(Auswahl)
Big Country |
Es ist sicherlich ein für diese Zeitschrift eher ungewöhnlicher Ansatz: sich einer Region musikalisch auf der Basis von Reiseerlebnissen zu nähern. Wobei es hier aber nicht so sehr um die Darstellung traditioneller oder populärer Musik und deren Entwicklung im schottischen Hochland und auf den diesem vorgelagerten Inseln gehen soll. In Form eines (teilweise fiktiven) Reiseberichtes stehen zwar musikalische, vor allem aber auch historisch-gesellschaftliche sowie landschaftliche Eindrücke und Assoziationen im Vordergrund, die die besuchten Stationen der Reise beim Autor wecken. Entdecken wir also Schottland, die Highlands und die damit verbundene Musik einmal mit den Augen (und Ohren) des Reisenden ...
Von Stefan Backes
... nach knapp zweistündigem Flug landen wir sicher in Prestwick, jener Stadt, die die Ryanair für ihre Flüge kurzerhand zu einem Vorort Glasgows erklärt hat, obwohl sie gut 50 km südlich Schottlands größter Metropole liegt. Wir besteigen deshalb den Zug, der uns zunächst also Glasgow entgegenbringt, und sind dankbar: Das Flugticket ermöglicht uns die Bahnfahrt vom Flughafen bis zu einem beliebigen Punkt in Schottland (und von dort aus wieder zurück) zum halben Preis. Damit schaffen wir es preiswert gleich bis Oban.
Air sgiath a’ seòladh nan neòil |
Im Abteil sitzt uns ein etwa 14 Jahre altes Mädchen gegenüber, den Discman auf den Ohren - wohl kaum Folk oder traditionelle Musik; vermutlich HipHop, R ’n’ B, eher Texas als Shooglenifty. Sieht aus, als sei sie auf dem Weg zur Schule und in ihre Hausaufgaben vertieft. Mein Blick erhascht etwas von 1603, Union of the Crowns, James I ... Geschichte. „Schottische“ Geschichte. Das Jahr der Personalunion zwischen England und Schottland, dem gut hundert Jahre später die Realunion folgte - für viele (romantisch-nationalistische) Schotten noch heute der Anfang vom Ende. Ehe ich meine Gedanken vertiefen kann, erreichen wir Glasgow Central Station.
„The Dear Green Place“, wie Battlefield Bands Alan Reid eines seiner Lieder nach Daniel Defoes Beschreibung der Stadt Anfang des 18. Jahrhunderts betitelte, empfängt uns eher mit Beton und Stahl: modern, stylish, verbaut. Mit ein Grund, weshalb wir uns dieses Mal hier nicht lange aufhalten - schnell weiter, nach Westen, nach Norden in die Highlands!
Nach kurzem Fußmarsch zur Queen Street Station verlassen wir den „Moloch“ in nordwestlicher Richtung und sehen bald schon Autoaufkleber der Marke „Keep Scotland tidy - throw your rubbish to England!“. Scheint doch was dran zu sein an der militanten Anti-England-Einstellung. Gerade erst hörte ich eine Meldung im Radio, dass sie einem in Schottland lebenden Engländer, der es wagte, während der Fußball-WM 2006 eine Englandflagge aus dem Fenster zu hängen, die Scheibe einwarfen ...
Doch zur Musik. Wir passieren die „bonnie banks“, Loch Lomond, Großbritanniens größten Binnensee, vermutlich unsterblich gemacht in Runrigs hymnischer Livefassung des alten Volksliedes mit jakobitischem Hintergrund, das am Ende keines ihrer Auftritte fehlen darf. An diesen Gestaden kam es 1991 zu einem für schottische Verhältnisse gigantischen Konzertereignis, als die Band dort vor mehr als 50.000 Menschen auftrat (Vergleichbares wird anlässlich Highland 2007 am Loch Ness wiederholt werden ...).
Hier beginnt nun auch „optisch“ das Hochland. So thront Ben Lomond majestätisch über dem See, und diese Strecke fuhren denn wohl auch Calum Macdonald und sein Bruder Rory, wenn es Anfang der 70er in den Sommerferien vom Studium in Glasgow nach Hause in Richtung Isle of Skye ging, wo dann die Run-Rig Dance Band auf den Tanzböden der Insel die Menge zum Toben brachte. Neben der Inspiration, mit „Loch Lomond“ eines der wenigen traditionellen Stücke ins Programm aufzunehmen, das die Band spielt, entstanden während der langen Fahrt auch Songs wie „Going Home“ (Once In A Lifetime, 1988).
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