Wie in jedem Folker gibt es auch diesmal wieder drei CDs, die aus der Masse herausragen:
Afrika | IFANG BONDI | Gis Gis |
Klezmer | THE KLEZMATICS & CHAVA ALlBERSTEIN | Di Krenitse (The Well) |
Country-Folk-Rock | HAZELDINE | Digging You Up |
Chef von Ifang Bondi ist Bassist, Komponist und Arrangeur Badou Jobe, ein Nobler aus Gambia, der mit der Band Super Eagles schon vor 30 Jahren Starruhm in Senegal und Umgebung erntete. Youssou N`Dour nennt ihn noch heute seinen »großen Bruder«, und »Gis Gis«, nach »Daraja« die zweite internationale Veröffentlichung, zeigt, warum. Ifang Bondi präsentieren traditionelle westafrikanische Musik, hochmodern produziert, ohne einen Ton des zugrundeliegenden Materials dem Charts-Altar zu opfern. Oder: Tradition, wie sie mit guter Technik klingen kann. Der neunte Platz in den Worldmusic-Charts schmeichelt eher den Charts als dem Album, das einen musikalischen Querschnitt durch die ehemalige Konföderation Senegambia darstellt. Songs in der Tradition der Mandingo, der Wolof, der Fulbe, der Balanta ein weites Spektrum, aber kein Feld, das zu weit wäre. Mit traumhafter Sicherheit wird der Nerv, die Essenz der jeweiligen Musik getroffen, weit entfernt von Anbiederung oder dem Wunsch, everybody's darling zu sein. Die Musik bleibt ursprünglich. Die Wahl der Instrumente trägt dem natürlich Rechnung. In den Wolof-Songs knallt die Sabar, der Rap-ähnliche Gesang kommt zum Tragen, während in den Mandingo-Liedern die Kora nur so perlt. Die Fulbe-Nummern dürften selbst einen Baaba Maal aufhorchen lassen, denn nur selten hört man einen derart modernen wie einfühlsamen Umgang mit traditionellem Material. Die Musiker sind entsprechend handverlesen: Sänger El Hadj Samb tummelt sich mit wahrer Sangesfreude in allen Spielarten, Jali Momodou Suso erweist an der Kora seinem Familiennamen die beste Reverenz, und Ebou Gaye läßt gleich ein ganzes Batallion an Perkussionsinstrumenten durch seine begabten Hände gehen. Ein Hammer: Juldeh Camara, der die einsaitige Fulbe-Geige Riti mit einer Konsequenz bearbeitet, die auch schon Altmeister Bill Laswell auf den Plan gerufen hat. Daß Badou Jobe alle Songs am Computer vorgearbeitet hat, merkt nun wirklich niemand, allenfalls ein paar Bläser mehr anstelle der manchmal nervenden Keyboards hätten zum perfekten Album gefehlt. Anhören!
Luigi Lauer
Wer hätte gedacht, daß eine der führenden Chanson- und Folksängerinnen Israels mit einer der führenden US-amerikanischen Klezmergruppen zusammenkommt? Im April 1998 konnte in New York dieses Superprojekt endlich realisiert werden: Texte führender jiddischer Poeten wurden in die von Alberstein selbst komponierte und den Klezmatics interpretierte Musik eingebunden. Die Muttersprache Chawa Albersteins, in Polen geboren, ist jiddisch. Als Vierjährige kam sie 1952 nach Israel. In ihrer 30-jährigen Karriere hat sie mittlerweile 47 Alben (zumeist in hebräischer Sprache) veröffentlicht.
Wenn für die osteuropäischen Juden die hebräische Sprache immer mit einem Blick nach vorwärts verbunden wurde, so galt für jiddisch genau das Gegenteil - aber ein solcher Rückblick war von den Betroffenen eben erst nach einem gewissen zeitlichen Abstand möglich. Konsequent wurden deshalb jiddische Poeten mit den verschiedensten Lebensschicksalen berücksichtigt. Etwa Itsik Fefer (1900-1952), dessen Gedichte in den 20-er Jahren der KPdSU als Propaganda dienten - nur um selbst im stalinistischen Gulag zu `verschwinden'. Oder der belorussische Abraham Reisen (1876-1953), der zwar bereits 1908 in Czernowitz das Jiddische als Nationalsprache aller Juden forderte, sich dichterisch aber erst in seiner Wahlheimat New York (ab 1914) entwickeln konnte.
Abwechslungsreich werden diverse musikalische Stilelemente eingesetzt, vom traditionellen Klezmer über chansonähnliche Weisen bis amerikanisch folkorientierte Melodien. Und nicht nur fröhlich im ¾-Takt, sondern häufig auch mit etwas schweren Texten: So z.B. das Mädchen Khaye mit den grünen Augen und den schwarzen Zöpfen, das schöne Lieder singen konnte und sein Leben lang für die Familie arbeitete, nur um von den Deutschen in Treblinka verbrannt zu werden. Oder der (personifizierte) Brunnen, um den die Burschen tanzen, aus dem hübsche Mädchen Wasser holen - nur um doch in Gedanken versunken einsam zu bleiben. Die Texte sind in jiddischer Sprache beigelegt, original mit hebräischen Buchstaben und in lateinischer Transkribierung, sowie in englischer Übersetzung; die hebräische Übersetzung, wie vom Vertriebsinfo angekündigt, fehlt jedoch. Trotzdem ein in jeder Hinsicht bemerkenswertes Album!
Matti Goldschmidt
Ich gebe zu, daß ich für diese Art von Musik anfällig bin. Diese Mischung aus süßen und traurigen Countryklängen mit einem Schuß Rock und Blues hat mich schon an Gruppen wie den Cowboy Junkies, den Nields sowie Chris & Carla fasziniert. Vielleicht hat es etwas mit der Weite des Landes zu tun, aus dem all diese Bands kommen. Bei geschlossenen Augen kann man sich bei jedem einzelnen Song endlose Landschaften, trostlose Kleinstädte und verräucherte Bars vorstellen. Getragen wird der Sound von Hazeldine vom Gesang der beiden Gitarristinnen Shawn Barton und Tonya Lamm. In Albuquerque, New Mexico, dem »Sitz« der Band, teilten sich Shawn und Tonya nach der Schulzeit ein Haus und sangen Countrysongs im Wohnzimmer.
Hazeldine wurde dann vor vier Jahren mit Jeffrey Richards (Schlagzeug, Gitarre, Banjo) und Anne Tkach (Baß, Perkussion, Gesang) gegründet. Hazeldines Debütalbum »How Bee's Fly« wurde im Sommer 1997 in Europa veröffentlicht. Die frischen Countryklänge der Gruppe führte dazu, daß der deutsche »Rolling Stone« die Amerikaner zum besten Newcomer-Act des Jahres kürte. Mit diesem Erfolg im Rücken konnte für das jetzt vorliegende Nachfolgealbum »Digging You Up« mit A&M Records gleich ein Majorlabel gewonnen werden. Neben acht neuen Titeln enthält die CD Neuaufnahmen von vier Stücken aus »How Bee's Fly«. Die Songs von »Digging You Up« sind vor allem Liebesgeschichten. Sie handeln von Sehnsucht und der Angst vor Verlust. Es geht jedoch auch um das nicht aufgearbeitete Verhältnis zu Vater und Mutter (»Daddy«) oder um die Hoffnungen und Ängste, mit denen man sich als einzelner in unserer Gesellschaft auseinandersetzen muß (»Right To Feel«). Nachdem sich der bisherige Schlagzeuger Jeffrey Richards entschlossen hatte, nur noch in die Saiten der Gitarre zu greifen, wurde mit David Sinclair ein neuer Drummer gewonnen, der jetzt als Fünfter im Bunde das Live-Bild von Hazeldine prägt. Eine CD, die man sich mehrmals anhören muß und auch kann, um in die Klangwelt von Hazeldine einzutauchen.
Michael Kleff
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