back

NOTEN OHNE QUOTEN –

Eine Stimme für das deutschsprachige Lied

von Martin Steiner

Wohl noch nie seit Einführung der „Noten ohne Quoten“ lagen für eine Ausgabe mehr Alben von Frauen als von Männern vor. Trotz so aktiven Künstlerinnen wie der Schweizerin DODO HUG . Ihr neues Werk heißt Kreis (Zytglogge ZYT 4600, www.zytglogge.ch, 13 Tracks, 54:08, mit Texten) . Kreis steht für den Lebens-, Natur- und Kulturkreislauf. Das Album ist nicht nur optisch – mit einem Booklet voller keltischer Ornamente – eine runde Sache geworden. Seine Schöpferin überzeugt auch textlich und musikalisch. Wie immer begnügt sich Dodo Hug nicht mit dem Gesang in Schweizer Mundart und Hochdeutsch. Dieses Mal sorgen Sardisch, Romanisch und Englisch gesungene Lieder für Abwechslung. Die seit Jahren eingespielte Crew, unter der musikalischen Leitung ihres Ehemanns und Gitarristen Efisio Contini, sorgt für eine wunderschön entspannte Begleitung mit Tiefgang. Stärker am Zeitgeist orientiert sich die in Österreich lebende Bernerin CHRISTINA ZURBRÜGG mit Jetzt (Gams Records GR 222-2/Extraplatte, www.extraplatte.com, 14 Tracks, 51:17, mit Texten) . Ihren geschichteten Chören stellt sie elektronische Loops, Drum-Maschinen und akustische Instrumente gegenüber. Auch sie singt ihre Slam-Poetry in Berner Mundart, deutscher Hochsprache, Englisch und Französisch. Das tönt manchmal spannend, wirkt aber oft aufgesetzt und atemlos. Elektronische Musik kann auch anders: NACHTLÜX, Nach Norden (Traumton Records 4524-2/Indigo, www.indigo.de, 12 Tracks, 55:16, mit Texten) , das sind die Sängerin Isa W. Frey und der Soundtüftler Venezian. Sie strahlen mit ihrer Musik eine dunkle Ruhe aus, die fasziniert. BARTH-ROEMER brauchen auf Gewöhn dich dran (Dog & Bone Records, www.dogandbone-records.de, 11 Tracks, 36:30, mit Texten) nur eine Stimme und eine Gitarre – jawohl, das Duo hat den Blues! Gitarrist Philipp Roemer sorgt mit sparsam eingesetzten Tönen für Spannung. Astrid Barth singt dazu mit einer leicht kehligen Stimme, die sofort in den Bann zieht. Die Frau könnte alles singen, man würde ihr immer zuhören. Dem Bossa Nova verfallen ist DOTA nicht erst mit Schall und Schatten (Kleingeld-Prinzessin Records/Broken Silence, www.brokensilence.biz, 10 Tracks, 33:53, mit Texten) . Für die aktuelle Produktion hat sie sich ins Land ihres Lieblingsrhythmus’ begeben und alle Lieder mit brasilianischen Saiten- und Perkussionscracks in São Paulo eingespielt. Schall und Schatten ist ein ruhiges, sehr persönliches und poetisches Album geworden. Die Brasilianer legen die von ihnen erwartete Lockerheit und eine wohltuende Zurückhaltung an den Tag, in einem Stück singt Dota Kehr akzentfrei in brasilianischem Portugiesisch und im von Chico César geschriebenen Hit „À Primeira Vista“ duettiert sie mit dem Meister persönlich. Ein kleiner, feiner Traum ist wahr geworden! Mit TRAUDEL KERN, Vorne O und hinne Ach – Pfälzer Chansons (Musikverlag CKM 115, www.musikverlag-burger.de, 14 Tracks, 49:03, mit Texten) kehren wir zum Mundartlied zurück. Die Sängerin wirbt für mehr Toleranz, singt über Alltagsthemen und in „Vorne O und hinne Ach“ über ihre Geburtsstadt – „des isch Offebach“. Begleitet wird sie von einer Vielzahl von Studiomusikern, die ihr ein Soundkleid verpassen, das französische Chansons vor vierzig Jahren trugen. Wie dieses Album wohl tönen würde, wenn sie der oben erwähnte Philipp Roemer produziert hätte? Wohltuend unverkrampft textet das Duo POSITANO auf Über dieser Stadt (Katze Platten KP-038, www.katzeplatten.de, 15 Tracks, 46:53) . Ob man Texte wie „Sie sind mir alle in den Arsch gekrochen“ lustig findet – weil Zeitungen mit den Konterfeis von Merkel & Co. für das fehlende Toilettenpapier herhalten mussten – bleibt dahingestellt. Die Jungs packen jedoch eine Menge Sarkasmus in ihre Ohrwürmer, die herrlich entspannt daherkommen. Und wer wissen will, was es mit dem Wort Positano auf sich hat, höre das Liebeslied „Sympathisch“. Eine sympathische Sache. Ernst meint es HEINZ RUDOLF KUNZE mit seinem Album Protest (Ariola/Sony BMG, www.sonybmg.de, 15 Tracks, 57:30, mit Texten) . Liest man sein Beiheft wird klar, der Mann kann texten. Nur schade, dass er seine Lieder in überproduzierten Pop-Mainstream packt. Am besten funktioniert Kunze, wo er abrockt, wie etwa in „Astronaut in Bagdad“. Ein bekennender Liebhaber sägender Gitarren ist auch die SALLI SALLMANN BAND . Auf Zu viel Verwirrung hier (DuDu Records 1001/Schimmelpfennig & Friends, www.salli-sallmann.de, 14 Tracks, 65:58, mit Texten) tönt sie echt und rau. Die Verwirrung der Gefühle nimmt man dem Autor, Maler und Sänger mit der Reibeisenstimme Sallmann ab. Da gibt es eine Menge zu entdecken. Dylan-Fans finden zwei eigenständige Übertragungen ins Deutsche von „All Along The Watchtower“ und „Foot Of Pride“. Das fast neun Minuten lange „Fuß aus Stolz“ ist allein schon die Anschaffung wert. Keine Zugeständnisse ans Massenpublikum machen SMOKY TEXAS auf Hamburg – Berlin (Plattenbau/Jump up 018, www.jump-up.de, 9 Tracks, 40:52, mit Texten) . Ihre Mischung aus Ska, Punk, Rock und Asphalt-Country ist grundsolide. Sie singen über Verlierer, die mit ihrer Hände Arbeit ihr weniges Geld verdienen. Das wirkt glaubwürdig. Nach all der angestauten Wut, den Zweifeln und der Verzweiflung zum Schluss noch etwas Sonnenschein und folkige Töne: Der Österreicher FLORIAN KARGL taucht in Freischwimma (LiMuPic013, www.limupic.com, 13 Tracks, 44:42) in seine Gefühle ein. Statt sich zu entlieben schafft es der Mann, sich zu verlieben. Er schöpft „aus dem Strom, gegen den wir schwimmen, die Kraft weiterzumachen“. Nur schade, dass zum vollständigen Verständnis der Lieder die Texte fehlen.

 

DODO HUG – Kreis

CHRISTINA ZURBRÜGG – Jetzt

NACHTLÜX – Nach Norden

DOTA – Schall und Schatten

TRAUDEL KERN – Vorne O und hinne Ach – Pfälzer Chansons

POSITANO – Über dieser Stadt

HEINZ RUDOLF KUNZE – Protest

SALLI SALLMANN BAND – Zu viel Verwirrung hier

SMOKY TEXAS – Hamburg

FLORIAN KARGL – Freischwimma


zurück


Home


vor


Valid HTML 4.01!

Dies hier ist ein Artikels der Print-Ausgabe!
Die kannst Du preiswert testen mit dem Schnupper-Abo!

Deutschsprachiges Lied
im Folker! 3/2009