Liebe Musikfreundinnen und -freunde,
einmal mehr könnte ich mit meinem Editorial Seiten füllen.
Und die Sachen, die ich zu berichten habe, sind mehrheitlich
unerfreulich.
In Deutschlands Radiolandschaft wird derzeit über die Kultur
nachgedacht - auf hohem Niveau versteht sich. So diskutiert die Welle MDR
Kultur darüber, den Begriff "Kultur" aus ihrem Programm-Namen zu streichen.
Eine Umfrage habe ergeben, dass vor allem junge Menschen damit nichts anfangen
könnten, weil das Wort "Anstrengendes" signalisiere. In dieses Horn
stieß vor wenigen Monaten auch der Hörfunkdirektor des Hessischen
Rundfunks, Heinz Sommer, als offizieller ARD-Vertreter bei einem Referat
vor der Europäischen Rundfunkunion. Seine Botschaft lautete: "Der
Radiohörer hört Radio - nicht Kultur ... in allererster Linie Radio
und nicht Inhalte."
Man könnte meinen, die Programm-Verantwortlichen bei WDR und
SWR hätten zugehört. Anders lassen sich die dort anstehenden "Reformen"
nicht erklären, denen die Matinee der Liedersänger nebst allen
Sendungen der Reihe "Musikwelten" und die SWR-Liederbestenliste nebst
SWR-Liederfest zum Opfer fallen sollen. Natürlich wird in Köln
und in Baden-Baden gleichermaßen bestritten, dass bereits Entscheidungen
gefallen seien. Es werde "intensiv diskutiert" heißt es unisono. Doch
wer die Entscheidungsprozesse in deutschen Rundfunkhäusern kennt, der
weiß, dass es sich hier um eine reine Augenwischerei und eine
offensichtliche Hinhaltetaktik handelt. Den eMail-Briefverkehr in dieser
Sache zwischen mir und Wolfgang Schmitz, dem Programmchef von WDR 5
( wolfgang.schmitz@wdr.de), sowie
Bernhard Hermann, dem SWR-Hörfunkdirektor
( bernhard.hermann@swr.de), finden
Sie im vollen Wortlaut auf der Folker!-Homepage (s. Kasten rechts).
Theo Geißler fragt angesichts dieser Entwicklungen in der
Sommerausgabe der Neuen Musikzeitung: "Wer schützt den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor sich selbst?" Recht hat er. Populismus
pur scheint in der deutschen Rundfunklandschaft angesagt. Motto: Thema egal,
Hauptsache locker rübergebracht. Nach der Entpolitisierung der Politik
folgt jetzt die Entkulturisierung der Kultur. Nicht nur die Hörer, sondern
auch die Radiomacher sollten sich endlich wehren.
Nicht vorenthalten will ich der Folker!-Leserschaft auch bedenkliche
Entwicklungen auf dem CD-Markt. Für viele unter Ihnen sind die Rezensionen
eine wichtige Entscheidungshilfe beim Kauf von neuen CDs. Zunehmend ist es
jedoch so, dass die Redaktion keine "Endprodukte" zur Besprechung bekommt,
sondern Vorab-CDs ohne Booklet in einem Pappschuber oder einer
Plastikhülle. Schlimmer noch, einige CDs haben sogar
Störgeräusche in jedem Stück. Einige Plattenfirmen haben
angekündigt, die Bemusterung mit CDs völlig einzustellen. Journalisten
werden auf die Möglichkeit verwiesen, sich im Internet ausgewählte
Tracks von neuen Produktionen anzuhören. Begründet wird dies u.a.
damit, dass die Promos und deren eventuelle Weiterverwertung eine
Umsatzeinbuße darstellen würden. Ich glaube, hier wird das Pferd
vom falschen Ende her aufgezäumt. Ganz abgesehen davon, dass mit diesem
Verfahren Abschied genommen wird von der Idee einer CD als Gesamtkunstwerk,
zu dem die Musik ebenso gehört wie die Gestaltung des Booklets. Innerhalb
der Redaktion findet derzeit eine Diskussion darüber statt, wie wir
in Zukunft verfahren werden, ob wir Vorab-CDs ohne Booklet überhaupt
noch besprechen werden. Lassen Sie uns Ihre Meinung wissen.
Und damit entlasse ich Sie in die Lektüre einer hoffentlich
wieder interessanten neuen Ausgabe unserer Zeitschrift.
Ihr Folker!-CvD
Michael Kleff
P.S.: Und natürlich habe ich auch noch eine Geschichte aus den
USA ("The land of the free, the home of the brave"): Da wird in Annapolis,
im Bundesstaat Maryland, Max Ochs - der Neffe des Singer/Songwriters Phil
Ochs - als Gastgeber einer öffentlichen Konzertreihe entlassen, nicht
nur, weil er einen Scherz über Präsident Bush gemacht hat, sondern
auch, weil er Woody Guthries "This Land Is Your Land" mit dieser Strophe
anstimmen ließ: "... As I went walking, I saw a sign there / And on
the sign it said "No Trespassing" / But on the other side it didn't say nothing;
/ That side was made for you and me."
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SWR-Liederbestenliste
11. August : 17 von 21 Jury-Mitgliedern protestieren in einem
Brief an die Redaktion
von SWR 2 gegen Ende von SWR-Liederbestenliste und -Liederpreis
Schreiben vom 24. Juli an Bernhard Hermann,
SWR-Hörfunkdirektor
Sehr geehrter Herr Hermann,
gestern habe ich erfahren - aus dem Deutschlandfunk -, dass
zum Oktober die SWR-Liederbestenliste eingestellt werden soll. Das Liederfest
am 1. November in Tübingen wäre damit sozusagen eine
Abschiedsveranstaltung.
Als CvD des Folker!, der Zeitschrift für Folk, Lied und Weltmusik
(www.folker.de), schreibe ich an diesem Freitag das Editorial für die
nächste Ausgabe. Da das deutschsprachige Lied ein Schwerpunkt der
Zeitschrift ist - so werden die Charts regelmäßig abgedruckt und
die jeweiligen Liederpreisträger porträtiert -, werden Sie verstehen,
dass die geplante Einstellung ein Thema für den Folker! ist.
Im Interesse einer korrekten Berichterstattung für unsere Leser und
Leserinnen möchte ich Sie recht herzlich bitten, mir noch im Laufe des
Freitags eine Stellungnahme zukommen zu lassen, ob meine Informationen richtig
sind. Und wenn nicht, ob man davon ausgehen kann, dass die Zukunft von
Liederbestenliste und Liederfest gesichert ist. Sie erreichen mich entweder
per Fax in meinem Bonner Büro unter 0228-4298898 oder unter meiner eMail
michael.kleff@folker.de
Mit der Bitte um Verständnis für die kurzfristige
Anfrage und der Hoffnung auf eine Antwort
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kleff
Folker!-CvD
Antwort vom 25. Juli
Sehr geehrter Herr Kleff,
haben Sie herzlichen Dank für Ihren Brief vom 24. Juli.
Wie immer ist an einem Gerücht ein bisschen etwas dran.
Richtig ist, dass wir über die Zukunft der
Liederbestenliste zur Zeit intern diskutieren. Eine endgültige Entscheidung
ist allerdings noch nicht gefallen. Deshalb kann ich Ihnen zur Stunde weder
die Informationen aus dem Deutschlandfunk bestätigen, noch Ihnen versichern,
dass die Zukunft von Liederbestenliste und Liederfest gesichert ist.
Nach dem Ende unseres internen Diskussionsprozesses werde
ich Sie aber gerne und unverzüglich über dessen Ergebnis
informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Hermann
WDR-Matinee der Liedersänger
eMail-Schreiben an Wolfgang Schmitz, Programmchef von WDR
5
Lieber Herr Schmitz,
in der letzten Ausgabe des Folker!, der Zeitschrift für
Folk, Lied und Weltmusik in Deutschland (www.folker.de) habe ich in meinem
Editorial das anstehende Ende der Matinee der Liedersänger beklagt.
Einem Leser, der sich daraufhin bei Ihnen gemeldet hat, haben Sie geschrieben:
"An eine Einstellung der Reihe ist nicht gedacht."
Da ich im Laufe des Freitags das Editorial für das
nächste Heft schreibe, will ich gerne meine Aussage korrigieren, wenn
sie denn falsch sein sollte. Daher möchte ich Sie direkt noch einmal
fragen, ob ihre o.a. Aussage so zu verstehen ist, dass die Matinee der
Liedersänger in ihrer inhaltlichen Breite, d.h. von Folk und Lied bis
zu populärer und traditioneller Weltmusik erhalten bleibt? Wenn nicht,
würde ich mich über eine Erläuterung Ihrer Aussage freuen.
Mit Blick auf die Programmreform auf WDR 5 wird die Sendung ja auf jeden
Fall in eine andere redaktionelle Verantwortung gegeben werden. Können
Sie mir bitte sagen, wer in Zukunft die redaktionelle Verantwortung dieser
Sendung haben wird und ob und wie die bislang redaktionell Verantwortlichen
für die Sendung auch in Zukunft in die Planung und Durchführung
der Konzerte eingebunden sind?
Ich bedanke mich für Ihre Mühe und verbleibe mit
freundlichen Grüßen
Michael Kleff
Folker!-CvD
Antwort vom 25. Juli
Lieber Herr Kleff,
über die Zukunft der Matinée wird derzeit zwischen
der Programmgruppe Musik in WDR 3 und der Redaktion "Funkhaus Europa" intensiv
diskutiert. Dem Ergebnis dieser internen Diskussion will ich nicht vorgreifen.
Dafür bitte ich um Verständnis. Wir werden unsere Hörerinnen
und Hörer rechtzeitig vor dem Jahreswechsel informieren.
Mit besten Grüßen
Ihr Wolfgang Schmitz
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