backNeue Folker!-Serie

There's no business like Folk-Business

Teil 1: Die MusikerInnen

Konzerte sind ihre wichtigste Einnahmequelle / Von jeder im Laden gekauften CD bekommen sie nur zwei bis drei Mark

In einer etwa zehnteiligen Serie will der Folker! die Situation der Leute darstellen, die in Deutschland ihren Lebensunterhalt mit Folk, Lied und Weltmusik bestreiten. Sie soll zum gegenseitigen Verständnis zwischen Publikum und Professionellen, aber auch innerhalb des „Folk-Business“ beitragen. Nach der Einleitung in Folker! 2/2001 geht es heute um diejenigen, die im Zentrum des Ganzen stehen: die MusikerInnen.

Von Christian Rath

Natürlich führt niemand eine Statistik über die Zahl der Folk-MusikerInnen in Deutschland. Aber Heidi Zink, die Vorsitzende des Lobby-Verbandes PROFOLK, schätzt, dass rund 5.000 Menschen ihr Einkommen ganz oder überwiegend als MusikerInnen in den Bereichen Folk, Weltmusik, Lied und Mittelalter verdienen. Nicht mitgezählt sind dabei die so genannten Amateure, die einer „normalen“ Vollzeit-Arbeit nachgehen und nur nach Feierabend etwas Geld als MusikerIn verdienen.

Allerdings können auch bei den rund 5.000 Profis wohl nur fünf bis zehn Prozent ausschließlich von ihren Konzertgagen, CD-Verkäufen und Urheberrechten leben. Die übrigen müssen sich noch ein Zubrot verdienen, sind so gesehen also eher Semi-Professionelle.

Als Nebenbeschäftigung bieten sich vor allem Tätigkeiten an, die ebenfalls mit Musik zu tun haben. Viele FolkkünstlerInnen geben Unterricht, sei es an einer Musikschule oder privat. Andere organisieren Konzerte, produzieren CDs oder managen KollegInnen. Auch der Einsatz als Studio- oder TourmusikerIn kommt vor, ist aber in der Folk-Szene nicht so häufig wie etwa im Rock-Geschäft. Auf jeden Fall muss die Nebentätigkeit flexibel sein, so dass auch ungewöhnliche oder weit entfernte Konzert-Termine wahrgenommen werden können. Andererseits sollte man den Nebenjob auch zeitlich aufstocken können, wenn es mal mit dem Haupterwerb als MusikerIn nicht so gut läuft.

Nur ganz wenige Folk- und WeltmusikerInnen gehören in Deutschland zu den SpitzenverdienerInnen und können pro Jahr mehr als 100.000 Mark netto verbuchen. Auch die Zahl derjenigen, die den noch recht bequemen Einkommensbereich von 60.000 bis 100.000 Mark erreichen, dürfte, so schätzt Heidi Zink, relativ gering sein. Die große Masse wird wohl mit 20.000 bis 60.000 Mark pro Jahr (inklusive Nebenjobs) gerade so ihr Auskommen finden. Wer als (halb-)professioneller Musiker unter 20.000 Mark pro Jahr verdient, ist entweder AnfängerIn oder in einer echten beruflichen Krise, etwa nach Auflösung einer Band.

Damit geht es den FolkmusikerInnen sicher noch besser als den KollegInnen aus der Jazz-Sparte. Obwohl diese meist über exzellente handwerkliche und künstlerische Fähigkeiten verfügen, können sie kaum von ihrer Musik leben. Zu klein ist das Publikum für diese eher unzugängliche Musik. Für Folk, Weltmusik, Lied und Mittelalter gibt es dagegen einen vergleichsweise breiten Markt, auch wenn die Situation in den letzten Jahren, gerade im Bereich der Live-Musik, nicht einfacher geworden ist.

Unsichere Situation

Schwierig war die Situation auch für MusikerInnen in Ostdeutschland, die sich nach der Wende völlig neu orientieren mussten. Zu DDR-Zeiten war es zwar nicht leicht, den Status als BerufsmusikerIn zu erreichen – wenn man ihn aber hatte, lebte man relativ gesichert. Ab 1990 machten jedoch viele der bis dahin staatlich finanzierten Auftrittsorte dicht. Und die neue Vielfalt im öffentlichen und medialen Leben sorgte dafür, dass das Publikum nicht mehr in jedes angebotene Konzert ging. Die Arbeit als MusikerIn, die zu DDR-Zeiten als eher privilegiert galt, war plötzlich sehr prekär geworden.

Und auch sonst ist es durchaus von wirtschaftlicher Bedeutung, wo eine MusikerIn lebt. Wer vor allem in Süddeutschland verankert ist, hat es leichter als die KollegInnen im Norden und Osten Deutschlands. Im Süden ist die Kaufkraft des Publikums einfach größer, das heißt: Es können höhere Eintrittspreise bei Konzerten bezahlt werden, es werden mehr CDs verkauft und eine Band wird eher mal privat zu einer Hochzeit oder einer Betriebsfeier engagiert.

Unsicherheit prägt den Beruf des/der MusikerIn natürlich vor allem am Anfang. Bis man von Musik leben kann, sind jede Menge „Investitionen“ erforderlich. Man braucht bühnentaugliche Instrumente, unter Umständen auch eine Verstärkeranlage. Für entfernte Auftritte und Tourneen muss ein entsprechendes Fahrzeug vorhanden sein. Und bis ein bühnenreifes Programm steht, sind jede Menge Proben und konzeptionelle Überlegungen notwendig.

Aufwand und Ertrag stehen gerade zu Beginn einer Musikerkarriere in keinem Verhältnis zueinander. Denn die Gagen für unbekannte KünstlerInnen sind oft kärglich. Da spielt man auch mal für 100 Mark pro Person und weniger, nur um sich einen Namen zu machen und um Bühnenpraxis zu bekommen. Ein Großteil der Einnahmen wird dann auch gleich wieder in das Projekt investiert, für neue Anschaffungen oder Marketing-Maßnahmen.

Aber MusikerIn wird eben auch niemand aus rein ökonomischen Gründen. KünstlerInnen wollen sich ausdrücken, für sich und andere spielen und ansonsten Spaß haben. Viele Musiker-Karrieren beginnen auch noch während eines Studiums, einer Zeit also, bei der das Geldverdienen ohnehin nicht im Vordergrund steht. Oft entscheidet sich dann mit Abschluss der Ausbildung, ob die Musik zum Beruf taugt oder Hobby bleibt. Ein spezifisches Folkmusik-Studium ist in Deutschland, anders als in skandinavischen Staaten oder in den Niederlanden, ohnehin unbekannt.

Konzerte sind ökonomisch am wichtigsten

Vor allem drei Einnahmequellen haben MusikerInnen: Konzertgagen, CD-Verkäufe und Verwertung der Urheberrechte. Fast durchweg bilden bei FolkmusikerInnen die Konzertgagen den größten Teil der Einnahmen.

Über die Berechnung und Höhe der Gagen kann nur wenig allgemeines gesagt werden. Fast alles ist hier Verhandlungssache. Im Wesentlichen gibt es aber zwei Modelle. Entweder bekommt die Band eine Fixgage oder die Eintrittsgelder werden prozentual zwischen Veranstalter und MusikerInnen aufgeteilt. Als Mischform können dabei auch Mindestsummen für Band/KünstlerIn oder Veranstalter vereinbart werden.

Nur ganz wenige SpitzenverdienerInnen können Gagen über 10.000 Mark pro Abend verlangen. Dann müssen sie aber auch in der Lage sein, mehr als tausend Leute zu einem Konzert zu locken. Die durchschnittliche Gage für (halb-)professionelle FolkmusikerInnen dürfte weit darunter liegen, vielleicht bei zwei- bis dreitausend Mark. Über die Gagenhöhe sprechen aber auch MusikerInnen untereinander nur selten. Und das liegt nicht nur an den Verträgen, die meist eine Stillschweigens-Klausel beinhalten. Um die eigene Verhandlungsposition zu wahren, will sich niemand in die Karten schauen lassen.

Welche Gage eine Band für ein bestimmtes Konzert bekommt, hängt letztlich von sehr vielen Faktoren ab. Der Veranstalter kann großzügiger sein, wenn er mit vielen Besuchern rechnet, wenn er öffentlich gefördert wird oder wenn die Band für das Prestige seines Ladens gut ist. Die Band/die KünstlerIn kann nachgeben, wenn sie ohnehin in der Gegend ist und sonst gar nicht spielen würde, wenn Veranstalter und Ort sympathisch sind, wenn sie zum ersten Mal in einer bestimmten Stadt spielt und sich ein Publikum aufbauen will usw... Große Bands bieten für Live-Auftritte oft nur eine Kernbesetzung an. Wer die ganze Band sehen will, muss entsprechend mehr bezahlen.

Teil 2 der Folk-Business-Serie wird im übernächsten Folker! erscheinen. Dann stehen die Plattenfirmen und ihre Arbeit im Mittelpunkt.

Für ihre Auskunftsbereitschaft danke ich diesmal Markus Brachtendorf (Lecker Sachen), Jo Meyer (JAMS), Heidi Zink (Fraunhofer Saitenmusik, PROFOLK) und Robert Zollitsch.


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Mehr darüber im Folker! 4/2001

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