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DIVERSE
Leben ist Poesie: Dass es noch möglich ist ...

(Eigenverlag/Conträr 125)
4CDs, 42 Tracks, 222:44, mit Infos

Das Künstlervölkchen versteht zu feiern; dass Feste Kunstwerke sind, wusste man an Fürstenhöfen und in den Ateliers der Bohème. Im Dezember 2004 beteiligten sich über 50 Kollegen/-innen an der Gala für Schmeckenbechers Theaterhausgäste. Wer nicht unter den 1.200 Gratulanten war und bereit ist, für dreieinhalb Stunden deutschsprachiger Livemusik zwei blaue Scheine hinzulegen, darf mitfeiern. Zwar wurde die Zupfgeigenhälfte nicht ergänzt, doch der Gastgeber muss ein Genie der Freundschaft und ein begnadetes Organisationstalent sein; das Defilee der ohne Gage Auftretenden von Auvray, Black und Conrads bis Wader, Wecker, Wenzel zu buchstabieren, reicht der Platz nicht. In der schwierigsten aller Künste brillierte Pit Klein, der die bunten Fäden zusammenhielt, einfühlsame Biogramme folgen ließ, Zusammenhänge herstellte und dem poetischen Feuerwerk eine witzige Rahmenhandlung gab. Zwei Höhepunkte seien genannt: Bömmes’ Bellman-Vertonung und Barbara Thalheims unübertreffliches Rezitativ in „Barfuß gehen“. „Und wer einen Fehler sucht, der wird ihn mit Sicherheit auch finden“, droht Schmeckenbecher, der sich mit Presse, Funk und Fernsehen gern auf Kriegsfuß stellt, seinen Kritikern: „Er darf ihn dann behalten.“ Na gut. Dass die Zwergenschrift in Ochsengallenrot auf schwarzem Hintergrund (und umgekehrt) unentzifferbar ist, dass der Hit von Bernie’s Autobahn Band nicht „Die Art wie sich mich gängelt“ heißt u. a. m. behalte ich dann eben für mich.

Nikolaus Gatter

 

DIVERSE - Leben ist Poesie: Dass es noch möglich ist ...


SCHANDMAUL
Kunststück

(Faun Recordings / Edel)
15 Tracks, 73:59, mit Infos

Produktionen mit Orchestern haben immer einen besonderen Reiz, aber auch Risiken, weil sich die Songs doch stark verändern. Manchmal gewinnen sie auch eine völlig anders geartete Faszination, wie bei Jethro Tull, Haggard oder Grönemeyer. Und nun Schandmaul, noch dazu live aus dem legendären Zirkus-Krone-Bau in München. Den steilen Aufstieg dieser Truppe habe ich mit besonderen Interesse verfolgt - seit meinem Interview mit ihnen nach dem Gewinn des Folkförderpreises 2000 (Porträt s. Folker! 05/2000). In fünf Jahren vom Insidertipp bis in die erste Liga: Zurzeit sind sie mit 175.000 verkauften CDs wohl eine der erfolgreichsten Mittelalter-Folkrockbands. Eingespielt haben sie nun rein akustisch unter Begleitung des Puchheimer Jugendkammerorchesters die Hits ihrer bisherigen Alben, dazu zwei neue Songs („Der Clown“, „Bin unterwegs“). Es sind verspielte Arrangements in eher klassischer Ausrichtung, die den Songs viel an Druck und Power nehmen. Das Orchester unter Leitung von Peter Michielsen füllt nicht nur die Hintergrundflächen, sondern setzt eigene Akzente. Die Aufnahmen sind klar, sodass Soloinstrumente und der Gesang sehr gut zu verstehen sind. Trotzdem ist die Live-Intensität deutlich zu spüren. Bei den letzten zwei ruhigen Songs ist allerdings die Spannung irgendwie raus. Die Fans werden sich bei der Beurteilung dieses Werks deutlich scheiden: Der Abstand zum gewohnten Sound mit E-Gitarren und Partystimmung ist doch sehr groß. Für mich allerdings ein Album mit ganz besonderem Flair, dass ich mir immer wieder anhören werde.

Piet Pollack

 

SCHANDMAUL - Kunststück


DHALIA’S LANE
Hollymount

(Eigenverlag www.dhalia.de)
13 Tracks, 54:18 mit engl., franz. Texten + wenigen engl. Infos

Die CD beginnt mit Trommeln, Triangel und Flöten, denen sich nach vorweg geschicktem Bordun und einer den Schwung unnötig nehmenden Pause eine Gaita hinzugesellt, und alle zusammen spielen einen galizischen Tanz mit irischem Namen (dem der CD) aus der Feder von Rainer Burgmer, der außer besagter galizischer Sackpfeife auch die bretonische Version, eine Cornamuse sowie Flöten, Whistles, Rauschpfeife und Klarinette spielt. Zusammen mit Bergo Ibrahim (Djembe, Darbouka, Bodhrán, Roland HPD 15, Small Percussion), Helen Mannert (Ex-Paddy Goes To Holyhead; Fiddle, Mandoline, Akkordeon), Berk Demiray (Hauptsänger, Gitarre, Saz, „Paradies-Avalon“ Midi Guitar System) und Gastsängerin Diana Hübner bildet er die nordbadische Gruppe Dhalia’s Lane, die auf dieser Scheibe Tänze und Lieder entweder aus Galizien, der Bretagne, Irland und Schottland oder Eigenkompositionen im Stile dieser Länder anbietet, wobei ein Stück des ägyptischen Percussionisten eher arabisch anmutet und das eine oder andere auf jeden Mittelaltermarkt passen würde. In dieser zumeist fröhlich gespielten Mischung mit melancholischen Balladen zwischendurch ist die CD für die Kelten-, die Mittelalter- und die Bordun-Folkszene und teilweise auch für Jazzfreunde gleichermaßen zu empfehlen.

Michael A. Schmiedel

 

DHALIA’S LANE - Hollymount


RICHARD BARGEL
Mojo And The Wolf

(Bluesical Records BR10503)
12 Tracks, 70:55, mit Texten und Infos

A True Blues Story, so ist Richard Bargels Werk zum 35-jährigen Bühnenjubiläum untertitelt. Ein Soloalbum durch und durch ist es geworden: Richard Bargel singt, spielt Slidegitarre und Dobro, hat alle Texte und Arrangements selbst geschrieben und an der Produktion, dem Mix und dem Bookletlayout maßgeblich mitgewirkt. Anhand einer Liebesgeschichte zwischen der Tänzerin Mojo und dem Wolf reflektiert Bargel einen Teil seines Lebens und offenbart dabei ganz erstaunliche Fähigkeiten als erzählender Akustikblueser. In den Sümpfen Louisianas spielt die Geschichte, und das Stück „Mississippi Waters“ lässt da so einiges von der trägen Schwüle dieser verwunschen wirkenden Landschaft erahnen - doch trotz der Hitze gefriert mit „Love Is A Terrible Thing“ das Herz. Ebenso wie mit „House Of Pain“, in dem Richard Bargel von den Schrecken seiner Alkoholkrankheit erzählt. Diese allerdings ist überwunden, und die Befreiung von ihr wird mit „Yes It’s Me“ in Form eines Jazz-Begräbnisses - auf dem Hinweg langsam und gemessen, auf dem Rückweg tanzend und feiernd - geschildert. Jedes der individuellen Stücke fügt sich in den Bogen der erzählten Geschichte ein; sei es „Batu! Batu!“, tief in afrikanischen Wurzeln verhaftet, oder der Slow Blues „Dark Star“, der wahrlich „real slow“ ist. Die Musik ist keineswegs leichte Kost und nichts zum „entspannt nebenher laufen lassen“. Richard Bargel spielt und singt sehr emotional und kraftvoll, legt weniger Wert auf technische Finesse als auf Ausdruck - ein würdiges Werk zum 35-Jährigen eines Bluesmans.

Achim Hennes

 

RICHARD BARGEL - Mojo And The Wolf


HEINZ STRUNK
Trittschall im Kriechkeller - Aus dem Leben des Jürgen Dose

(Trikont/Indigo US -0339)
29 Tracks, 59:06, mit Infos

Wer ist bitteschön Heinz Strunk? Mit bürgerlichem Namen heißt er Mathias Halfpape und ist als Autor, Musiker, Darsteller und Moderator in der Vergangenheit (erfolgreich) tätig gewesen. Ein Multitalent also, der zudem mit einem sehr eigenen Humor ausgestattet ist. Und wer ist Jürgen Dose? Angeblich hat Heinz Strunk in den 90ern in Hamburg im selben Haus gewohnt wie Jürgen Dose und dessen bettlägeriger Mutter. Er ist ein verklemmter junger Mann, der früh zur Arbeit fährt und abends seine Mutter pflegt und zu Hause rumhängt. Ein Loser, der Gartenzwerge im Treppenhaus aufstellt, damit er lieb angelächelt wird, wenn er heimkommt. Ein kleiner Chaosphilosoph, der das Leben meistern will und ins Guinness-Buch als der Tote eingehen will, der die längste Zeit unentdeckt zu Hause lag. Vor dem Einschlafen träumt er davon, in Polen erschossen zu werden. Ein höchst abstruser Humor, der einen zwischen Grausen und Schmunzeln hin und her jagt. Ein skurriler Witz, der mehrere Ebenen gleichzeitig berührt und die kaputten Typen unserer Zeit liebevoll vorstellt und gleichzeitig karikiert. Ein Meisterwerk der speziellen Art, von denen es in Deutschland nicht viele gibt.

Rainer Katlewski

 

HEINZ STRUNK - Trittschall im Kriechkeller

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