back Rezensionen Asien


BAGHDAD ENSEMBLE
Music From Mesopotamia

(PAN Records 209/Kultur ohne Grenzen e. V.)
8 Tracks, 59:03, mit engl. Infos

Natürlich wissen wir so gut wie nichts über die Musik des antiken Zweistromlandes zwischen Euphrat und Tigris, so, wie wir allgemein wenig gesicherte Erkenntnisse über die Musik der Völker aus vorchristlicher Zeit haben. Sicher, es gibt Skulpturen, Mosaiken, Malereien auf Vasen und Töpfen oder in Stein gehauene Abbildungen von Instrumenten und Musikern. Es gibt sogar Fragmente einer Notenschrift, aber wie das damals geklungen haben mag, weiß kein Mensch. Das gibt kreativen Musikern Raum für phantasievolles Spiel. Aufbauend auf den gesicherten Traditionen (denn so etwa ab dem Mittelalter beginnen die Erkenntnisse über die Klänge auf diesem Planeten den Bereich des Spekulativen zu verlassen ...) können sie musikalische Zeitreisen in beide Richtungen unternehmen. Genau das macht das Ensemble Baghdad des irakischen Oudvirtuosen Raed Khoshaba. Einerseits transferiert es die traditionellen Stücke auf virtuose Weise in die Neuzeit, andererseits scheint es Teile des neukomponierten Materials geradewegs in die Vergangenheit zurückzusenden. Neben der Kurzhalslaute Oud hören wir dabei noch die Kastenzither Santur (Kassim Mohammed), die viersaitige Spießgeige Djoze (Bassem Hawar) und ein Percussiontrio aus der Felltrommel Tabla, der Rahmentrommel Bendir und dem Tamburin Riqq, alles gespielt von Abdel Ali Djasouli. Alles in allem also: Eine bemerkenswerte CD voll faszinierender Musik.

Walter Bast

 

BAGHDAD ENSEMBLE - Music From Mesopotamia


ABIDIN ENSEMBLE
A Tribute To The Poetry Of Nazim Hikmet

(Magda MGD 052)
10 Tracks, 43:47, mit Infos (hebr.) und Texten (engl./hebr.)

Nazim Hikmet gilt heute als der bekannteste türkische Lyriker innerhalb und außerhalb des Landes. 1902 in Saloniki geboren, war er zunächst Anhänger des türkischen Nationalismus, wandte sich aber rasch davon ab, als er dessen blutige Auswirkungen erkannte. Ab 1921 studierte Hikmet drei Jahre in Moskau, wo er von Wladimir Majakowskij entscheidend beeinflusst wurde und sich schließlich zum Kommunismus bekannte. Nach seiner Rückkehr in die Türkei wurden seine Werke alsbald verboten und wurde in der Folge 15 Jahre inhaftiert. Nach internationalen Protesten und seiner darauffolgenden Freilassung ging Hikmet 1950 zurück in die Sowjetunion, wo er 1963 verstarb. Das israelische Abidin Ensemble, gegründet 2001 in Jerusalem und bestehend aus Victoria Serruya (Vokal), Yaghi Malka (Cello), Ehud Gerlich (Bass) und Oren Fried (Perkussion), vertonte nun die Gedichte Hikmets zur Musik des türkischen Komponisten Erdem Buri (1923-1993), wobei die Texte in der türkischen Sprache beibehalten wurden. Nur zwei Stücke erhielten einen ins Hebräische übersetzten Text, nämlich die von Malka selbst komponierten. Leider schien man übersehen zu haben, die türkischen Originaltexte dem CD-Beiheft mitzugeben, hier sollten die Übersetzungen ins Englische und Hebräische wohl genügen.

Matti Goldschmidt

 

ABIDIN ENSEMBLE - A Tribute To The Poetry Of Nazim Hikmet


AKI & KUNIMO
Over The Top

(Acoustic Music Records 319.1368.2/Rough Trade)
9 Tracks, 51:32

Der Pressetext spricht hier wieder einmal von „abstraktem Neutönertum“ - welch „kantige“ Formulierung ... Wie auch immer; die beiden japanischen Künstler entfachen erneut ein akustisches Feuerwerk, das aus den verschiedensten Quellen gespeist wird und speziell in seiner Expressivität, in intensiven Unisonostrukturen durchaus an große Momente musikalischer Fusionsgipfeltreffen erinnert. Während sich Aki an akustischer Gitarre einmal mehr quasi als Akustikrocker zeigt, der virtuos vielfältigste Muster entwickelt, webt Kotovirtuosin Kuniko mit ihrem Instrument Strukturen hinein, die von traditionellen Elementen ebenso geprägt sind wie von rockigen, jazzigen Explosionen. Dass dabei Einflüsse moderner amerikanischer oder europäischer Musik ebenso präsent sind, ist fast unerheblich, denn hier vollzieht sich eine Tour de Force, die kompakt wie ein Sturm über den Hörer fegt, der ganz urplötzlich für einen Augenblick atmosphärisch verhallt, um im nächsten Moment wieder mit Energie und Vollkommenheit zur nächsten Eruption anzusetzen. Als Gäste dabei sind Yuu Imafuku (Taiko) und Sachio Suginuma (Shakuhachi), mit dessen Unterstützung die Tonalität heftig durchgerüttelt wird. In vier Livemitschnitten und fünf Studioaufnahmen und den kongenialen Gästen vollzieht sich hier ein Tanz der Elemente, der diesmal glücklicherweise länger ausgefallen ist als bei der Vorgänger-CD.

Steffen Basho-Junghans

 

YUVAL RON ENSEMBLE
Tree Of Life

(Magda MGD 051)
10 Tracks, 66:23, mit engl. Kurzinfos

Das ist das zweite Album, das Yuval Ron (Oud, Saz, Sintirbass) mit seinem bereits 1999 gegründeten Ensemble veröffentlicht. Nach Under The Olive Tree (s.. Folker! 05/2004) nun der „Lebensbaum“ - Ron bleibt also seinem Motiv des Baumes treu. Fast unglaublich, aus welchen Regionen Ron, übrigens ein Absolvent des Berklee College of Music (1989), musikalisch schöpft: Abgesehen von seinem Heimatland Israel wären Marokko, die Türkei, der Irak und Armenien zu erwähnen, nicht zu vergessen die Regionen Andalusien (Spanien) und Bukhara (Uzbekistan). Entsprechend wird nicht nur in hebräischer Sprache gesungen, sondern auch auf Arabisch, Türkisch und in Ladino (die Sprache der Juden auf der iberischen Halbinsel bis 1492). Wie anders könnte man „Weltmusik“ definieren? Wenn obendrein Traditionelles mit zeitgenössischen Weltmusikstilrichtungen fusioniert wird ... Immer noch dabei im Ensemble sind: Maya Haddi sowie Najwa Gibran, die mit ihren Stimmen den Liedern den nötigen Schliff geben. Außerdem Jamie Papsih und David Martinelle (beide Percussion), Carolyne Aycaguer-Ron (Keyboards) sowie Virginie Alumyan (Kanun). Neu hinzu kam Yegish Manukyan (Klarinette, Flöte u. a.). Obwohl alle Musiker aus Israel stammen, wurde das Album komplett in Los Angeles produziert. Auch das CD-Beiheft enthält kein einziges Wort auf Hebräisch, sieht man vom Albumtitel in Kleinbuchstaben ab. Hier soll wohl der internationale Markt unter Umgehung Israels angesprochen werden.

Matti Goldschmidt

 

YUVAL RON ENSEMBLE - Tree Of Life


DIVERSE
Gamelan Of Central Java Vol. VI: Kratori Surakarta

(Dunya Records/Felmay fy 8103/Just Records)
3 Tracks, 62:44, mit engl. Infos

Gamelan Of Central Java Vol. VII: Edge Of Tradition

(Dunya Records/Felmay fy 8104/Just Records)
5 Tracks, 59:28, mit engl. Infos

Spuren indonesischer Gamelanmusik finden aufmerksame Zuhörer in zahlreichen westlichen Musikstilen: Debussys, Ravels und Brittens Kompositionen sind voll davon, in John Coltranes Saxophon- und Robert Fripps Gitarrenimprovisationen sind sie ebenso enthalten wie in Klaus Schulzes Synthesizersequenzen, Brian Enos Soundscapes und Stephan Micus’ imaginären Volksmusiken. Und in Steve Reichs Frühwerk sowieso. Ganz zu schweigen von Klangtüftlern wie Harry Partch, Jon Hassell oder Lou Harrison, die sich explizit mit dieser hochkomplexen Musik auseinander gesetzt haben. Seit ein paar Jahren dokumentiert der Produzent und Toningenieur John Noise Manis den derzeitigen Stand der Originale. In seiner Edition, die der Gamelanmusik Zentraljavas gewidmet ist, sind jetzt die Volumina 6 und 7 erschienen. Während sich auf Vol. 7 Beispiele aus den Grenzbereichen der Tradition hin zur Moderne befinden, leistete sich der Produzent auf Vol. 6 einen langgehegten Wunsch: Im Mai 2004 ließ er die beiden Stücke seiner, 1963 von der Firma Philips veröffentlichten, Lieblings-LP Songs And Sound The World Around - Gamelan Music From Java auf demselben Gamelan (= variable Anzahl Bronzegongs in unterschiedlichen Tonhöhen) erneut einspielen. In Ermangelung des Originalvinyls muss ich auf einen Vergleich verzichten, kann diese beiden CDs aber - wie die gesamte Edition - nur bedingungslos weiterempfehlen.

Walter Bast

 
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