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Noten ohne Quoten

Eine Stimme für das deutschsprachige Lied

von Nikolaus Gatter

Weshalb sie sich von der anderen Queen-Bee-Hälfte getrennt hat, erklärt Edda Schnittgard mit Barbie reloaded - Das Ziel ist im Weg (wwww.roofmusic.de, Roof/Indigo 2733307, 20 Tracks, 68:18). Die Wuchtbrumme mit eher konvexkonkaver Barbie-Taille röhrt, rotzt und rollt Songs u. a. von Pigor/Eichhorn, Betancor und sich selber; in schwächelnden Momenten macht sie auf Nina Hagen. Ihre Credits danken einer verfolgten Minderheit: der Deutschen Bahn! - Zierlicher, aber durchaus energisch kämpft sich Kori Ullmann durch Geschichten einer Liebe (www.kori-ullmann.de, Froschkönig/United One Records U1CD-2043-2, 12 Tracks, 49:38, mit Texten), mal barfuß im Regen, mal afrikanisch behext oder einem Kartoffelchips reichenden Partygast verfallen, aber gut. - Eigentlich ist Ina Müller Weiblich Ledig 40 (www.inamueller.de, Sony/BMG 858697015942, 12 Tracks, 45:43, mit Texten) und außerdem Photomodell im CD-Beiheft. Aber Vorsicht, Männer: Erst lässt sie sich das „Bye, bye Arschgeweih“ wegätzen, um sich anschließend über Flipflops an strumpflosem Herrengebein zu mokieren. - Trixi G, Lebenstrip (www.trixi-g.de, Zippi Records ZIRE 050506, 10 Tracks, 46:02, mit Texten), bringt erwachsene, leicht halbweltliche Räucherware (im Beiheftphoto posiert sie mit Filterfluppe), dazu Akustikrock mit einem guten Schuss Woodstock, und zwar aus der exquisiten Crosby-Stills-Nash-Pulle („Das Paar“). - Nach den Damen die Herren: Torsten Maxara, Immer die Gleichen (wwww.laurarecords.de, 13 Tracks, 61:08, mit Texten), ließ sich ein wunderschönes Heftchen gestalten für die vierte Soloproduktion, doch seine Singstimme benötigt noch allerhand Training, um den Liedern (gesprochen noch am erträglichsten) und der flotten Combo gerecht zu werden. - „Alle Menschen sind Brüder”, „Vorwärts, nicht zurück“ etc., für Die Zimmermänner auf Fortpflanzungssupermarkt (www.whatssofunnyabout.de, Zickzack/Indigo ZZ 2018, 14 Tracks, mit Texten) parodible Parolen, die in „nicht zu ficken fällt nicht schwer, nichts zu parken um so mehr“ ihre würdige Entsprechung finden. Die Alben der Gebr. Blunck & Diedrichsen erzielen angeblich „auf Internetauktionen hohe Preise“; das dritte erschien nach 23 Jahren, einer „schrieb den Text 1985 in der Uni-Mensa“ (man merkt’s ihm an). In „Tief“ zählen die spätpub-vertierten, halbgaren Zyniker sämtliche Namen ihrer Exen herunter. - Schwieriges hat sich Jörg Erb mit Zwölf (www.acousticland.de, rondo tonträger 01, 16 Tracks, 60:24) vorgenommen, wenn er die Kruste des Schweigens aufbricht, die seine Kindheit traumatisierte. Er singt zu annehmbarer Akustikgitarre und professioneller Bluesharp, liest gänsehauterregend aus Kriegstagebüchern seines Vaters, der im Dezember 1944 mit 17 zur Waffen-SS kam und an der Hinrichtung eines Deserteurs teilnahm, und widmet diesem eine eindrucksvolle Ballade („Bredas Grab“). - Ein Gutes hat das Max-Raabe-Revival gehabt. Auf dem Umweg über die Parodie sucht z. B. das Erik Busch Terzett auf Zauber der Erotik (wwww.reptiphon.de, Reptiphon/Satyr SAT 1014-2, 11 Tracks, 34:14, mit Texten) gepflegte Schlagerästhetik wiederzubeleben: Die Synkopen des einstigen „Don Accordeone“ der Element-of-Crime-Gang sind schnipsfest, seine Vokalsätze pünktlich getimt. Intoniert das „Aktionsbündnis gegen jugendverherrlichende Rockmusik“ dann noch Vopo-Kinderpropaganda, wird’s richtig glasnostalgisch. - Den Traditionsballon des Salonchanson lassen Jana Lady Lou & Katharina Litschauer auf Schenk mir Tränenglück (www.janaladylou.de, 11 Tracks, 37:54) steigen: Bemannt mit Mackeben, Holländer, Weill und Konsorten. Sympathisch, mit schöner klassizistischer Melodik und ohne künstlich-verlebten Qualm-und-Whisky-Brauntöner singen sie Altes und eigene, reichlich maulhängcholischen Balladen wie „Geh einkaufen, mein Schatz“ und „Schenk mir Tränenglück“. - Nun ein paar Combos: Mathilda, M wie Mord (www.plaene-records.de, pläne 88942, 14 Tracks, 58:34, mit Texten), serviert mit martialischen Ketchupflecken, Sadopoesietexten und Credits von der Skandaldramennudel Thea Dorn swingende Lebenshilfe („Mathilda macht nicht alles erträglicher, aber vieles schöner“). - Wenzel/Menschings Nachfolge tritt Der Singende Tresen an: Clowns im Regen (www.raumer-records.de, RR 16807, 13 Tracks, 57:13, mit Texten); nicht nur mit der molltönigen Clownsmetapher, auch mit Dadaismen und Brechtigem, das von Manja Präkels in artifiziell-manieristischem Berlinisch vorgetragen wird. - Auf individuelleren Pfaden wandelt Stellmäcke, Lieder vom Verschwinden (www.solomimo.net, 14 Tracks, 54:20, Texte in Auswahl), ein geistreicher Metaphoriker wie Wenzel (mit Konzertina, Konzertgitarre und Klowns-Maquillage), aber auch von Hellerscher Indolenz („Der Neunundzwanzigste“) und Kramerscher Sensibilität („Meine Schuhe“). Nicht mehr lange Geheimtipp! - Das Volksliedrevival, dem wir uns abschließend widmen, treibt merkwürdige Blüten. Schlimmer als die Wildecker Herzbuam verkitscht, verquast, versaubeutelt Evelyn Fischer Die Gedanken sind frei (www.evelyn-fischer.com, Universal/Koch 06025 1707417 [0], 11 Tracks, 35:33, mit Texten) und mehr. Sie lässt beim Simsalabim des Kuckucksliedes hektische Chorusline-Girls respondieren; dazu gestopfte Trompeten, verhallende Streicher und nach „Innsbruck, ich muss dich lassen“ noch (wie zum Hohn) sekundenlang der Flashback zum vierstimmigen Satz von Heinrich Isaac. - In ähnlich verzweifelt akrobatischer Manier strapaziert die erfreulich stimmstarke Sarah Kaiser auf Geistesgegenwart (www.sarahkaiser.de, Gerth Medien 939 641, 13 Tracks, 63: 27, mit Texten) Volks- und Kirchenlieder mit Jazzphrasierungen und allerlei elektronischen Mätzchen. Neumark war kein Neutöner, Gerhardt schrieb keine Gospels und Spee nicht für Spex. - Da lob ich mir Andreas Sittmann, Der Spielmann (www.andreas-sittmann.de, edition stammhaus, ASRR 0107, 22 Tracks, 64:47, Texte in Auswahl), der seine Stadtführungen durch Trier mit einem Programm (wieder mit Spee) von Liedern und Gedichten anreichert, letztere mit der wundervollen, schaurig-schönen Profistimme von Jörg Löw intoniert. Heimelige Arrangements für Gitarre, Drehleier & Co., ein folkig-flockiges Repertoire in guter alter Liedermachertradition und dazu unverächtliches Eigenes.

Als Promotional Copy eingetroffen:
Kitty Hoff und Forêt-Noire, Blick ins Tal (www.kittyhoff.de, EMI/Virgin 3831442, 14 Tracks, 53:28

 

Edda Schnittgard - Barbie reloaded

Kori Ullmann - Geschichten einer Liebe

Ina Müller - Weiblich Ledig 40

Trixi G - Lebenstrip

Torsten Maxara - Immer die Gleichen

Die Zimmermänner - Fortpflanzungssupermarkt

Jörg Erb - Zwölf

Erik Busch Terzett - Zauber der Erotik

Jana Lady Lou & Katharina Litschauer - Schenk mir Tränenglück

Mathilda - M wie Mord

Der Singende Tresen - Clowns im Regen

Stellmäcke - Lieder vom Verschwinden

Evelyn Fischer - Die Gedanken sind frei

Sarah Kaiser - Geistesgegenwart

Andreas Sittmann - Der Spielmann


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Deutschsprachiges Lied
im Folker! 3/2007