back„Habt Spaß mit uns!“

„Schandmaul“ aus Bayern

Ein Porträt des Siegers des Deutschen Folkförderpreises 2000

Deutscher Folkförderpreis 2000
Einblicke und Aussichten aus Rudolstadt vom Tanz- und Folkfest

Von Piet Pollack

Ich denke, selten war die Meinung von Jury, Publikum und Presse so einhellig wie in diesem 9. Jahrgang des Folkförderpreises: „Schandmaul“ vor Jan Degenhardt vor „Sneppedalen“. Spaß gemacht haben alle drei Konzerte, spannend und originell war das Gehörte allemal. Die bayrischen Fun-Folk-Rocker mit dem Mittelalter-Touch von „Schandmaul“ musizieren seit 2 Jahren zusammen. Für Jan Degenhardt war es erstaunlicherweise der erste öffentliche Auftritt. Als 37-Jähriger entschloss er sich, neben dem Rechtanwalts-Dasein in Greifswald mit dem Musizieren zu beginnen. Auch „Sneppedalen“ aus Dresden gibt es erst seit drei bis vier Jahren, eine CD haben sie produziert.

In diesem Sinne ist der Fördergedanke des Preises für alle drei wichtig und zukunftsweisend. Die drei Preisträger arbeiten mit deutschen Texten, irgendwie waren sie auch stilistisch eher miteinander zu vergleichen als die Gewinner der vergangenen Jahre. Ein hoher Eigenanteil und viel Kreativität stecken in Texten, Musiken und Arrangements, die zwar Anleihen am Traditionellen nehmen, aber doch weit darüber hinausgehen. Dabei war der Sieger mit seiner ungebremsten Spielfreude und Bühnenpräsenz an diesem Abend den kleinen „Tick“ besser, der den 1. Preis ausmacht. Dass die Attraktivität des Preises nach wie vor ungebrochen ist, zeigt die Anzahl der Bewerbungen: 26 Solisten, 8 Duos und 37 Bands reichten ihre Demos ein. Das Durchschnittsalter war deutlich niedriger als in den Jahren zuvor. Viele Bewerber gingen mit Projekten in den Wettbewerb, die sie noch nicht allzu lange spielen. Und interessant ist, dass sich Generationen von Musikern mischen.

Trotz des kühlen Wetters war es ein heißer, ein gelungener Abend. Die Jury und Auslober des Preises (allen voran die rührige Liane Fürst als „Chef“-Organisatorin) haben jetzt ein Jahr Zeit, an einem neuen Konzept zu basteln. Das wurde schon angekündigt. Man darf gespannt sein!

Hervorzuheben ist noch die Sonderförderung der Jury für das Projekt „Karibuni“. Seit Jahren machen sie Programme mit Kindern und für Kinder, denen sie Lieder aus Afrika, indianische Lieder und Musik aus dem Orient näherbringen. Ein ausführliches Porträt wird in einer der nächsten „Folker!“-Ausgaben zu finden sein. Also, auf ein Neues im 10. Jahr des Folkförderpreises.

Von Piet Pollack

And the winner is... „Uns als Jury ist es so gegangen: Als die erste Gruppe auf die Bühne kam, fingen unsere Füße an zu wippen, es swingte unheimlich, es war eine große Spielfreude auf der Bühne zu sehen. Und es ging tierisch ab.“ Diese Meinung des Jury-Vorsitzenden Rainer Prüss teilte sicher ein Großteil der Besucher des Folkförderpreises 2000 auf dem Rudolstädter Neumarkt. „Schandmaul“ aus Olching (Bayern) hatte die undankbare Aufgabe, den Abend zu eröffnen. Sie lösten sie unbekümmert, mit viel Musikalität und Lockerheit. Die Stimmung übertrug sich – trotz des kühlen Abends – schnell auf das Publikum. Abtanzen war angesagt, es wurde eine „Fun-Mugge“. Das, was den Musikern auch am liebsten ist, wie sie hinterher erzählten. „Habt Spaß mit uns!“, rief Hubsi Widmann, der Basser, zwischendurch ins Publikum. Und genau das ist das Motto der Band. Rockige Grundstrukturen, Melodie-Instrumente aus dem Folkbereich und deutsche „schelmische“ Texte sind die Substanz. Was die Ausstrahlung aber letztendlich ausmacht, sind die sechs „Bühnentiere“ (wie sie sich selbst nennen), die dort oben schwitzen und arbeiten. Dazu gehören Thomas Lindner, der Sänger, der ausdrucksvoll von Mittelalter, Teufeln, Spielleuten und Hexen erzählt. Ebenfalls die beiden hübschen Frauen, die abwechselnd Melodie führen. Anna Kränzlein (Geige, Flöte, Drehleier) ist Konzertmeisterin mehrerer Orchester, obwohl sie erst 19 Jahre alt ist. Birgit Muggenthaler spielt Dudelsack, Rauschpfeife, Flöten und Drehleier, ist noch aktiv in zwei Mittelalter-Gruppen. Hubsi Widmann, der Basser und Organisator, arbeitet als Tontechniker, war früher Straßenmusiker. Auch Martin Duckstein, der Gitarrist, und Stefan Brunner, der Drummer, haben langjährige Banderfahrungen. Und dieses Miteinander-Musizieren, dieser Spaß auf der Bühne, diese ungebremste Vitalität und massive Power waren es letztendlich, was Jury und Publikum überzeugten. Piet Pollack unterhielt sich am Tag nach dem DFFP-Auftritt mit Hubsi Widmann und Birgit Muggenthaler.

Ihr seid gestern arg überrascht gewesen, dass alles so gut geklappt hat? „Unfassbar“ war mehrmals zu hören.

Schandmaul: Es hat riesig Spaß gemacht zu spielen und jeder hat sein Bestes gegeben. Nachdem ich die DFFP-CD gehört habe – herzlichen Dank nochmals an das Thein-Studio in Bremen – war uns klar: Wir wissen nicht, wie die Jury entscheiden wird. Wenn der Jury Jan Degenhardt gefällt, da gibt’s dann nicht zu diskutieren, das ist dann einfach so. Wir sind mit Null-Erwartungen nach Rudolstadt gefahren. Wir haben vor zwei Jahren mit der Gruppe angefangen und Rudolstadt war immer ein Fernziel. Dass wir dieses Jahr dabei sind, „hat uns völlig von’d Sock’n gehaut“. Wir waren ja schon zufrieden, unter den letzten drei zu sein. Alles andere war eine riesige Überraschung.

Kontaktadresse:
Hubsi Widmann
Bahnhofstr. 20
82140 Olching
Tel. 0 81 42/1 60 85
Fax: 0 81 42/4 07 07

Künstler-Webseite:
go! www.schandmaul.com

Discographie

CD „Wahre Helden“, Eigenverlag 1999
2 Titel auf Folkförderpreis-CD 2000

Das Jahr 2000 war ein Erfolgsjahr, habt Ihr festgestellt! Wie geht es jetzt weiter?

Schandmaul: Es sind einfach ganz viele Sachen zustande gekommen, wo wir gedacht haben, dafür noch Jahre zu brauchen. Dass wir in Festivals reingekommern sind, wo wir im letzten Jahr noch als begeisterte Besucher dabei waren. Jetzt haben Veranstalter angerufen, ob wir spielen wollen.

SchandmaulWie sieht euer Wunschpublikum aus? Wo macht es am meisten Spaß zu spielen?

Schandmaul: Wir fühlen uns auf Stadtfesten, auf Märkten, dort wo „Lauf-Kundschaft“ ist, wohl. Gerade Leute zu begeistern, die uns und unsere Art von Musik noch nie gehört haben. Eines der schönsten Erlebnisse war in Gaching, als vor der Bühne ein achtzigjähriger Mann zu tanzen begann. Dabei spielen wir meist mit Anlage, weil das ganze Programm darauf hin konzipiert ist. Es ist uns wichtig, dass die Texte verstanden werden. Ohne Technik ist nach 20 Minuten die Stimme vom Sänger weg, weil die Begleitung doch recht massiv ist.

Sagt einmal etwas zu Olching! Wo liegt der Ort? Ihr habt ja nach Robert Zollitsch im letzten Jahr nun zwei Folkförderpreisträger. Sponsort die Stadt euch nun, weil ihr sie in der Welt bekannt macht?

SchandmaulSchandmaul: Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Kulturreferentin in Olching uns nicht kennt. Darauf würde ich wetten. Wir haben es noch nicht geschafft, beim Stadtfest in Olching zu spielen. Da wollte man uns bis jetzt nicht haben. Zur Lage des Ortes: München– Fürstenfeldbrück – Dachau, das ist ein Dreieck. Genau in der Mitte liegt Olching, in Richtung Augsburg.

Woher stammt das Material für eure Musik: Texte, Melodien, Arrangements?

Schandmaul: Alles aus unseren Köpfen. Aus der französischen und bretonischen Musik hatten wir zwei Instrumentalstücke aufgegriffen. Machen wir aber jetzt nicht mehr. Es gibt tausend andere Gruppen, die diese Musik spielen. Wir haben gemerkt, dass wir Ideen haben, musikalisch und textlich – wir machen jetzt alles selbst. Nach den ersten Proben war es wichtig, diese traditionellen Sachen zu spielen. Einmal, um das Programm voll zu kriegen, zum anderen, um beim Interpretieren zu lernen. Gerade die Musik, wo sich andere Gruppen schon ganz viel Mühe gegeben haben. Wir wollen jetzt die Erfahrungen und Instrumente, die jeder einbringt, nutzen, das ist schon sehr vielfältig. Vieles kommt auch aus dem Bauch heraus. Dabei ist es faszinierend, dass wir mit der Musik, wo unsere Herz so dranhängt, so viele Leute begeistern können. Wir müssen keine Verrenkungen machen, um uns dem Publikum anzupassen. Deshalb fühlen wir uns so wohl auf der Bühne.


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