backRezensionen Europa


AMÉLIA MUGE
A Monte

(Tropical Music 68.826)
17 Tracks, 61:39, 1 Video, 2:18; mit Infos u. portug./engl. Texten

"Taco Taco", Amélia Muges 1998 entstandene CD, war ein verspieltes, experimentelles Album. Eine kleine Offenbarung. "A Monte", der Portugiesin jüngstes Werk, weckte darum hohe Erwartungen. Um es gleich vorwegzunehmen, die Erwartungen wurden voll erfüllt, nur eben anders. Die kurzen, fragmentarischen Ideenfetzen ihres letzten Albums sind auf dem neuen Werk längeren, ausgearbeiteten Stücken gewichen. Die frühere Verspieltheit verwandelt sich hier oft in Schwermut - in verstörende Schönheit auch, wie etwa in der Adaption von Faustos "Umoutroolhar sobre Caxias", dessen wunderschöne Melodie mit der beklemmenden Realität der Gedanken eines Gefangenen in Salazars Kerkern kontrastiert. Amélia Muge liebt Gegensätze. Einen Fado oder José Afonso setzt sie neben die Musik von Laurie Anderson. Der Poet Fernando Pessoa wies ihr vor langer Zeit den Weg. In seinen Werken lebte er verschiedene Persönlichkeiten aus und ließ diese aus unterschiedlichen Perspektiven schreiben. Die Sängerin fühlt sich diesem Dichter verwandt und bringt ihre eigene Vielschichtigkeit in ihrer Musik zum Ausdruck. Diese wird zusammengehalten von ihrer Stimme, die noch ausdrucksfähiger, sinnlicher und erdiger geworden ist. "A Monte" heißt "unterwegs sein". Amélia Muges Weg ist nicht immer leicht verständlich, manchmal aufwühlend, doch er fasziniert - eine der spannendsten Frauenstimmen Portugals.

Martin Steiner

 

AMÉLIA MUGE - A Monte


EGIDIO "JUKE" INGALA BAND FEAT. ALEX SCHULTZ
Drivin' and Jivin'

(Kayman Records KR BW 676802-02/Crosscut)
12 Tracks, 51:56

Es fehlen nur noch die Kratzer auf der Original-Schellackscheibe, und die Illusion wäre perfekt: Egidio "Juke" Ingala, "Italiens charmantester und bester Bluesexportartikel", imitiert sie nicht, die Little Walter, Junior Wells, George "Harmonica" Smith oder Big Walter Horton; er haucht ihrer Bluesharp nach "Nite Life Boogie" (1999) jetzt mehr noch mit "Drivin' And Jivin'" das wilde, raue Leben ein - als wäre er schon immer dabei und heizte mit und mitten unter ihnen einem dieser dampfenden, stampfenden Chicago- und Westcoast-Paläste der 40er und 50er Jahre ein, erst recht durch seine wuchtigen, urwüchsigen Eigenkompositionen wie "I Feel Something New" (frisch produziert und gleich ein Klassiker!). Von "Retro" keine Rede, reinste "roots", auch dank Ingalas kongenialer Bluesbrüder, allesamt in Galaform: Alex Schultz und Alberto Colombo (Guitar), Walter Tosin (Upright), Gio Rossi (Drums), Jürgen Magiera (Piano), Stefano Sernagiotto (Sax) und Fabrizio Tallachini (Trumpet). Ärgerlich nur das neckische Nostalgie-Cover, wieder einmal eines der ungezählten mit Diner- und Straßenkreuzermotiven. Passt wie Faust aufs Auge, wie's billige Glamour-Abziehbildchen zum ehrlichen, erdigen Inhalt.

Hans Peter Mensing

 

EGIDIO "JUKE" INGALA BAND FEAT. ALEX SCHULTZ - Drivin


BESH O DROM
Cant make me!

(Asphalt Tango/EFA 69202)
14 Tracks, 63:31; mit Infos und Texten

Balkanmusik mit höllischem Groove - auf diese Kurzformel lässt sich Besh o droM bringen. Das ungarische Septett mixt auf seinem zweiten Album, was das Zeugs hält. Traditionelle Roma-Klänge gehen eine wilde Fusion mit rasantem Jazz ein, als sei Django Reinhardt wieder auferstanden; DJ Mango peppt die fetten Bläsersätze mit frechen Scratches und Samples auf oder rappt schlüpfrige Schüttelreime. Warum soll sich nicht auch die Balkanfolklore zeitgemäßen Klängen öffnen wie es der Folk rund um den Rest des Globus bereits getan hat? Abgesehen davon, dass man so junge Fans gewinnt, ist es ohnehin naheliegend, Gypsy Grooves mit elektronischen Grooves zu paaren. Beides fügt sich aufs Wunderbarste zusammen. Bei Besh o droM klingt das Ganze gar so überzeugend, als hätten sich zwei geistesverwandte Musikstile lange gesucht und endlich gefunden. Ein Großteil der Aufregung ist eh unbegründet: Die Stücke mit HipHop-Faktor sind in der Minderheit. Der Rest ist Folk pur. Dargeboten auf einem ganzen Sammelsurium an akustischen Instrumenten. Die Quellen der Melodien reichen dabei um den halben Erdball: von Ungarn über Rumänien, Bulgarien, Moldawien, Armenien, Griechenland, Ägypten und Libanon bis nach Afghanistan - was zeigt, wie rege der Austausch der Kulturen durch den Zug der Zigeuner vorangetrieben wurde. Besh o droM heißt übrigens "auf dem Weg bleiben" oder "seinen eigenen Weg gehen". In diesem Sinne: Weiter so!

Frank Schuster

 

BESH O DROM - Cant make me!


ROD STEWART
Reason To Believe

(Mercury/Universal 440 063 422-2)
Dreifach-CD, 56 Tracks, 227:14; mit Infos

Wie bitte? Wen rezensiert ihr im Folker!? So'n Pop-Fuzzy wie Rod Stewart? Ich kündige mein Abo!

Euer Ehren, ich bitte um Geduld und Anhörung. Es geht hier um die ersten fünf Stewart-Alben von 1969 bis 1973 (plus ein paar seltenen Single-Veröffentlichungen) und da hat der Mann eine z.T. astreine Mischung aus Blues, Folk, Country, Soul und natürlich auch Rock & Pop (sonst hätte er nicht Millionen Scheiben verkauft) produziert. Das klang rau, aber herzlich. Der glatte Pop kam erst mit dem Umzug in díe Staaten und er Arbeit mit dortigen Produzenten. Wer erinnert sich noch an McColls "Dirty Old Town", Dylans "Only A Hobo" oder seine eigenen Stücke wie "Mandolin Wind", "Farewell" oder "You Wear It Well"? Doch, das ist guter, feiner Folkrock, eingespielt mit teils kräftiger Unterstützung der Faces. Fragt Walter Bast, der hat das schon vor einem Vierteljahrhundert gesagt!

Mike Kamp

 

ROD STEWART - Reason To Believe


I MUVRINI
Umani

(EMI 540778 2)
13 (+ 2 Bonus-) Tracks, 66:11; mit kors./franz. Texten

Mit ihrem mittlerweile 12. Studioalbum setzen I Muvrini ihren Kurs in Richtung Ethno-Pop weiter fort. Das programmatisch "Umani" (= Menschen) betitelte Opus befreit sich - positiv gesprochen - von den traditionellen Fesseln; die typischen polyphonen Gesänge alter Prägung sind nicht mehr präsent. Der neuerliche Richtungswechsel erinnert ein wenig an stilistische Veränderungen, wie sie einst z. B. Clannad vollzogen. Die Bernadini-Brüder hatten für die Aufnahmen in ein kleines Studio auf Korsika eingeladen. Der umtriebige Keyboarder und Produzent Wally Badarou wirkte mit Rat und Tat mit, nebst weiteren Gaststars und einheimischen Chören. Der Opener des Albums ("Aspettami") versprüht sogleich das typisch korsische Pathos; im übrigen ist Abwechslung angesagt. Bei "Vogliu" erklingt die feurige Flamencogitarre von Gregorio Sanchez, bei "Erein eta joan" ganz dezent die Kora von Soriba Kouyaté; sehr zurückgenommen, nur vom Piano untermalt, die Ballade "Un sognu pè campà" ("Ein Traum zum Leben") mit Stephan Eicher als weiterem Duett-Partner von J.-F. Bernadini (MC Solaar rappt mit ihm in "A Jalalabad", ergänzt durch die afghanischen Sängerinnen Zarina und Manila Fazel). Die Lieder versprühen durchweg Hoffnung und Ermutigung, wenden sich gegen Fremdbestimmung und Krieg; sehr beeindruckend das fast 8minütige "Baià", das die Rückkehr einer Korsin aus Algerien beschreibt.

Roland Schmitt

 

I MUVRINI - Umani


CHRISTOPHER DELANEY
Brighten Up My Days

(goodlife@oceanfree.net GL.M.1008)
13 Tracks, 49:23; mit Texten

Als einer der ganz Frühen hat Christopher Delaney, bekannt durch die Band Tara, mit vielen gespielt und viele spielen hier mit ihm: "Dubliners" Eamon Campbell (Gitarre) und John Sheehan (Geige, Whistle), Gaye Woods von Steeleye Span (Backing Vocals), Brian Dunning (Flöten, Harmonika, Akkordeon, Bass), und viele mehr. Und dennoch bleibt der Multi-Instrumentalist und Singer-Songwriter (Gitarre, Mandoline, Tenor-Banjo, Bodhrán) mit seinen größtenteils selbstkomponierten Songs und Jigs am Boden kleben. "Brighten Up My Days" ist ein liebes, aber unspektakuläres Album mit streckenweise eierigen Passagen und huschigen Verzierungstechniken, unter anderem im Opener "The Broom Song/Paddy Ryan's Reel". In "Robbie's Song" erinnert Delaneys Stimme an den frühen Bob Dylan, der auf seine Morgenzigarette verzichtet hat. Immer wieder bremst der monotone Gitarrenteppich die Ausflüge der Melodieinstrumente. Einsam ragt Van Morrisons "Stoned Me" mit viel Hall aus den Sechsachtel-Tunes heraus, und Titelsong "Brighten Up My Days" leidet unter nach evangelischem Kirchentag klingenden Flötenpassagen. Auch im Set aus traditionellen Reels kurz vor Ende (darunter "Copper Plate") lichten sich die Nebel nicht wirklich, obwohl Tom Mulkerns Akkordeon sein bestes tut. Produziert haben das Album Delaney, E. Campbell und B. Dunning.

Elise Schirrmacher

 


GHYMES
Héjavarázs/Habichtzauber

14 Tracks, 66:34, mit ungar. Texten

Bisher habe ich ungarische Musik vor allem in ihrer eigentümlichen traditionellen Form erlebt. Beim ungarischen Label Etnofon (siehe go! Folker! 6/2001) findet sich jedoch auch Weltmusik im besten Sinne. Die in der Slowakei lebende Gruppe Ghymes vereint Musiker mit verschiedenen Erfahrungen aus Folk, Rock und Klassik. Sie hat es seit 1984 schon zu einigen bekannten Projekten gebracht, Fernsehfilme, Theatermusik, Welt-Tourneen. In Deutschland hat man sie unter anderem bei der Mitwirkung beim VENT DÈST-Projekt erlebt. Ghymes bieten richtig guten Folkrock, sanfte Balladen und Popsongs, alles basierend auf den ungarischen Musiktraditionen und angereichert von einer Vielzahl ursprünglich folkloristischer Instrumente. Bei einigen Titeln schimmert das spezielle Ungarn nur leicht hindurch, überdeckt von Improvisationen und Klangteppichen; bei anderen wirkt es sehr prägend. Trotz großer stilistischer Vielfalt wirkt die Platte sehr kompakt, zusammengehalten vor allem vom eigenwilligen Klangbild der ungarischen Sprache.

Jürgen Brehme

 

GHYMES - Héjavarázs/Habichtzauber


ACO BOCINA
dto.

(Ponderosa Music)
10 Tracks, 39:01

Los geht's mit dem mittlerweile obligatorischen Gute-Laune-Rumba. Aco Bocina, Akustikgitarrist italienischer Abstammung, bedient Rhythmus- und Leadgitarre, Mandoline und gelegentlich hört man seine Stimme. Spätestens bei der zweiten Nummer wird es schon spannender. Die Herrschaften der Blaskapelle "Fanfare Ciocarlia" heizen ordentlich ein und wer bisher glaubte, dass sich soviel Blech nicht mit Nylonsaiten verträgt erlebt hier sein munteres Wunder. Klanglich verlagert sich das vitale Album zunehmend in östlichere Regionen. Spannend, lustig, abwechslungsreich, tanz- und sangbar ist dieses starke Gebräu, das schnell zu Kopf steigt. Klezmer, Balkan, Rai und nicht näher definierbares passen locker unter Aco Bocinas weiten Hut. Gelegentliche klangliche Merkwürdigkeiten machen das Ganze zunehmend liebenswerter. Auf dem Höhepunkt der Freude ist dann plötzlich Schluss. Eine CD mit 39 Minuten Spielzeit ist ja schon ganz schön frech. Aber sehen wir es mal anders, 39 Minuten gute Unterhaltung ist doch ganz in Ordnung, oder?

Rolf Beydemüller

 

ACO BOCINA - dto.


EQUATION
Return To Me

(Rough Trade RTRADECD083/Zomba)
12 Tracks, 48:57

Es begann mit der irischen Band Oige und es endete 2002 noch lange nicht mit dem Solo-Durchbruch, nicht zuletzt auf dem Folker!-Titelbild. Dazwischen jedoch war Cara Dillon Mitglied der britischen Gruppe Equation, die insofern ziemlich einzigartig war, als dass ihr eine riesige Zukunft vorausgesagt wurde, wenn es die Band denn schaffen würde, endlich eine CD zu veröffentlichen, was aber aus Gründen, die Equation kaum beeinflussen konnte, nie gelang.

Bis jetzt! Natürlich waren Equation damals ausgiebig im Studio und eine 95/96 aufgenommene CD wird nun wohl in der Hoffnung veröffentlicht, im Sog der Dillon-Mania etliche Einheiten zu verkaufen. Die Kalkulation wird aufgehen. Neben Dillon singt Kathryn Roberts und die beiden Stimmen passen perfekt. Für die Instrumente sind die drei Lakeman-Brüder zuständig. Herausgekommen ist nichts Weltbewegendes, wobei diese Kategorie eh meist nur die Kritiker erfreut, nicht die Käufer. Die haben dummerweise durchaus ihren Spaß an nettem Pop-Folk, wobei die Betonung klar auf ersterem liegt. Oh ja, diese CD wird allen gefallen, die die Corrs mögen, aber natürlich auch jenen, die sich letztes Jahr in Cara Dillons Stimme verliebt haben und das waren ja selbst in diesem Land ein paar tausend Menschen.

Mike Kamp

 

EQUATION - Return To Me


FLUKT
Spill

(Lindberg NOMPPO206001)
14 Tracks, 53:12; CD ohne alles

Ein wenig verrät das Cover ja immerhin, Musik ist wie eine gute Schachpartie, immer voller überraschender Züge, und die drei Herren langen wirklich rundum zu. Choräle, skandinavische und gälische Musik seien ihre Vorlieben, stimmt alles, wir finden einen Strathspey, wir finden einen Text des dichtenden Barockpastors Petter Dass, wir finden einen Polar-Eis-Pols. Die meisten Stücke sind jedoch von Gruppenmitgliedern und von anderen Leuten geschrieben, vor allem von Sturla Eide Sundli, der als Geiger brilliert, ein Herr Ronny Kjøsen, kein Bandmitglied, zeigt sich als begabter Balladendichter, die als Gast mitwirkende Sängerin Heidi Skjerve hat ebenfalls ein Lied verfasst, das nun wieder in die Kategorie Choral fällt, doch, eine überraschende Mischung, die bei jedem Hören besser gefällt. Kann uneingeschränkt empfohlen werden.

Gabriele Haefs

 

FLUKT - Spill


FALTRIQUEIRA
dto.

(Resistencia/Galileo RESCD 140)
14 Tracks, 49:40; Beiheft mit galiz./span./engl. Texten

Das galizische Damenquintett aus A Coruña benennt sich nach jener kleinen Tasche, die in den traditionellen Tanzkleidern für dies und das verborgen ist. Gesungen werden traditionelle Stücke, jedoch in einer polyphonen statt der überlieferten homophonen Aufbereitung. Auch die vielfache instrumentale Begleitung wird dem Puristen ein Stöpsel im Ohr sein. Wer als Folk auch bearbeitete Tradition gelten lässt, dem ist aber gerade dies willkommen. Reiner a-capella-Gesang auf einer kompletten CD ist nämlich nur etwas für Hartgesottene, da hilft auch das traditionelle Tambourin nur bedingt. Die größtenteils auf akustischen Instrumenten gespielte Begleitung - diverse Saitengerätschaften, Akkordeon, Flöten und (für mich zu wenig) Gaita etc. - ist sparsam, sehr gekonnt und nicht zu üppig ausgefallen (obgleich sie mir gegenüber den Stimmen etwas zu sehr im Vordergrund abgemischt ist). Viel besser kann man dieses etwas sperrige Genre nicht präsentieren.

Andel Bollé

 

FALTRIQUEIRA - dto.


THE UKRAINIANS
Respublika

(Zikra Records/ New Music)
13 Tracks, 44:10; mit kurzen Titelbeschreibungen; enhanced-CD mit Livetracks, Fotos u. Homepage

Was lange währt, wird endlich...in die Plattenläden gestellt. Nach sage und schreibe acht Jahren (Zur Erinnerung: das letzte Studio-Album war 1994 "Kultura") und einigen unhaltbaren Auflösungsgerüchten (Tod gesagte leben länger) steht ein neues Album der englischen Kultband mit Ukrainischen Wurzeln in den Regalen. Bereits im vergangen Jahr ist es auf dem englischen Markt erschienen und seit März endlich auch in Deutschland erhältlich. Darauf beweisen Len Liggins und Kollegen, dass sie eins immer noch richtig gut können: Ukrainische Traditionals zu ordentlichem Folkpunk verbraten.

Los geht es mit dem schon tausendmal gecoverten Volkslied "Ty Zh Mene Pidmanula", das bei den Briten rockt, was das Zeug hält. Was sich beim ersten Song bereits abzeichnet und mit dem Sex-Pistol-Cover "Anarchy" (insgesamt gibt es zwei Coverversionen der englisch Kult-Punker) fortsetzt, zieht sich durch das gesamte Album: Die Ukrainians sind härter geworden, knüppeln das Schlagwerk und hauen keineswegs zimperlich in die Gitarrenseiten. Aber das ist eigentlich das Einzige, was sich bei den Ukrainians geändert hat. Ansonsten gibt's ein gewohnt gutes Arrangement der Songs, politische Texte (u.a. "Srebrenica") und Mandolinen-Exzesse. Als kleine Belohnung fürs lange Warten befinden sich auf der Enhanced-CD jede Menge Fotos und vier Live-Stücke als mpr (von dem 2001 erschienenen Live-Album "Drink To My Horse").

Claudia Frenzel

 

THE UKRAINIANS - Respublika


SALSA CELTICA
El Aqua De La Vida

(G2 Records C2CD7010/Fenn Music Service)
9 Tracks, 48:35

PAUL MOUNSEY
City Of Walls

(Iona Records IRCD069)
14 Tracks, 50:38; mit Texten

SUNHONEY
November

(Vertical Records VRTCD005/Sanctuary/Indigo)
10 Tracks, 48:24; mit Texten

Lasst uns überkreuzen! Eh, keine Ahnung, was das ist? Nie was von Crossover gehört? Immer schön von Schottland ausgehend und dann sehen, wohin wir kreuzen können.

Der Name der ersten Gruppe verrät die Reise. Es geht auch auf der dritten CD von Salsa Celtica von Alba nach Südamerika. Der beste Versuch der 11-köpfigen Gruppe bisher, die anscheinend so unterschiedlichen Musiken zu mischen. Mir war bislang das Latino-Element inkl. Bläser zu dominant. Nicht, dass sich das grundlegend geändert hätte, aber die keltischen Klänge holen ganz langsam auf. "Auld Lang Syne" ist einfach umwerfend. Im Juli ist die Band in Rudolstadt und das garantiert extrem hohe Tanztemperaturen.

Von der Mischung Latino/Celtic hat auch der in Sao Paula lebende Schotte Paul Mounsey auf seinen ersten drei CDs gezehrt, aber anders als die obigen Kollegen arbeitet Mounsey zwar auch mit anderen Musikern, aber hauptsächlich mit Technik, sprich Samples, Loops und dergleichen. Auch die neue CD mixt Schottland mit Südamerika, aber eben auch mit u.a. Galizien, Portugal oder Palästina. Das Resultat ist eine Achterbahn der Gefühle. Teils stellt Mounsey Klänge und Melodien so genial zusammen, dass diese CD eine ganz besondere "Besondere" ist, dann wiederum lassen mich Pathos und Überproduktion verzweifeln. Und die Hymne auf Tracks 3 oder der gälische Waulking Song mit Mary Jane Lamont auf Track 5 ist beides. Bin ich jetzt unklar genug? Außerdem schafft Mounsey das Außergewöhnliche, via "Taking Back The Land" mit einem Instrumental eine politische Aussage zu treffen.

Das Projekt Sunhoney ist die Herzensangelegenheit des Blazin' Fiddles-Mannes Aidan O'Rourke und hier kreuzen die schottischen Wurzeln mit modernen, extrem tanzbaren Beats. Ein kräftiges Schlagzeug und saftige Basslinien liegen unter allen Stücken, Dancefloor mit einer Verbeugung Richtung Shooglenifty. Darüber werden per Fiddle die schottischen Tunes ausgebreitet und bei vier Stücken singt Alynth McCormak auf ihre bezaubernde Art. Sunhoney klingen nicht aufgesetzt, ihr Stil ist im positiven Sinne selbstbewusst. Das passt natürlich weniger in den Folkclub als in die Disco, aber sicher ist: So kann die Tradition überleben!

Mike Kamp

 

SALSA CELTICA - El Aqua De La Vida

 PAUL MOUNSEY - City Of Walls

SUNHONEY - November


EDOUART PAPAZIAN/GILLES CHABENAT
Le traité des songes

(Modal mpj 111025)
14 Tracks, 43:40; franz./dt. Infos

Es klingt verrückt, aber: Was haben eine Heidelberg Speedmaster KBA Rapida 162 A und eine Siorat gemeinsam? Beide Geräte haben rotierende Elemente und mit beiden kann man Musik machen. Wie das? Gilles Chabenat, einem der virtuosesten Drehleier-Instrumentalisten und Komponisten Frankreichs und seinem Duopartner Edouart Papazian sind die Gemeinsamkeiten aufgefallen: sowohl bei der Druckerpresse wie auch bei der elektroakustischen Drehleier entsteht aus der Rotation mit Hilfe einer Tastatur Kunst: im einen Fall als gedrucktes Wort, im anderen als Klang. Man muss als Musiker einerseits eine gehörige Portion Humor für ein solches Duoprojekt haben, andererseits benötigt es die Virtuosität und Kreativität eines Gilles Chabenat, um den gesampelten Klang der verschiedensten Rotationsmaschinen aus Zentralfrankreich und impressive Melodiearabesken auf der Drehleier zusammenzubringen. Entstanden ist aus diesem Projekt eine faszinierende Musik von imaginativer Kraft, die der sogenannten "schwarzen Kunst" mit klangvollen Titeln wie "de machine et d'eau", "les grandes CAPITALES", "le lavage des formes" ein Denkmal setzen. Grandios, wie sich aus gesampelten, dumpfen Rotationsrhythmen und Geräuschen der Druckmaschinen langsam Melodien herauskristallisieren, die mit den teils elektronisch verfremdeten Klängen der Siorat-Leier zu einem Gesamtklangkosmos verschmelzen. Ein Musikerlebnis der besonderen Art, wenn man bereit ist, sich dem Unerwarteten und Ungewohnten zu öffnen.

Ulrich Joosten

 

EDOUART PAPAZIAN/GILLES CHABENAT - Le traité des songes


KROKE
Ten pieces to save the world

(Oriente Music, Rien CD 45/Fenn Music Service)
10 Lieder, 51:14; Kurzinfo engl.

Kaum zu glauben, dass diese dichte und vielseitige CD nur von einem Trio bespielt wurde. Doch es handelt sich um die 1992 gegründeten Kroke ("Krakau"), die mittlerweile zu den international populärsten Bands Polens gehören. Nach ihrer Zusammenarbeit mit dem berühmten Violinisten Nigel Kennedy wollen sie nun einen musikalischen Beitrag zur Rettung der Welt, zumindestens jedoch der menschlichen Seelen leisten. Noch immer basiert ihre Musik auf der Musik osteuropäischer Juden. Doch die Meister vieler Instrumente spinnen ein weites Tuch musikalischer Spielereien, welches die mit dem Begriff Klezmer-Musik verbundenen Vorstellungen weit überschreiten. Die rein akustisch aufgenommene CD gehört zu den weltmusikalischen Besonderheiten, die Polen zu bieten hat.

Jürgen Brehme

 


TROND STEFFEN WESTBERG
Bortover all vei ...

(Lindberg, NOMPPO202001)
26 Tracks, 57:19; mit norweg./engl. Infos

Trond Steffen Westberg ist etwas so seltenes wie ein Musiker mit Seele. Das steht auf dem Cover, auf dass sich die vielen seelenlosen Musiker, die den beseelten Wesen wohl das Leben vergällen, in Grund und Boden schämen. Schwachsinnige Covertexte sollten aber nicht ausreichen, ihr Opfer in Acht und Bann zu tun, hören wir uns das Seelchen mal an - und entdecken wir einen phantastisch guten Geiger, vielfach preisgekrönt, dessen besondere Liebe der Musik Telemarks gilt, wo er nicht nur die lokalen Geigenstile studiert hat, sondern auch die einheimische Tanzkunst. Er hat für diese CD sein Netz aber etwas weiter ausgeworfen (er ist ein passionierter Jäger und Fischer, der manchmal schweigt und manchmal redet, sagen die Infos), bis zur alten Bergwerksstadt Røros, aus der Pols Nr. 1 stammt, Pols überwiegt überhaupt auf der CD, allesamt aus dem Repertoire alter Spielleute übernommen, einige Springer aus Telemark und ein Marsch runden dieses feine Werk perfekt ab.

Gabriele Haefs

 


JONY ILIEV & BAND
Ma maren ma

(Asphalt Tango/EFA 69200)
13 Tracks, 46:27; mit Infos und Texten

"Wenn ihr mich schlagt, renne ich. Das ist das Leben der Zigeuner, es ist verflucht", singt Jony Iliev in seiner Muttersprache Romanes im Titeltrack "Ma maren ma". Mit einer Stimme, die unter die Haut geht, voll Leidenschaft und Melancholie. Iliev ist ein großartiger Sänger! Obwohl erst sein Debütalbum, klingt er darauf so souverän, als habe er sein Leben lang nichts anderes getan, als zu singen. Genau so ist es auch: Früh wurde man auf Jonys Talent aufmerksam und hat es durch unzählige Konzerte auf Hochzeiten gefördert.

Anders als viele bulgarische Folkpop-Bands, die rein auf Kommerz getrimmt sind, gelingt es ihm, sich seine kulturelle Herkunft zu bewahren. Was nicht heißen soll, dass er und sein Quintett sich nicht anderen Musikstilen öffnen. Den traditionellen Roma-Klängen mischen sie einen kräftigen Schuss Jazz und Tango bei. Akkordeonist Martin Lubenov beweist, dass man sein als sperrig verschrienes Instrument wendig einsetzen kann und entlockt dem "Asthmatischem Wurm" höllisch schnelle Töne, an denen selbst Teufelsgeiger Paganini seine wahre Freude hätte. Die vorherrschende Grundstimmung bleibt jedoch Moll. Ein zartes Gewebe aus wunderschön traurigen, sehr dichten Kompositionen, von dem man sich gerne gefangen nehmen lässt. Kommt es zu feurigen Ausbrüchen, verlässt man es auch gerne wieder, lässt sich mitreißen und tanzt mit. Einfach so. Vor Lebensfreude.

Frank Schuster

 


PAUL VENS
Open

(Eigenverlag)
13 Tracks, 52:56; mit Infos

Die Niederlande waren immer für einen Geheimtipp gut. Diese CD gehört definitiv dazu. Das Cover sieht aus wie eine der vielen unerträglichen New-Age-Veröffentlichungen. Und wirklich, "Open" handelt von Tibet, von Peace, Love and Happiness, freier Liebe und der Fürsorge füreinander. Was man dann zu hören bekommt, ist aber nicht den befürchtete Synthesizerteppich, sondern sehr behutsame, zärtliche Songs in bester Liedermachertradition. Man fühlt sich ein bisschen an ein Fan-Projekt erinnert, Enthusiasmus und Glaubhaftigkeit schlagen technisches Können und machen den Reiz aus. Diese CD taugt auch für die Low-Fi-Gemeinde, die sehnsüchtig neue Walkabouts-Scheiben ersehnt. Musik, die in kleinen Folkclubs gespielt wird, in denen Menschen ihren Tee kalt werden lassen, heimlich nach dem Taschentuch greifen und in der Pause die selbst gepressten CDs erwerben. Paul Vens ist vergleichbar mit Paul Rowland oder Vens' Landsmann Watchman, natürlich mit kleinerem Budget, aber mit der gleichen! Leidenschaft und dem gleichen Mut. So covert der Sänger mit der zarten Stimme nur ein Stück auf dieser CD, und das von Blueslegende Rory Gallagher. Große Gefühle abseits jeder World-Music-Charts.

Chris Elstrodt

 


ALAIN EVERTS
Paso a paso

(Acoustic Music Records/Zomba 319.1289.2)
10 Tracks, 42:48

Schon nach den ersten Tönen aus dem Player schlägt das Gitarristenherz ein wenig schneller. Wunderbares Klangbild, zwei klassisch besaitete Gitarren, Kontrabass. Und dann diese Musik - kaum merklich zwischen Komposition und Improvisation hin- und herfließend. Ohne jeden Bruch fügt sich Komposition um Komposition in den tonsprachlich sehr intimen Rahmen. Trios, Duos und Solos wechseln in loser Folge ab. Das musikalische Vokabular enthält vorwiegend spanische und lateinamerikanische Elemente. Formeln und Floskeln sucht man vergeblich. Everts klingt in jeder Note authentisch. Ein größeres Kompliment kann man einem Musiker im Reich unendlicher Beliebigkeit und Austauschbarkeit gar nicht machen. Die Demokratisierung der Produktionsmittel hat es ja leider mit sich gebracht, dass heute (fast) jeder meint veröffentlichen zu müssen, bevor er sich überhaupt Gedanken um eine Aussage gemacht hat. In "Paso a paso" hat jede Note ihren Platz und ihren Sinn - keine überflüssige Virtuosität, kein gitarristischer Schnickschnack. Wenn Alain Everts diese CD all jenen widmet, die ihr Leben so leben: Schritt für Schritt, möchte ich dem nur hinzufügen: wie schön dass das jemand schreibt, der weiß wovon er spricht. "Paso a paso" ist Zeugnis einer künstlerischen ausgereiften Persönlichkeit und wird hoffentlich auch das Herz vieler Nicht-Gitarristen wärmen. In diesem Sinne unbedingt reinhören!

Rolf Beydemüller

 

ALAIN EVERTS - Paso a paso


AMANN RIK
Petites confidences au creux de l'oreille

(Playasound PS 65262/Sunny Moon)
10 Tracks, 53:49; mit franz./engl. Infos

Manchmal klingt diese CD wie "Peter und der Wolf in der Bretagne". Schuld daran ist das Fagott, das die bretonische Band Amann Rik neben Querflöte, Gitarre und akustischem Bass einsetzt. Die Musiker des Quartetts haben Erfahrungen in Folk, Jazz und klassischer Musik, was zu ungewöhnlichen, aber erstklassigen Arrangements führte. Auch bei den Melodien wird mehr als Hausmannskost geboten. Zu bretonischer Tanzmusik wurden auch Stücke aus dem Jemen, aus Ungarn und Bulgarien verarbeitet. Eine anspruchsvolle CD, der im Klangbild allerdings auf Dauer etwas die Abwechslung fehlt.

Christian Rath

 


ALBAN UND JOSUÉ
Polska på Pan

(Tonart CD 45)
15 Tracks, 50:32; mit schwed./engl. Infos

Alban Faust spielt Nyckelharpa und diverse Sackpfeifen, Josué Trelles spielt Panflöte, der Titel der CD ist sozusagen Programm: hier wird schwedische Musik auf Panflöte gespielt. Ungefähr die Hälfte der Stücke stammen aus dem Labor von Doktor Faust, der Rest ist Trad., liest sich spannend und klingt ... das erste Stück heißt "Menstruationsmelodie" und ist Frauen gewidmet, die mit ihren Hormonen ringen, und selbst die friedlichste unter ihnen würde vermutlich das Ringen für einen Moment einstellen und sich fauchend diese Anbiederei verbitten, wenn die Musik nicht gar so beruhigend und einschläfernd wäre. Und so geht's weiter, ob Schottisch, Brautmarsch, Polka oder ein Tanz mit dem Bären, alles säuselt so dahin, süß, lieblich, entspannend, es klingt schon irgendwie schwedisch und irgendwie nach "El condor pasa", aber dann auch wieder nicht, entzieht sich jeder Beschreibung, aber wie gesagt, ist überaus beruhigend und friedlich stimmend.

Gabriele Haefs

 


JOÃO AFONSO
Zanzibar

(Universal Emarcy 017 156-2)
14 Tracks, 41:00; mit Texten

Beim Anhören von "Zanzibar" klingt manches vertraut. Auch wenn der Mann nicht Afonso hieße, wären die Parallelen schnell gezogen. Da sind die Lieder, die in ihrer Machart an José Zeca Afonso erinnern. Da ist auch diese Stimme, deren Stimmlage und Timbre etwas derjenigen des 1987 verstorbenen großen Mannes des portugiesischen Liedes gleicht. José Zeca Afonso war der Onkel von João Afonso und hat diesem die Liebe zu afrikanischen Klängen und der ruralen Musik Portugals näher gebracht. "Zanzibar" ist ein herrlich anachronistisches Album. Es ist, als wäre die Zeit etwa 1976 still gestanden, als José Afonso sein Album "Com as minhas tamanquinhas" aufnahm. Wie jene Platte nimmt auch "Zanzibar" die Klänge Afrikas, Portugals und Galiziens auf. Musiker aus Portugal, Galizien, Mosambik, Guinea, den Kapverden, Angola und Brasilien zeichnen für ein fein swingendes, helles, nie überproduziertes Album. Jedes der Stücke besitzt seinen eigenen Charme. Herauszuheben wären vielleicht das ruhige "O som dos sapatos", das wunderschön portugiesisch-afrikanische "Mar me quer" oder das mit den vier diatonischen Akkordeons der Gruppe Danças Ocultas eingespielte "Palavras de xadrez". Es ist, als wäre Zeca Afonso wiederauferstanden - als fröhlicherer Mann allerdings, mit einem sanften Lächeln in der Stimme. Die CD erfrischt wie ein weicher Sommerregen, eine Reise in eine Welt der Träume - nach Zanzibar eben.

Martin Steiner

 


Home