Von Thorsten Bednarz
»Du kannst dir nicht den Arsch zur Musik einer Band aus Afrika abtanzen, dich dann umdrehen und behaupten, du seist Rassist. Das geht einfach nicht.« Spider Stacey von den Pogues bringt es in seiner eigenwilligen und direkten Art auf den Punkt, was für ihn die Faszination der WOMAD-Festivals und von Weltmusik überhaupt ausmacht. Und der gebildete Weltmusikanalytiker sollte nicht die Nase über den wilden irisch/englischen Haufen von Akkustikpunks rümpfen, die als klingendes Gegenstück zu den ewig whiskyseligen Dubliners das Klischee vom »Wild, wild Rover« auf ihre Art bedienen. Immerhin waren die Pogues schon ganz am Anfang dabei, als die WOMAD-Festivals mit tatkräftiger und nicht unwesentlicher finanzieller Unterstützung von Peter Gabriel ins Leben gerufen wurden und über die Rolle dieser Festivals zur Verbreitung dessen, was heute »Weltmusik« genannt wird, kann und darf man einfach nicht mehr streiten. Ofra Haza und Mory Kante spielten hier schon vor großem Publikum, noch bevor sie auf anderen (Pop-)Bühnen standen. Ali Farka Toure bewies, das sein Bambara-Blues ohne Ry Cooder besser klingt und wie viele Künstler aus der sogenannten Dritten Welt hier sonst noch »entdeckt« wurden, ist kaum noch nachzuvollziehen.
Obwohl das Festival der »World of Music, Arts and Dance«, so der volle WOMAD-Titel, schon nach der ersten Auflage pleite war und nur Dank der Visionen und immer wieder auch der finanziellen Hilfe eines Peter Gabriel gerettet werden konnte (was für ihn beinahe die gleichen Konsequenzen wie für das Festival gehabt hätte!), hat sich in den letzten fast 15 Jahren aus dem WOMAD-Festival eine Institution entwickelt, die eng mit dem wohl am besten präsenten Weltmusiklabel verbunden ist: Real World Records. Amanda Jones, Managerin der Plattenfirma, erinnert sich: »Ich begann Ende 1984, bei WOMAD zu arbeiten genau zu der Zeit, als auch WOMAD Records seine Arbeit aufnahm. Wir veröffentlichten damals eine Serie von beinahe didaktischen Platten, denn es war noch sehr schwierig, überhaupt so etwas wie eine Kompilation von afrikanischer Musik zu bekommen. Ich habe sogar eine Sammlung von europäischer Musik gemacht, um schon damals die ganze Breite unseres Interesses zu bekunden. Es ging uns niemals nur um Musik aus der dritten Welt, sondern auch immer um unsere eigenen Wurzeln. Damals waren diese Platten auch mit viel Text, Abbildungen und Informationen verbunden. Sie waren regelrechte Bücher, die dann auch talking books sprechende Bücher genannt wurden und oft im Musikunterricht in Schulen eingesetzt wurden. Daraus entstand später Real World Records. Wir sprachen Peter Gabriel an, der gerade sein neues Studio eröffnet hatte, und schlugen ihm vor, einige der Künstler des Festivals in sein Studio zu bringen für so etwas Ähnliches wie die Blue Note-Serie vielleicht Live at Real World. Durch seine Kontakte zu Virgin hofften wir auch, einen Vertrieb dafür zu finden, denn damals war das Label wirklich noch sehr klein und sehr unabhängig. Wir hatten keine Computer und nicht einmal elektrische Schreibmaschinen! Alles wurde von Hand gemacht! Dann zog unser Büro von Bristol aus hierher zum neuen Standort von Real World, das Festivalbüro folgte und 1989 begann die Arbeit von Real World Records.«
Der Komplex von Real World-Studios, -Records und dem WOMAD-Festival liegt im kleinen Dörfchen Box, in der Nähe von Bath, einer der ältesten Kulturlandschaften Europas. Als die Römer in Bath einzogen, war dies schon eine alte Stadt. Stonehenge liegt nur einen Steinwurf weit entfernt, ebenso wie eine Vielzahl anderer Heiligtümer und Tempel der verschiedensten Epochen und Kulturen und angeblich werden gerade in dieser Gegend noch immer die meisten Kornkreise und Ufos im Königreich ihrer Majestät gesichtet.
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