Ein Festival in Førde? Selbst als Norwegenkenner muss einem diese Stadt nicht geläufig sein. Und doch: In der Hauptstadt der Region Sogn og Fjordane fand dieses Jahr vom 3.-6. Juli das inzwischen 14. Internasjonale Folkemusikkfestival statt. Für die Einheimischen eigentlich das größte Ereignis im Jahr, denn die Wege sind weit im Land der Fjorde, neun Stunden mit dem Bus von Oslo und über dreieinhalb Stunden vom südlich gelegenen Bergen, der zweitgrößten Stadt Norwegens.
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Von Matti Goldschmidt
Schlendert man am Vormittag des ersten Festivaltages durch das "Zentrum" der Stadt, welches sehr an eine australische Buschstadt erinnert (während die Natur eher Assoziationen mit Neuseeland weckt), entsteht zumindest für den fremden Besucher nicht der Eindruck, hier begänne in einigen Stunden eine Großveranstaltung. Am Busbahnhof kein Hinweis, wohin sich ankommende Festivalbesucher ggf. zu wenden hätten. Das ist vielleicht auch gar nicht notwendig, denn rund die Hälfte der Festivalbesucher stammen aus der eigenen Provinz, die zweite Hälfte aus dem "restlichen" Norwegen, die meist per Privatauto anreisen. Der etwas außerhalb gelegene Zelt- und Caravanplatz schien durch das Festivalgeschehen nach Augenschein überhaupt nicht berührt gewesen zu sein. Schließlich war der bei so vielen Festivals in Mitteleuropa anzufindende "alternative" Anteil am Besuchervolumen in Førde nicht erkennbar. Ausländische Besucher, sieht man einmal von den Musikern samt nicht-musizierenden Begleitern ab, waren kaum zu sichten. Eine Ausnahme mag Betty sein, eine 63-jährige Amerikanerin aus Virginia, die herausfand, dass ihre Vorfahren um ca. 1870 genau aus dieser Gegend in die USA auswanderten. Seit fünf Jahren ist sie regelmäßige Festivalbesucherin in der Heimat ihrer Vorfahren. Die wenigen anzutreffenden Deutschen sind allerdings Auswanderer, die sich im regensreichsten Gebiet des Landes eine neue Wahlheimat gesucht haben.
Zentrum des Ganzen ist das Førdehuset mit einer riesigen Hallensportanlage, in der die zentralen Abendvorstellungen begannen. Hier wurden viele, wenn auch nicht alle Gruppen durch ein jeweils 10-15-minütiges Konzert einem bis zu 2.500 Zuschauern fassenden Publikum kurz vorgestellt. Zumindest am ersten Abend war die Halle bis auf den letzten Platz besetzt. In diesem Haus mit drei weiteren Bühnen war auch die Festivalzentrale untergebracht; dort waren die Eintrittskarten zu lösen bzw. ggf. in die bekannten Armbändchen umzutauschen. Eine globale Eintrittskarte gab es überraschenderweise nicht - vielmehr galt der "Festivalpass" nur für die Veranstaltungen in der Sporthalle und gewährte überdies in sämtlichen anderen kostenpflichtigen Veranstaltungen (und das war mit Ausnahme der Straßenmusik praktisch alles) 50% Ermäßigung - notabene mit Ausnahme der Workshops. So musste sich der Festivalbesucher immer rechtzeitig für das eine oder Konzert fest entscheiden, außerdem waren an den Eingängen immer wieder intensive Kontrollen zur Eintrittsberechtigung notwendig. Nach Auskunft der Festivalorganisation war dieses etwas umständliche Eintrittskartensystem deshalb notwendig, um durch die pro Veranstaltung verkauften Karten einen Überblick über die zu erwartenden Besucherzahl zu erhalten und somit eine Überfüllung des einen oder anderen Saales zu vermeiden. Nichtsdestotrotz ist zumindest für den deutschen Besucher das Festival eine recht teure Angelegenheit: So sind für den Festivalpass immerhin NOK 590 ( ca. EUR 70,-) zu berappen - die Einzeleintritte in die Sporthalle wären auf rund EUR 100 gekommen, während die meisten Konzerte dann jeweils bei zusätzlichen NOK 120 lagen (d.h. 50% davon, ca. EUR 7,20). Zieht man dann die Lebensmittelpreise in Betracht, die um 50% höher sind als bei uns, kann das ein recht teurer Folkloreurlaub werden.
Hilde Bjørkum ist, ganz typisch für viele der Region Sogn og Fjordane, 1958 in einem kleinem Weiler geboren, der damals nur über den Wasserweg oder zu Fuß über die Berge zu erreichen war. Landwirtschaftserträge und Fischfang bildeten die natürliche Lebensunterhaltung. Ihr Studium schloss sie in Bergen als Musiklehrer ab, sie spielt Geige und tanzt. Alsbald wurde ihr in Førde die Leitung des Archivs für Volksmusik übertragen. Ende der 80-er Jahre des letzten Jahrhunderts war man sich des Reisens zu anderen Festivals überdrüssig und beschloss, selbst etwas zu organisieren. Seit Beginn im Jahre 1990 leitet Hilde Bjørkum das Internasjonale Folkemusikkfestival. |
Dafür ist allerdings die Landschaft unvergleichbar schön. Natürlich muss man auch Glück mit dem Wetter haben, an meinen fünf Tagen fiel kein einziger Tropfen Regen, im Gegenteil, die Temperaturen gingen bei ungetrübtem Sonnenschein bis auf 28º C. So waren ein Bad in der Jølstra, dem durch Førde fließenden Fluss, fast ein Muss (ca. 15°) - im naheliegenden Førdefjorden, so der Name des Fjords (ca. 22º Wassertemperatur und überraschend wenig salzhaltig), im Anblick immer noch schneebedeckter Berggipfel ein Erlebnis. Ähnlich wie während des finnischen Festivals in Kaustinen wird es auch hier nie richtig dunkel.Leben in die Stadt kam am Freitag Vormittag auf: einige tausend Zuschauer reihten sich entlang der Hauptstraße, um den traditionellen Umzug der Musikgruppen des Festivals zu betrachten. Aus dem benachbarten Naustdal kamen die Schülerinnen Linn und Frøydis, beide 17 Jahre alt, die eigentlich nicht die weiteren Festivalveranstaltungen besuchen wollten, da sie ihnen zu teuer erschienen. Wie so viele jungen Erwachsene in dieser Region spielen auch sie ein Instrument, nämlich Bass und Violine bzw. Trompete. Ganz anders Snorre, 19, der in einem Dorf lebt, "ungefähr 2 Stunden Autofahrt südlich von hier"; er hatte sich als Volontär gemeldet, wurde einer ausländischen Gruppe als fester Begleiter zugeordnet und erzählt in seinem Funksjonær-Hemd mit Stolz, dass es nichts Besseres gäbe als so zu allen Konzerten freien Eintritt zu haben und selbst die Übernachtungen mit Schlafsack in der lokalen Turnhalle seien ein Erlebnis... Finanziell unterstützt wird das Festival hauptsächlich vom Ministerium für Kultur mit etwas über 1,5 Millionen norwegischen Kronen (ca. EUR 188.000), während umgerechnet die Region EUR 42.300 und die Stadt EUR 15.700 beisteuern. Weitere Beträge in unregelmäßiger Höhe kommen vom norwegischen Außenministerium.
Besonderen Wert legt man in Førde auf die Förderung norwegischen folkloristischen Kulturgutes. So taten sich Svenlaus (drei Geiger) als Vertreter eines norwegischen Talentprojektes für junge Musiker hervor. Sechs weitere sympathische norwegische Geiger eroberten in Konzerten und Straßenmusik unter dem Namen Majorstuen die Herzen der Zuhörer. Aus Deutschland kamen Die Grenzgänger, schon seit einigen Jahren ein bewährtes und solides Folktrio, sowie das mir bislang unbekannte Quartett Disguise aus Essen, das unter der Leitung der in Polen gebürtigen Katryn Mickiewicz mit einem teils jazzigen, teils groovigen, osteuropäisch angehauchten Folk überraschte. Einen "swingenden", zum Tanzen einladenden Folk präsentierte das aus einem schwedischsprechenden Teil Finnlands stammende Trio Frödö-Nyqvist-Särs und kaum stehen blieben die Beine bei den Konzerten der schottischen Blazin' Fiddlesman: Man nutzte, wo möglich, jeden Freiraum vor der Bühne zum Tanzen. Erwähnenswert schließlich die tschechische Solistin Raduza mit ihrer gewaltigen Stimme sowie die polnische Gruppe Swoga Droga mit einem breiten Repertoire an traditionellen Weisen, wobei insbesondere Jakub Borysiak (Klarinette) und Dorota Gralewska (Cello) namentlich hervorzuheben wären. Damit noch nicht alle Gruppen aufgeführt: Vertreter Madagaskars, Burkina Fasos, Afghanistans, Sri Lankas u.v.m. wären sicher noch zu nennen gewesen.
Apropos, nicht alle Gruppen hatten während der vier Festivaltage bis zu vier oder gar mehr Auftritte, die deutschen Vertreter etwa hatten nur ein (gemeinsames) Konzert und in manchen Fällen hatte man die Qual der Wahl. Letztlich kam auch das Tanzen nicht zu kurz. Recht begehrt und fast überfüllt war der Tangokurs für Anfänger unter der souveränen Leitung des Spaniers Juanito Juarez (EUR 48). Didaktisch nicht ganz auf der Höhe zeigten sich die Vertreter für den Grundkurs rumänische Tänze mit ca. 12 Teilnehmern (EUR 36, wie die nachfolgenden Kurse). Rund 20 Teilnehmer hatte der Gesangskurs "Keltische Lieder". Und nur drei jugendliche Teilnehmer konnten sich für den Geigenkurs von Catriona Macdonald (Blazzin' Fiddles) begeistern, die mit den Musikern gleich die Basistanzschritte des englischen Volkstanzes einübte, da ihrer Meinung niemand Tanzmusik spielen könne, der auch nicht selbst tanze... Dagegen aber war allabendlich der Tanzsaal im Førdehuset bis weit nach 1:00 h nachts gerammelt voll, als Eintrittskarte galt der Festivalpass bzw. die Karte für die Hauptvorstellung im Sportsaal. Übrigens war der Ausschank von Alkohol aufgrund lokaler Gesetze untersagt, so war weder vor noch nach den Veranstaltungen nicht einmal ein Glas Bier erhältlich.
Waren es 1990 ganze 6.000 Festivalbesucher, kamen ein Jahr später immerhin schon 9.000 und 1992 über 18.000. Je nach Wetterlage ist mit 30.000 Besuchern, verteilt auf 4 Tage und sämtliche Veranstaltungen, zu rechnen; dieses Jahr waren es aufgrund des äußerst schönen Wetters "nur" EUR 27.000. Für den deutschen Folkinteressierten dürfte ein reiner Festivalbesuch wohl recht teuer werden; man könnte jedoch ggf. einmal auf das TFF Rudolstadt verzichten und das Festival in einer der landschaftlich ansprechbarsten Gegenden Europas mit einem Natururlaub verbinden, Nationalparks mit markierten Wanderwegen oder tatsächlich greifbare Gletscher sind nicht mehr weit. Zum Vormerken: Das kommende Festival findet vom 1.-4. Juli 2004 statt.
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Der Festival-Sommer |