backStark und sensibel

Erika Pluhar

Politisch, wenn man sich überhaupt äußert

Discographie

Bossa à la Marinoff (1990, Extraplatte)
Wiener Lieder (1991, Extraplatte)
Lieder aus 10 Jahren, (1992, Extraplatte)
Der Papalagi. Mit Peter Rosmanith, Jon Sass,
    Wolfgang Puschnig u.a. (1993, Extraplatte)
Ein Abend am Naschmarkt. Mit Klaus Trabitsch
    (1995, Extraplatte)
For Ever. Mit Antonio V. D'Almeida (1997, Extraplatte)
Pluhar liest Pluhar (1998, Extraplatte)
Pluhar liest Marlen Haushofer (2000, Orf Shop)
Jahraus, Jahrein . Mit A. V. D'Almeida, Klaus Trabitsch,
    Paulo Jorge (1998, Extraplatte)
I gib ned auf (1999, Extraplatte)
Der Herbst Steht Auf Der Leiter (2000, Kreuz)
Es gibt keinen Tod (2001, Kreuz)
Marafona – Filmmusik (2001, Extraplatte)

Auswahlbibliographie

Aus Tagebüchern – 1969-1980 (1981, Rowohlt/Reinbek)
Über Leben, Lieder und Geschichten (1982, Rowohlt)
Als gehörte eins zum anderen. Eine Geschichte
    (1991, Überreuther/Wien)
Zwischen die Horizonte geschrieben. Lieder, Lyrik,
    kleine Prosa (1992, Überreuther)
Marisa. Rückblenden auf eine Freundschaft.
    (1996, Hoffmann & Campe/Hamburg)
Am Ende des Gartens. Erinnerungen an eine Jugend
    (1997, Hoffmann & Campe)
Matildas Erfindungen (1999, Hoffmann & Campe)
Der Fisch lernt fliegen. Unterwegs durch die Jahre
    (2000, Hoffmann & Campe)
Verzeihen Sie, ist das hier schon die Endstation?
    (2001 Hoffmann & Campe)

Auszugsfilmographie

Marmortische (ORF)
Abermals seh' ich dich wieder –
    Eine musikalische Reise durch Portugal) (ORF)
Rosalinas Haus (ORF 1992)
Erika Pluhar & Antonio V. D'Almeida und ihre Lieder (1996)
For Ever nach Portugal (1996)
Durch die Jahre – Ein Selbstportrait. (1998, ORF)
Marafona. Ein Film über das Lieben.
    (2001, ORF-Kultur & 3sat
)

go! members.aon.at/erikapluhar/
go! www.extraplatte.at

Es gab Zeiten, da trat sie mit glitzerndem Flitter und wallender blonder Mähne auf die Bühne, um gesprochene Lieder „unter Zuhilfenahme des Gesangs“ vorzutragen. Damals trug Erika Pluhar Chansons der dreißiger Jahre, Biermann-Lieder und Texte ihres Ex-Mannes André Heller vor. Doch die Jahre der „femme fatale“ hat die österreichische Schauspielerin, Sängerin, Liedermacherin, Schriftstellerin und seit jüngstem auch Filmemacherin längst hinter sich gelassen. Die Texte für ihre Lieder schreibt sie seit langem selber. Erika PluharDas Burgtheater hat sie am Tag ihres 60. Geburtstags 1999 nach vier Jahrzehnten verlassen. Erika Pluhar ist eine starke und zugleich sensible Frau. Was immer sie tut, die „Deckungsgleichheit von Inhalt und Interpretation“ ist ihr wichtig. Deswegen ließ sie sich bei allem Engagement – ob für den Frieden oder für die Frauenemanzipation – nie von einer Bewegung vereinnahmen. Aus ihrer politischen Einstellung gegen die derzeitige österreichische Regierung macht sie jedoch keinen Hehl. Politische „Statements“ mag sie nicht. Doch zu den Folgen der Terroranschläge in den USA im vergangenen September hat die Künstlerin sich dann doch geäußert (s. Kasten „Zu Österreich und zur Weltlage“ im Heft).

Michael Kleff hat Erika Pluhar vor ihrem Auftritt beim diesjährigen „Festival Musik und Politik“ in ihrem verwunschenen Haus im Wiener Vorort Grinzing besucht, wo sie seit gut 35 Jahren lebt.

Es gab ja einmal Zeiten, wo man bei politischen Ereignissen immer auch den Namen Erika Pluhar auf dem Bildschirm, auf einer Bühne oder unter einer Unterschriftenliste sah ...

Ja, das ist aber jetzt schon länger her ... und grade die ganzen Unterschriftslisten, das habe ich irgendwann mal konsequent auf das reduziert, wo ich wirklich auch was mit anfangen konnte. Als ich begonnen hatte bei diesen Friedenskonzerten, da war das noch eine kühne Tat. Aber es dauerte ja immer nur ganz kurz, und es war schick. Meist habe ich mich dann auch wieder aus diesen Sachen zurückgezogen. Ich habe zum Beispiel in meinem jetzigen Programm und auch schon zu einem Zeitpunkt, als das völlig weg war, als die Beziehungslieder angesagt waren, wieder politische Lieder über Haider und unsere österreichische politische Situation. Es gab so zwei, drei Lieder, die die Leute vollkommen erstaunt haben, weil das für sie ungewohnt war, so zwischen die Stücke eines Liedprogramms verstreut. Ich habe das ganz bewusst wieder bei mir eingeführt. Da ich in der letzten Zeit im Dialekt texte, geht das auch viel besser. Da ist man nicht so prätentiös und man kann auch vieles mit Humor anpacken, was ja viel besser ist als der bittere Ernst. Und hat natürlich auch damit zu tun, dass ich jetzt viel viel mehr in der Lage bin, politisch etwas abzuschätzen. Ich bin mittlerweile auch ein sehr sehr guter politischer Beobachter geworden.

Erika Pluhars Lebenscredo
für die wahre und einzige
Emanzipation lautet:
„Als Mensch voll anerkannt zu sein,
als Mensch,
der sehr bewusst eine Frau ist“.

Was beobachten Sie im Moment? Wie sehen Sie unsere Welt, unsere Gesellschaft? Was fällt Ihnen auf, was tut Ihnen weh?

Das ist sehr schwer jetzt in der Kürze zu fassen. Ich war sehr lange nach diesem ominösen Bombenanschlag vollkommen zurückgestoßen von dem, was da sofort alle vor sich her geplärrt haben mit ihrer totalen Amerika-Solidarität. Für mich hat dieser 11. September die Welt nicht verändert, sondern er war ein Resultat dessen, wie verändert die Welt ist. Ich habe jetzt ein Lied, das hatte vorher mit diesem Inhalt gar nichts zu tun. Es waren eher Strophen, in denen es um Österreich ging: „Alles hat zwei Seiten“. Bei unseren letzten Konzerten mit dem Klaus-Trabitsch-Ensemble habe ich einfach in einer der Zwischenstrophen eine Verbindung hergestellt. Das war sehr schön. Es hat immer Applaus gebracht, dass man jetzt nämlich nicht einfach nur nach der einen Seite schauen kann. Und wie weit wir manipuliert werden, auch in der Berichterstattung, das ist mir völlig klar. Ich bin ja gar nicht ein Mensch, der jeden Tag alle Tageszeitungen liest. Aber ich versuche, mir immer alles sehr genau anzusehen und dann auch meinen Instinkt sprechen zu lassen, der mich seltsamerweise selten betrügt.

Erika PluharMir fällt auf, dass alle ihre Lieder, die etwas mit Politik zu tun haben, selbst das „Haider-Lied“, irgendwie freundlich klingen ...

Ja, ja – ich denke nicht daran, jemandem, den ich kritisiere, die Freude zu machen, mich förmlich zu erregen, sondern ich möchte dem Ganzen eher mit Spott und Hohn begegnen. Nichts ist kontraproduktiver als Empörung. Jede Kritik, die auf der Schiene kommt, wo man auch lachen kann, ist das Allerbeste, wenn man damit etwas erreichen möchte: So für mich selber bin ich oft empört, ich sitze allein vorm Fernsehapparat und stoße Schreie der Wut aus. Die Menschen im Publikum, mit denen ich ohnehin einer Meinung bin, mit denen kann ich grandios miteinander empört sein. Aber da hat keiner was von. Mir geht es eher darum, mit den Liedern so ein bisschen anzutippen, dass jemand der zunächst sagt: „Aber was singt sie denn da jetzt, die Pluhar? Um Gottes Willen! Jetzt wird's politisch!“ oder so, dann doch irgendwo nachdenklich wird. Ich habe da ein Lied, da geht der Refrain: „Das verstehe ich nicht, das verstehe ich nicht, tut mir Leid, da komme ich nicht mit“. Das ist ein ganz stilles Stück, in dem es auch um Kindesmissbrauch geht. Und da herrschte plötzlich Totenstille. Also, das ist mir lieber als die geschwungene Faust, denn die ist auch wieder eine Faust. Die kann man nicht brauchen, meiner Meinung nach.


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im Folker! 2/2002