Von Christian Rath
Die finnische Folksupergruppe Värttinä hat eine ungewöhnliche Geschichte. Als singende Jugendgruppe begann man 1983 in einem Fünfhundertseelendorf in Ostfinnland. Mit dabei damals fünfzehn Mädchen und sechs Jungs. Die Älteste, Sari Kaasinen, war die Anführerin und arrangierte das meist traditionelle Material. In dieser Formation wurden auch die ersten beiden Platten aufgenommen. 1989 zogen dann drei Frauen Sari Kaasinen, ihre Schwester Mari und Kirsi Kähkonnen sowie der Multiinstrumentalist Janne Lappalainen nach Helsinki. Mit einigen bekannten Rock- und Folkmusikern gründeten sie Värtinnä faktisch ein zweites Mal. Es dauerte nur ein bis zwei Jahre, da war die Gruppe mit ihren vier Leadsängerinnen weltweit bekannt. Auch das jetzt erschienene Album »Vihma«, inzwischen das siebte von Värttinä, schnellte im Nu auf Platz eins der EBU-Weltmusik-Charts. Christian Rath sprach vor dem Värttinä-Konzert in Stuttgart mit den zwei Gründungsmitgliedern Janne Lappalainen und Mari Kaasinen.
Pop oder Folk? Bei wohl kaum einer Gruppe
ist die Frage so schwer zu beantworten, wie bei Värttinä...
Janne: Auf den Plakaten steht manchmal world-pop...
Und paßt das?
Janne: Es ist nicht unser Job, solche Begriffe zu erfinden, wir sind
für die Musik zuständig. Aber am liebsten mögen wir es, wenn
unsere Musik als »Värttinä-Sound« beschreiben wird. Sie
basiert auf finnischer Vokaltradition und dann kommt ganz viel hinzu...
1987 »The First Album« bei Mipu/Finlandia
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Was zum Beispiel?
Janne: Wir machen das nicht so kalkuliert. Man hört etwas im
Radio oder auf einer CD, dann setzt sich das im Kopf fest und irgendwann
gibt es einen Impuls für unsere Musik..
Hört Ihr privat auch Folkmusik?
Janne: Ich nicht.
Mari: Ich höre so etwas schon, vor allem finnische Musik.
Auf Eurer letzten CD »Vihma« sind
»throat singer« aus Tuva zu hören. Wie kamt Ihr auf diese
Idee?
Janne: Das war mehr oder weniger Zufall. Als wir in Helsinki im Studio
waren, haben die throat singer gerade nebenan auch eine Platte aufgenommen.
Da hatte unser Produzent Richard Horowitz die Idee, ihren Gesang mit einigen
Samples bei uns einzubauen.
In welcher Sprache singt Ihr eigentlich genau?
Janne: Wir singen finnisch...
Mari: ...im karelischen Dialekt
Ist das der Dialekt des Dorfes, in dem Ihr
zusammen aufgewachsen seid?
Janne: Nein. Der Dialekt, den wir verwenden, ist viel älter.
Das ist die Sprache, in der das finnische Nationalepos Kalevala geschrieben
ist. Und die Mädchen haben eben damals diese Gedichte gelesen und wollten
auch in dieser Sprache singen. Das ist heute aber auch für die meisten
Finnen schwer zu verstehen, vor allem wenn so schnell gesungen wird wie bei
uns.
Warum habt Ihr das beibehalten, als Ihr anfingt,
selber Stücke zu schreiben?
Janne: Warum nicht? Der Rhythmus und die Metrik dieser alten Sprache
gehören einfach zu Värttinä. Die Sprache eignet sich sehr
gut für den Gesang und hat im Klang auch etwas Percussives.
Habt Ihr schon einmal überlegt, englisch
zu singen?
Janne: Das ist uns natürlich schon vorgeschlagen worden. Aber
das machen wir nicht, das wäre nicht mehr Värttinä.
Mari: Nein, wirklich nicht. Die Texte sind bei Popsongs heute doch
eh nicht sehr wichtig.
Janne: Ja, selbst unsere Fans in Japan haben die Texte mitgesungen,
obwohl sie natürlich kein Wort davon verstehen.
Habt Ihr viele Fans in Japan?
Janne: Nein, aber sie sind sehr treu.
Wo verkauft sich Eure Musik am besten?
Janne: In Skandinavien und Mitteleuropa, also Deutschland, Niederlande,
Belgien. Im Mittelmeerraum geht es eher langsam voran.
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