backAfricans Unite!

Baaba Maal

Musiknomade aus Berufung

»In meiner Heimatstadt Podor trafen sich früher alle ethnischen Gruppen. Die vom Norden kamen, machten hier ihren ersten Halt nach langer Reise. Und in die andere Richtung ist es der letzte Stop, wenn man mit Salz und anderen Waren Schwarzafrikas durch die Wüste will. Am Fluß Senegal trafen sich Menschen aus Mali, Gambia, Elfenbeinküste, Guinea und Mauretanien. Und ich wuchs mitten unter ihnen auf.«

Von Luigi Lauer

Wer kann das schon von sich behaupten: aus einer Kleinstadt zu stammen und multikulturell aufgewachsen zu sein. Oder wüßte jemand auf Anhieb ein 6.000-Seelen-Kaff in Europa zu nennen, in dem seit Jahrhunderten Finnen und Russen, Spanier, Iren und Korsen durcheinanderwuseln? Aber vielleicht macht ja erst das Leben in Gegenden, in denen man sich die Existenz jeden Tag neu erstreiten muß, so etwas möglich. Baaba Maal hat das interaktive Kulturenpuzzle seines Heimatdorfes Podor jedenfalls genutzt und auf seine Weise zusammengesetzt. Damit nicht genug, hat er auch den Westen zur Mitarbeit verpflichtet, um seine Vorstellungen von moderner senegalesischer Musik umzusetzen. Neueste Technologie, erfahrene Produzenten und anerkannte Soundtüftler kommen gleichermaßen zum Einsatz, und das nicht erst seit seinem neuen Album »Nomad Soul«. Doch erst die Mischung macht´s, und bekanntlich produzieren viele Köche Brei. Aber genau darin hat Maal noch immer eine glückliche Hand bewiesen, was ihn zu einem der bekanntesten Exportgüter Afrikas werden ließ. Das Wunder von Podor? So weit wollen wir nicht gehen. Immerhin aber hat Maal Musik aus Senegal bekannt gemacht, die einmal nicht mit Youssou anfängt und mit N`Dour aufhört.

Der Weg dahin wäre früher allerdings nicht so leicht gewesen, auch mit mehr Argwohn beobachtet worden. Denn was Baaba Maal macht, ist eigentlich den Griots vorbehalten, die seit uralten Zeiten ihr Handwerk ausüben. Sie sind das Gedächtnis Afrikas für Musik, Tradition, Geschichte. Das zu erlernen dauert nicht nur viele Jahre; man muß auch der Griotkaste angehören, um den Erbfolgeberechtigungsnachweis ausgestellt zu bekommen. Baaba Maal ist kein Griot, und schon sein Name verrät es.

Discographie

1970er
Danniige
Elimaan Buurbarkan
Yela
Wandana

1984/1989/1998
Djam Leelii (Yoff/PalmPictures)

1987
Suka Naayo (Sterns)

1988
Wango (Syllart)

1990
Taara (Syllart)
Nouvelle Generation (Mango/Island)
Ndilane (Sterns)

1991
Baayo (Mango/Island)

1993
Lam Toro (Mango/Island)

1994/95
Firin In Fouta (Mango/Island)

1998
Nomad Soul (Palm Pictures)

Denn mit Musik aus Senegal, so steht es auf allen CDs geschrieben, bringt man Namen wie Diabaté, Kouyate, Cissé oder Ndiaye in Verbindung – Griots eben. Und es sind meist Wolof, während Maal Fulbe (bzw. engl.: Fulani) ist. Der Gedanke, er könne als Jäger im falschen Revier mit seinem Erfolg Eifersucht ausgelöst haben, liegt daher auf der Hand. Aber Maal wiegelt ab: »Nein, das ist kein Problem, denn diese Leute werden ja eingebunden. Wenn du eine Band hast und einen guten Djembespieler brauchst, gehst du zu einer Griotfamilie. Brauchst du einen guten Koraspieler, gehst du zu einer Griotfamilie. Sie haben weiterhin ihren Platz in der Musik, und deswegen sind sie nicht eifersüchtig.« Spricht´s, lehnt sich zurück und spürt meinen »das glaube ich dir nicht ganz«- Blick. Dann schiebt er nach: »Sie verstehen Baba Maalsehr wohl, was hier geschieht, daß seit einigen Jahren die Musiker mehr und mehr Verantwortung in Senegal tragen. Die Menschen hören ihnen zu und identifizieren sich mit dem, was sie sagen. Außerdem – wir haben zuhause ein Sprichwort, das ich gerne zitiere: Das Leben geht seinen Weg, keiner kann es stoppen. Wenn du es aufzuhalten versuchst, wird es dich selbst aufhalten.«Das klingt schon deutlicher, erinnert an Gorbatschow und sein »Wer zu spät kommt...«. Den Griots, jedenfalls den städtischen, bleibt wohl keine Wahl, als sich zu arrangieren. Daß sich heute jeder eine Kora umhängen und Preislieder singen kann, zeigt den Wandel der Zeit, dem auch die recht konservative Welt der Griots unterworfen ist. Wollen und Können müssen aber schon zusammengehen, um eine Reputation zu erlangen, wie Baaba Maal sie hat. Er ist nicht der Typ, der gegen angestammte Authoritäten putscht, bloß weil das immer noch Konjunktur hat in Afrika. Er ist lediglich ein Ausreißer, einer, der sich aus Liebe zur Musik intensiv wie kaum ein anderer mit seiner Tradition auseinandersetzt und sich in einem Geschäft tummelt, das sich erst allmählich für Jedermann – und in neuerer Zeit verstärkt auch Jederfrau – öffnet. An Bekanntheit hat er es inzwischen klar auf Platz Zwei in der senegalesischen Landesliste gebracht – hinter Youssou N`Dour, versteht sich.

Doch so schön wird die Geschichte erst später. Ihr Anfang ist profan: Baaba Maal ist der Sohn eines Fischers und einer Feldarbeiterin. Nach der musikalischen Krabbelphase – seine Mutter brachte ihm viele Lieder bei, sein Vater rief per Gesang die Gläubigen in die Moschee – fiel er in seinem Dorf durch seine schöne Stimme auf. Daß später ein gutdotierter Beruf daraus würde, wollte selbst Maal erst dann glauben, als er in Paris längst die Uni geschmissen hatte und auf das Konservatorium gewechselt war. »Die Leute merkten früh, daß ich ein guter Sänger bin. Aber das war nichts Besonderes, jeder bei uns zuhause hört und macht Musik. Ich dachte nicht daran, Musiker zu werden. Schließlich war ich auch in der Schule gut, und mein Vater hätte gerne gesehen, daß ich Anwalt, Arzt oder Lehrer werde. Er war gar nicht damit einverstanden, daß ich anfing zu singen, als ich auf die Uni in Dakar ging.« Glücklicherweise hat er sich gegen Baaba-Papa durchgesetzt. Das liegt wohl weniger an seinen Oppositionsgelüsten als an seiner Zielstrebigkeit. Er ist es gewohnt, sich intensiv vorzubereiten auf das, was er macht. So auch beim neuen Album »Nomad Soul«: Fast drei Jahre liegen zwischen den ersten Songideen und der fertigen CD. »Out of the blue«, aus heiterem Himmel mal eben etwas zu machen, ist nicht sein Stil. Es kommt daher nicht von ungefähr, daß er in der Presse so oft als Intellektueller dargestellt wird. Für jedes Lied auf »Nomad Soul« hat er sich genau überlegt, wer es produzieren soll, welche Musiker dazu passen, welche Stimmung erzeugt werden soll und wie sie am besten erreicht werden kann. Und wo er es selbst nicht genau wußte, hat er die richtigen Leute gefragt. Der Mann macht sich einen Kopf, und man ist geneigt, ihm das anzusehen: Auf seinem kleinen, sehr schmächtigen Körper wirkt das Haupt äußerst großzügig dimensioniert. Seine Energie scheint direkt von dort zu kommen, und man würde ihm glauben wenn er sagte, daß das Wort »müde« in seiner Sprache nicht existiert. Im Interview, das er direkt nach einem Konzert gab, antwortete er mit einer Beflissenheit auf alle Fragen, als hätte er sie zum ersten Mal gehört. Offensichtlich hat er Spaß daran, die Dinge immer wieder neu zu betrachten – und schult dabei auch gleich seine Rhetorik. Griotrhetorik, versteht sich, denn wie bei diesen steckt das Wesentliche oft zwischen den Zeilen. Ganz wie bei seinen teilweise komplizierten Rhythmen: Man fühlt den Beat, obwohl er nicht wirklich gespielt wird. Baaba Maal hat nicht nur sein ganzes Leben Musik gemacht, er hat auch immer schon Musik gedacht.

Doch noch einmal zurück nach Podor, zurück zum reichhaltigen Kulturangebot dieses wenig bekannten Städtchens. Ortstermin mit Otis Redding, Wilson Picket und James Brown. Baaba Maal erklärt, wie sie dorthin kamen: »Die ersten Radiosendungen in Senegal und Mauretanien waren wirklich verrückt. Neben viel kubanischer Musik gab es Soul und Rhythm ´n Blues mit Otis Redding, Wilson Picket oder James Brown – für uns war das sehr neu, aber es gab nichts anderes im Radio. Traditionelle Musik haben wir im Familienkreis gehört, auf Zeremonien oder Partys – aber nicht im Radio, das kam erst viel später. Wir waren sehr neugierig darauf, was die da machten, wer sie waren, und erst später entdeckten wir, daß das sehr nahe an unserer Musik war. Und die kubanische Musik, die hielten wir damals für afrikanisch. Wir tanzten einfach dazu und dachten nicht, daß dies kubanische Musik sei.« Anders als viele seiner Zeitgenossen hat Maal jedoch nicht angefangen, Soul oder kubanische Titel nachzuspielen. Während Anfang der 70er die meisten Songs in Senegal Interpretationen kubanischer oder dominikanischer Autoren waren, werkelte Baaba in der Studentencombo Lasly Fouta an traditionellem Material. Lasly Fouta war eine 60 Köpfe zählende Theater-, Tanz- und Musikgruppe, eine `living school', die ihre Fulbegemeinde in Dakar mit heimatlichen Liedern versorgte, auf überwiegend traditionellen Instrumenten. Die Halbwertzeit der Musiker in dieser Band, sagt Maal, sei sehr kurz gewesen, viele blieben nur wenige Monate, manche vielleicht zwei Jahre. Dann gründeten sie eigene Bands. Die Fangemeinde von Lasly Fouta, erinnert sich Maal, war sehr kritisch: Sie schaute den Musikern nicht nur auf die Finger, sondern auch auf den Mund. »Wir haben uns alle hingesetzt und überlegt, was wir mit dem Lied sagen wollen, denn wir wußten, die ganze Fulbegesellschaft würde hören, was wir sagen. Daher war die Verantwortung groß, und besonders für die älteren waren die Texte bedeutsam. Sie sollten den Menschen auch im Leben weiterhelfen, das Verständnis für ihre Geschichte erweitern und ihnen Verantwortung für die Gesellschaft nahelegen.«


Mehr über Baaba Maal im Folker! 1/99