieder Studiogäste, die irische Band Show Of Hands!" Steve Knightley und Phil Beer, die beiden Musiker, sehen erst etwas erstaunt aus, plötzlich nach Irland verfrachtet zu werden, und erklären dann zum x-ten Mal, daß nicht jeder, der sich eines akustischen Instrumentariums bedient und englisch singt, auch nahezu zwangsläufig Ire sei.

"Das gute an der irischen Musik", erklärt Steve "ist doch, daß sie mit einer bestimmten Überzeugung, Schnelligkeit und Direktheit gespielt wird. Das Problem der englischen Folkmusik dagegen liegt darin, daß sie oft abgehoben ist, in vielen komplizierten Stimmungen der Instrumente gespielt wird und dann meist auch sehr langsam. Sie ist gewissermaßen intellektualisiert. Wir wollen eher die irische Herangehensweise in unserer Musik haben."

Ob das dann allerdings auch in einem irischen Pub funktionieren würde, haben die beiden noch nicht ausprobiert. Dabei haben sie einschlägige Erfahrungen gesammelt, begann ihre Karriere doch in einer Vielzahl von (englischen) Pubs im Westen Englands, wo das Gras noch grün ist, die Industrie sich noch nicht breit gemacht hat und so auch die Strukturen der eher ländlichen Folkmusik Englands noch intakt sind. Show Of Hands sind ein Unikum in der britischen Folkszene.

Sie sehen sich in der direkten Folge derer, die am Ende des vergangenen und Anfang dieses Jahrhunderts über die Dörfer zogen und "die letzten traditionellen Lieder" aufzeichneten. Diese Tradition des Storytelling in der Musik, so meinen Steve und Phil, ging seitdem verloren und sie seien die ersten, die genau an diesem Punkt wieder ansetzten. "Was passierte denn in den 60er und 70er Jahren in all den englischen Folkbands? Sie nahmen die alten Stücke und spielten sie in Rock'n'Roll-Manier. Es wurden kaum neue Stücke geschrieben. Fairport Convention sind das beste Beispiel dafür. Nachdem Richard Thompson die Band verlassen hatte, passierte nichts neues mehr!" Wie ja auch in der ganzen Szene im Reiche der Queen. Das "Neue" sucht die Querverbindung zu anderen Kulturen oder unterlegt Jigs und Reels mit blubbernden Beats, um ein gewisses Gefühl von Leichenfledderei zu kaschieren. Steve Knightley und Phil Beer wissen, wovon sie reden.

Phil spielte lange mit der Albion Band, bevor er sich mit Steve zu Show Of Hands zusammentat. Außerdem ist er ein gesuchter Studiomusiker, den selbst die Stones für ihr "Steel Wheels"-Album engagierten. Steve dagegen studierte Politik und Geschichte in Coventry, bevor er sechs Jahre lang in London dem Ruhm eines Popstars hinterherlief. Als er einsah, wie vergänglich der ist, zog es ihn nach Dorset, wo er als Lehrer unterrichtete. Nebenbei gab er auch Gitarrenstunden, womit sich der Kreis zum Popgeschäft wieder schließt, war doch eine gewisse Polly Jean Harvey, inzwischen besser bekannt als PJ Harvey, damals eine seiner Schülerinnen.


Mehr über Show Of Hands im Folker! 4/98